Erneuerbare Energien

Nachhaltige Aktien im Aufwind

Die verstärkte Wettbewerbsfähigkeit soll Aktien aus dem Bereich der erneuerbaren Energien antreiben. Portfoliomanager setzen zudem auf grüne Wasserstoff-Lösungen und Wasseraufbereitungs-Technologien.

Nachhaltige Aktien im Aufwind

Grün und Blau sind am Aktienmarkt die Trendfarben der Zukunft. Denn der Schutz des Klimas, der Umwelt und der Weltmeere erfährt enorme politische Unterstützung, was Investitionen in entsprechende Technologien antreibt – und laut Analysten dafür sorgt, dass Aktien aus dem Segment der erneuerbaren Energien langfristig im Aufwind liegen sollten. Dabei spielen auch aktuelle Entwicklungen eine entscheidende Rolle.

Die russische Invasion in der Ukraine erhöhe das Risiko einer globalen Energiekrise, argumentiert Christian Rom, Portfoliomanager des DNB Fund Renewable Energy. Dies wiederum nähre Spekulationen über ein stärkeres Wachstum erneuerbarer Energien, um den globalen Mix weniger abhängig von russischen fossilen Brennstoffen zu machen. „Da 30 bis 40 % des europäischen Gasbedarfs aus Russland stammen, könnte ein Vorstoß zur Verringerung der Abhängigkeit von russischem Gas als Katalysator für eine beschleunigte Dekarbonisierung und Netto-Null-Pläne wirken“, sagt Rom. Die Gaspreise seien bereits in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen und auch die Ölpreise legten angesichts der geopolitischen Lage stark zu, womit erneuerbare Energien wettbewerbsfähiger würden.

„Dem Weltwirtschaftsforum zufolge sind 62 % der 2020 in Betrieb genommenen Wind-, Solar- und anderen erneuerbaren Energien billiger als die billigste Alternative aus fossilen Brennstoffen“, sagt Victoria Leggett, Leiterin Impact Investing bei der Schweizer Privatbank UBP. „Der Erfolg der erneuerbaren Energien hängt also keineswegs von staatlichen Subventionen ab, vielmehr hängt die fossile Energiewirtschaft am Subventionstropf.“ So seien im Jahr laut der International Renewable Energy Agency 70 % der Gesamtsubventionen für den Energiesektor von 634 Mrd. Dollar auf fossile Brennstoffe entfallen und lediglich 20 % auf erneuerbare Quellen.

Der Ausbau nachhaltigerer Energieformen trifft unterdessen auf eine enorme Stromnachfrage: Weltweit wird diese laut Nicolas Jacob, Portfoliomanager des Oddo BHF Green Planet, bis 2050 um das 2,5-Fache steigen. In der Folge rechnet Jacob bis 2050 allein in den USA mit Investitionen von rund 200 Mrd. Dollar in Stromnetze. Dass zusätzliche Erzeugungskapazitäten überwiegend aus erneuerbaren Energien stammten, mache eine Transformation der Infrastruktur ebenso notwendig wie die verstärkte Nutzung von Elektrofahrzeugen. Denn diese würden zu mehr als 80 % am Wohnort ihrer Besitzer aufgeladen. „Während heute vorrangig in Häfen und Großstädten Energie vorgehalten und verbraucht wird, muss morgen an einer Vielzahl von Standorten erneuerbare Energie erzeugt werden“, sagt Jacob.

Profiteure der Dezentralisierung

Einige Unternehmen profitierten besonders von den Effekten einer dezentralisierten Stromerzeugung und einer stärker entkoppelten Übertragung und Verteilung. Die texanische Quanta Services etwa erziele 69 % ihres Umsatzes mit der Planung, Installation und Wartung elektrischer Infrastruktur und besitze einen Marktanteil von 60 % bei großen Übertragungsprojekten in den Vereinigten Staaten. Die in Irland ansässige Eaton habe sich auf elektrische Ausrüstungen für Nieder- und Mittelspannungsnetze spezialisiert und erwirtschafte 38 % ihres Umsatzes in den USA. „Ein weiterer Titel ist NKT, der weltweit drittgrößte Anbieter von Hochspannungskabeln, insbesondere für Offshore-Windkraft“, sagt Jacob. Die Gesellschaft sei an zwei Stromtrassen des deutschen Flaggschiffprojekts zum Netzausbau beteiligt.

Natürlich stehen aber vor allem die Hersteller von Windkraftanlagen im Fokus der Investoren. Die dänische Vestas ist im Sektor weltweit führend, ihre Projekte erwirtschaften laut DNB-Manager Rom über den gesamten Zyklus hinweg die höchsten Renditen. Dies habe das Unternehmen unter anderem durch eine nachgewiesene Kostenreduzierung mittels technologischer Innovation und eine Optimierung der Lieferkette erreicht. Insgesamt sei die Branche stark konsolidiert, ihren Unternehmen blühten langfristig wiederkehrende, mit hohen Margen ausgestattete Serviceeinnahmen. „Offshore-Windkraft sehen wir als nächste große Wachstumschance für den Sektor“, sagt Rom.

Allerdings haben sich viele Aktien aus dem Windsektor in den vergangenen Jahren volatil entwickelt, Branchenführer Vestas ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 128 auf Basis der Gewinnschätzungen für die kommenden zwölf Monate extrem hoch bewertet. Der Druck, die Kosten weiter zu senken, ist auch durch den äußeren Wettbewerb mit Solarstromlösungen hoch. Zudem sorgen Patentstreitigkeiten im Windsektor für Planungsunsicherheit. Denn in der Folge können Unternehmen gezwungen werden, für die Verwendung gewisser Technologien Lizenzen an die Konkurrenz zu zahlen. Europäische Unternehmen sind dabei laut Analysten im Nachteil, weil die USA einheimische Firmen stärker protektierten als die EU.

Zudem stellen die Netzstabilität und Speicherung Herausforderungen dar. Für das Speicherproblem seien indes diverse Lösungen interessant. „Wir glauben, dass es Raum für mehrere Technologien gibt, da die Anwendungsfälle im Transportwesen, bei der Reservestromversorgung und beim Netzausgleich sehr unterschiedlich sein werden“, sagt Rom. Bei Aktien-Investitionen konzentriere sich der DNB-Fonds jedoch auf Lithium-Ionen und Wasserstoff.

„Angesichts der hohen Kohlenstoffpreise weltweit und der jüngsten Höchststände in der EU war das Potenzial von Wasserstoff als bedeutende Dekarbonisierungslösung noch nie so groß wie heute“, unterstreicht auch Heiko Schupp, Head of Global Infrastructure bei Columbia Threadneedle Investments. Derzeit hätten etwa 66 Länder Netto-Null-Emissionsziele, von denen etwa 20 Wasserstofffahrpläne vorgestellt haben – weitere dürften folgen. Zudem seien die Preise für grünen Wasserstoff in den vergangenen zehn Jahren aufgrund von Effizienzsteigerungen drastisch gesunken. „Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Preisverfall fortsetzen wird, was die Attraktivität von grünem Wasserstoff noch erhöht“, sagt Schupp.

Dies sei auch aus den Geschäftsberichten des weltweit führenden Elektrolyseanbieters Nel ersichtlich. Das Unternehmen strebe bis 2025 einen Preis von 1,50 Dollar pro Kilogramm für grünen Wasserstoff an. Zuvor sei die Branche davon ausgegangen, dass die Kosten bis 2030 unter die Marke von 2 Dollar pro Kilo sinken würden. Zugleich geht DNB-Manager Rom davon aus, dass die Wasserstoffnachfrage positiv überraschen wird. „Ähnlich wie bei der Solarbranche bedeutet ein größerer Endmarkt als erwartet jedoch nicht unbedingt attraktive Margen für alle Unternehmen“, sagt der Fondslenker. Daher sei eine gründliche Forschung nötig, um Potenzial für den Aufbau dauerhafter Wettbewerbsvorteile zu identifizieren. Elektrolyse-Unternehmen ohne differenzierte Technologie oder andere Alleinstellungsmerkmale werde es vermutlich schwerfallen, ihre Kapitalkosten wieder einzuspielen.

Plug Power im Vorteil

Ein Positivbeispiel sei Plug Power. Das US-Unternehmen sei führend in den Bereichen Brennstoffzellen, Elektrolyse, Erzeugung von grünem Wasserstoff sowie Speicherung und Betankung von Flüssigwasserstoff. „Wir glauben, dass Wasserstoff-Brennstoffzellen und elektrolytische Verfahren disruptive Technologien darstellen, bei denen Plug Power durch den Aufbau des Nischenmarktes für große Gabelstapler in Distributionszentren einen First-Mover-Vorteil erzielt“, betont Rom.

Auch für die Automobilindustrie bleibe Wasserstoff interessant. Hinsichtlich der Mobilität der Zukunft liegt der politische Fokus allerdings klar auf Batterieantrieben. „Aber es gibt Herausforderungen, wenn es darum geht, unsere globale Autoflotte zu ersetzen“, sagt Pauline Grange, Portfoliomanagerin Responible Investing bei Columbia Threadneedle. So seien die derzeitige Herstellungskapazität von Batterien und die global verfügbaren Rohstoffreserven völlig unzureichend, um den gewaltigen Nachfrageschub zu bewältigen. „Eine Kombination aus innovativem Batterierecycling, effizienterem Materialabbau, umweltfreundlichen Lieferketten und geringerem Materialgehalt in Batterien der neuen Generation ist unerlässlich, wenn wir dieses Problem lösen wollen“, führt Grange aus.

Die Elektroautos großer Hersteller, die zwischen 2024 und 2025 auf den Markt kommen sollen, werden laut Columbia-Analyst Ben Kelly über eine größere Batteriereichweite verfügen als heutige Modelle. Die europäischen Autokonzerne, allen voran Mercedes-Benz, holten in Bezug auf die Verkäufe elektrischer Fahrzeuge stark zu Tesla auf, wodurch sich die Bewertungslücke zum US-Pionier schließen werde.

Zugleich stellten die Branchenvertreter auch ihre Produktionsprozesse um. Das Ziel einer nachhaltigeren Fertigung in der Industrie kommt auch der Wasserwirtschaft zugute. Diese gewinnt laut Grange zudem durch die zunehmende Schwere von Dürren, das Bevölkerungswachstum und die resultierende Wasserknappheit an Bedeutung. „Dies wird große Investitionen in die Wasserinfrastruktur erfordern“, sagt Grange. Einerseits müssten alternde Wassernetze modernisiert werden, über die weltweit etwa ein Drittel des Trinkwassers verlorengehe. Andererseits seien intelligentere Lösungen zur Abwasseraufbereitung nötig. Der gewaltige Investitionsbedarf in verschiedenen Segmenten dürfte die Trendfarben Grün und Blau also künftig noch heller strahlen lassen.

 

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