Devisen

Rezessives Umfeld stützt Dollar und sichere Häfen

Eine schrittweise Bestätigung des rezessiven Szenarios in den kommenden Monaten sollte den Euro und das britische Pfund belasten. Profitieren würden der Dollar und der Schweizer Franken.

Rezessives Umfeld stützt Dollar und sichere Häfen

Von Martin Hochstein *)

„Wir streben für einen längeren Zeitraum eine Verlangsamung der Nachfrage auf eine Wachstumsrate unter Potenzial an, um damit eine Unterauslastung der Wirtschaft herbeizuführen und die Inflation abzukühlen.“ Fed-Chef Jerome Powell hat auf der FOMC-Sitzung im Juli den Weg der US-Notenbank klar umrissen und die Botschaft in seiner viel beachteten Rede während der Zen­tralbankkonferenz im amerikanischen Jackson Hole untermauert. Eine weitere Verschärfung der Geldpolitik auf anhaltend restriktive Niveaus ist notwendig, um den aus dem Ruder gelaufenen Teuerungsanstieg zu bekämpfen. Nach der verspäteten Einsicht, dass es sich nicht nur um ein vorübergehendes angebotsseitiges Inflationsphänomen handelt, zielt die Federal Reserve nun insbesondere auf eine geordnete Abkühlung der überhitzten Arbeits- und Immobilienmärkte. Sie hofft, damit zumindest ein Abebben des zyklischen Preisdrucks zu erreichen.

Strukturelle Inflationsrisiken

All dies geschieht vor dem Hintergrund zunehmender struktureller Inflationsrisiken durch Deglobalisierungstendenzen, demografischen Wandel, eine notwendige Dekarbonisierung im Kampf gegen den Klimawandel und die Adressierung der Einkommens- und Vermögensungleichheit, die weitestgehend außerhalb des Einflusses der Notenbanker liegen.

Anleger sollten in dieser Gemengelage nicht auf eine schnelle Intervention – sprich erneute Lockerung – der Geldpolitik im Falle einer weiteren Konjunkturabschwächung hoffen. Solange das Inflationsproblem nicht hinreichend gelöst ist, bleibt ein niedriges oder stagnierendes Wirtschaftswachstum Mittel zum Zweck. Geldpolitiker in vielen Ländern gehen mit Blick auf den möglichen Preis der Disinflation mittlerweile sogar einen Schritt weiter: Selbst eine Anpassungsrezession wäre in Kauf zu nehmen, um einer Verfestigung des Inflationstrends und überhöhten mittelfristigen In­flationserwartungen entgegenzuwirken. Zwar bleibt eine „sanfte Landung“ der Wirtschaft das erklärte Ziel – ein Blick auf die Historie sorgt diesbezüglich jedoch für Ernüchterung: Vier der letzten fünf Zinserhöhungszyklen der US-Notenbank mündeten letztlich in eine Rezession.

Die Wahrscheinlichkeit eines Konjunkturrückgangs in Europa ab dem vierten Quartal sowie in den USA und auf globaler Ebene im Verlauf des kommenden Jahres ist somit deutlich gestiegen. Damit richtet sich der Blick der Finanzmarktteilnehmer zunehmend auf die Entwicklung einzelner Assetklassen und Währungen während vergangener Abschwünge. So verloren beispielsweise US-Aktien in den Konjunkturzyklen seit 1953 vom jeweiligen Hochpunkt bis zum Tiefpunkt in der Rezession im Mittel gut 30% an Wert. Die Risikoprämien von US-Unternehmensanleihen (In­vestment Grade) gegenüber Staatsanleihen legten im Schnitt um etwa 180 Basispunkte zu. Mit Blick auf den Verlauf zeigt sich, dass beide Marktsegmente ihre Wendepunkte stets während der Rezession oder danach verzeichneten, nie davor: Aktien erreichten ihren Boden im Schnitt nach Ablauf von etwas mehr als der Hälfte der Rezessionsperiode. Die Zinsaufschläge von Unternehmensanleihen stabilisierten sich typischerweise etwas später. Für Investoren hat sich in der Vergangenheit somit Geduld im Vorfeld und zu Beginn einer rezessiven Periode ausgezahlt.

Klares Muster

Auch die Devisenmärkte entwickelten sich in derartigen Umfel­dern nach einem klaren Muster. Unsere Analyse von mehr als 100 Rezessionsepisoden in 19 Ländern seit 1973 zeigt, dass sowohl der US-Dollar als auch klassische „sichere Häfen“ wie japanischer Yen und Schweizer Franken ihre defensiven Qualitäten ausspielen konnten. Demgegenüber standen zyklischere G10-Währungen wie das britische Pfund sowie die skandinavischen und die Dollarblockwährungen auf der Verliererseite, ebenso wie viele Schwellenländerwährungen. Die Performance des Euro zeigte ein leicht negatives, aber insgesamt uneinheitliches Bild.

Zu enge Fokussierung

Vor diesem Hintergrund er­scheint die aktuelle Fokussierung vieler Devisenmarktteilnehmer auf die kurzfristigen Zinsdifferenzen zu eng. In der divergenten Frühphase der globalen geldpolitischen Normalisierung hatte dieser Faktor noch einen hohen Erklärungsgehalt für die Währungsmärkte. Mit dem zunehmend synchronen Leitzinserhöhungszyklus vieler Notenbanken nahm dieser Einfluss zuletzt aber ab. Demgegenüber haben konjunkturelle Aspekte, die relativen und absoluten Rezessionsrisiken sowie die Sensibilität hinsichtlich der Rohstoffpreisentwicklung an Bedeutung gewonnen. Insbesondere Länder und Währungen mit hoher Importabhängigkeit von Öl, Gas und Kohle erscheinen anfällig: Steigende Energiepreise wirken sich negativ auf die relativen Ausfuhr- und Einfuhrpreise aus, und diese sogenannten „Terms of Trade“ sind ein wichtiger struktureller Treiber für die Wechselkurse.

In toto sollte damit eine schrittweise Bestätigung des rezessiven Szenarios in den kommenden Monaten den Euro und das britische Pfund belasten. Auch zyklische und Schwellenländerwährungen dürften tendenziell unter Druck bleiben. Anders hingegen Dollar und Schweizer Franken: Eine Konjunkturschwäche würde insbesondere diese Währungen stützen – und dies trotz der im Jahresverlauf bereits beobachteten deutlichen Aufwertung.

*) Martin Hochstein ist Senior Economist bei Allianz Global Investors.