Kritik an Ex-Regierung

Andrew Bailey: Bank of England tappte im Dunkeln

Die Kommunikation zwischen Regierung und Bank of England ist unter Premierministerin Liz Truss nahezu völlig zusammengebrochen. Notenbankchef Andrew Bailey nannte die Abläufe „völlig außergewöhnlich“.

Andrew Bailey: Bank of England tappte im Dunkeln

hip London

Der Gouverneur der Bank of England, Andrew Bailey, hat vor dem Wirtschaftsausschuss des britischen Oberhauses den nahezu vollständigen Zusammenbruch der Kommunikation mit der Regierung beschrieben, als Liz Truss Premierministerin war. Truss und ihr Schatzkanzler Kwasi Kwarteng hätten den Geldpolitikern der Notenbank, die wenige Tage vor Verkündung des Wachstumshaushalts im September eine Zinsentscheidung treffen mussten, so gut wie keine Hinweise darauf gegeben, was sie vorhatten. Es sei nicht einfach nur unbekannt gewesen, was in Kwartengs Haushaltsentwurf stehen würde: Es sei unklar gewesen. „Unter normalen Umständen haben wir Kommunikationskanäle“, sagte Bailey im House of Lords. „In diesem Fall gab es das nicht.“

„Völlig außergewöhnlich“

Es habe sich um einen „völlig außergewöhnlichen Prozess“ gehandelt. Tatsächlich hatte die Regierung lediglich von einem „fiskalischen Ereignis“ gesprochen, um eine kritische Überprüfung ihres Haushaltsentwurfs durch die unabhängigen Haushaltshüter des Office for Budget Responsibility (OBR) zu vermeiden. Dass das OBR nicht in den Prozess eingebunden war, habe weniger Substanz geliefert, auf deren Grundlage die Notenbanker ihre Prognosen abgeben und die im Budget enthaltenen Maßnahmen verstehen können. Es habe nicht einfach et-was gefehlt. „Da war nichts“, sagte Bailey.

Man sei auch nicht über den Umfang der Ankündigungen informiert worden. „Wir hatten mit Sicherheit nicht erwartet, dass der Spitzensteuersatz abgeschafft werden könnte“, sagte Bailey. Zwar habe ein Spitzenbeamter des Schatzamts an der Sitzung des geldpolitischen Komitees (MPC, Monetary Policy Committee) teilgenommen. Aber der habe wohl auch nicht gewusst, was im Haushaltsentwurf stehen würde. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Beamten des Schatzamts der Bank of England alles sagten, was sie wussten“, sagte Bailey. Normalerweise hätte der Chefvolkswirt des Schatzamts die Zentralbank über die zu erwartenden Veränderungen von Einnahmen und Ausgaben unter­richtet.

Die Notenbank hatte den Leitzins im September um 50 Basispunkte erhöht – weniger, als am Markt erwartet worden war. Unmittelbar nach der Vorstellung des Wachstumshaushalts von Kwarteng, der neben Steuersenkungen auch die Deckelung der Energiekosten von Unternehmen und privaten Haushalten enthielt, geriet das Pfund unter Druck. Die Renditen britischer Staatsanleihen (Gilts) schossen in die Höhe. Die Bank of England war gezwungen, am Bondmarkt zu intervenieren, weil Pensionsfonds durch Derivatgeschäfte in Bedrängnis geraten waren. Statt wie ursprünglich geplant den seit der Finanzkrise zusammengekauften Anleihenberg langsam abzutragen, musste sie erst einmal weitere Gilts erwerben.

Mittlerweile hat sich die Situation an den Finanzmärkten beruhigt – nicht zuletzt dank der von Schatzkanzler Jeremy Hunt angekündigten Steuererhöhungen. Man sei beim „Quantitative Tightening“ auf Kurs, sagte Bailey. Die Notenbank habe ihre Bestände im laufenden Jahr um 41 Mrd. bis 42 Mrd. Pfund zurückgefahren – einerseits durch Auslaufen der Papiere, andererseits durch die im vergangenen Monat begonnenen Anleihenverkäufe.

Die Bank of England werde den Leitzins wohl weiter erhöhen müssen, um die Inflation wieder dem Zielwert von 2,0 % anzunähern, sagte Bailey. Zuletzt hatte sie bei 11,1 % gelegen. „Unsere Erwartung ist, dass noch mehr zu tun sein wird“, sagte Bailey. Einer seiner Vorgänger, Mervyn King, drang darauf, den Leitzins stärker zu erhöhen, um den Gipfel schneller zu erreichen.

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