Konjunktur

Industrie produziert mit Schwung

Daten zu Produktion und Auftragseingang im Januar könnten die deutsche Industrie zufrieden stimmen. Wären da nicht der Ukraine-Krieg und dessen Auswirkungen auf die ohnehin labilen Lieferketten.

Industrie produziert mit Schwung

ast Frankfurt

Die deutschen Indus­trieunternehmen haben ihre Produktion im Januar deutlich gesteigert. Wie das Bundeswirtschaftsministerium am Dienstag mitteilte, standen 2,7% mehr zu Buche als noch im Vormonat. Ökonomen hatten lediglich ein Plus von 0,5% auf dem Zettel. Es ist der kräftigste Zuwachs seit Oktober 2020 und zugleich das vierte Plus in Reihe.

Bereits am Montag hatte das Statistische Bundesamt (Destatis) vermeldet, dass sich auch die Auftragsbücher weiter füllten. Da die Daten den letzten Monat vor Ausbruch des Ukraine-Krieges abdecken, besteht Ungewissheit, ob sich die Produktionserholung in dieser Art fortsetzen wird. Experten äußern daran Zweifel, zumal erste Autokonzerne Teile ihrer Produktion bereits temporär geschlossen haben.

Im Vorjahresvergleich war die Produktion kalenderbereinigt 1,8% höher als im Januar 2021. Im Vergleich zum Februar 2020, dem letzten Monat vor Beginn der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie in Deutschland, lag die Produktion im Januar 2022 saison- und kalenderbereinigt 3,0% niedriger. Damit konnten die Unternehmen die Corona-Delle nach wie vor nicht ganz ausgleichen (siehe Grafik). Das Baugewerbe zeigte sich zum Jahresauftakt von seinem Dezember-Einbruch erholt: Begünstigt von milder Witterung stieg die Produktion im Januar um 10,1%. Die Energieversorger drosselten ihre Erzeugung um 0,1%, während die Industrie 1,3% mehr herstellte.

Der Krieg in der Ukraine dürfte die ohnehin labilen globalen Lieferketten allerdings belasten. Die steigende Zahl von Bestellungen (vgl. BZ vom 8.März) zeigt, dass es weniger an mangelnder Nachfrage liegt, dass die deutsche Industrie nach wie vor weniger produziert als vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, sondern an der Menge der zur Verfügung stehenden Vorprodukte. Die Lieferkettenprobleme verzögern die Erholung demnach weiterhin.

„Durch den Krieg in der Ukraine steht die deutsche Industrie vor ihrer nächsten Belastungsprobe“, sagte Konjunkturexperte Nils Jannsen vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Kurzfristig dürften vor allem die zusätzlichen Lieferengpässe die Produktion belasten. Für den März zeichne sich angesichts der Werksschließungen in der Autobranche wegen ausbleibender Vorleistungen aus der Ukraine ein deutlicher Rückgang der Industrieproduktion ab.

Einen pessimistischen Ton schlägt auch Carsten Brzeski, Global Head of Macro der ING, an. Die Statistik zum Output der Industrie im Januar „malt ein Bild davon, wie der deutsche Aufschwung hätte aussehen können“, so der Ökonom. Auch für das deutsche Wirtschaftswachstum sieht Brzeski schwarz: „Anstelle einer starken Dynamik im Jahresverlauf sieht sich die Wirtschaft nun einer Stagflation gegenüber, getrieben von einer hohen Abhängigkeit von russischem Öl und Gas, neuen Spannungen in der Lieferkette und einer hohen Unsicherheit für Unternehmen und Haushalte.“

Maue Wachstumsaussichten

Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen erwartet angesichts der positiven Produktionsdaten im Januar und Februar hingegen, dass es zumindest im ersten Quartal keinen erneuten Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) geben wird. Dieses war im Schlussquartal um 0,3% geschrumpft. Sollte es auch im Auftaktquartal ein Minus geben, sprechen Ökonomen von einer technischen Rezession – also einer schrumpfenden Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen.

Das BIP der Eurozone wuchs zwar in den letzten drei Monaten 2021 leicht um 0,3%, wie das Statistikamt Eurostat am Dienstag bekannt gab und damit erste Schätzungen bestätigte. Allerdings dürfte sich auch hier die weitere Erholung wegen des Krieges wieder verzögern. Positiver ist der Ausblick am Euro-Arbeitsmarkt. Den Luxemburger Statistikern zufolge stieg die Zahl der Beschäftigten im vierten Quartal gegenüber dem Sommerquartal noch einmal um 0,5%. Für das Gesamtjahr meldet Eurostat einen Anstieg der Erwerbstätigkeit um 1,1%.