EU und die Italien-Wahl

Was wird aus ESM, Stabipakt & Co?

Die Italien-Wahl könnte auch in der EU zahlreiche Debatten entscheidend beeinflussen. Es geht dabei um die ESM-Reform, Änderungen bei den EU-Fiskalregeln oder auch institutionelle Reformen. Doch längst nicht alle Prognosen sind nur schwarz.

Was wird aus ESM, Stabipakt & Co?

Von Andreas Heitker, Brüssel

Nicht vergessen ist in Brüssel bis heute die jüngste Regierungsbeteiligung von Matteo Salvini, als der damalige italienische Vizepremier und Lega-Chef 2018 und 2019 erst einen gewaltigen Haushaltsstreit mit der EU-Kommission anzettelte und die Verschuldungsregeln nicht akzeptieren wollte und dann auch noch eine Kampagne gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) fuhr. Beides sind aber Themen, die auch die künftige Regierung in Rom beschäftigen werden – und damit voraussichtlich erneut Salvini sowie Giorgia Meloni von den extrem rechten Fratelli d’Italia.

Nur wenige Wochen nach der Wahl wird die EU-Kommission nämlich ihre Vorschläge für eine Reform der europäischen Fiskalregeln vorlegen. Eine Einigung hängt stark auch von Italien ab, was nicht nur mit dem politischen und wirtschaftlichen Gewicht des Landes zu tun hat, sondern vor allem auch mit seiner Schuldentragfähigkeit. Ordnungsökonom und Berater von Finanzminister Christian Lindner, Lars Feld, brachte es kürzlich im Interview der Börsen-Zeitung auf den Punkt: „Italien ist der Fixpunkt, um den es in der Debatte im Wesentlichen geht.“

Auch die ESM-Diskussion ist noch längst nicht ausgestanden. Ob die neue Regierung in Rom bereits an der Abstimmung über den neuen ESM-Chef beteiligt sein wird, ist noch offen. Rom könnte aber die seit Jahren verhandelte ESM-Reform noch stoppen. Lediglich Deutschland und Italien haben die Reform, an der auch der Backstop des Bankenabwicklungsfonds SRF hängt, noch nicht ratifiziert. Deutschland wartet hier noch auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – Italien auf eine neue Regierung, die den ESM möglicherweise lieber abschaffen als reformieren will.

Der frühere italienische EU-Kommissionspräsident Romano Prodi warnte in der letzten Woche vor „großen Problemen für die Europäische Union“ im Falle einer Rechts-Regierung unter Giorgia Meloni. Eine solche „würde eine Abkehr von unserer starken Tradition der europäischen Kooperation bedeuten“, sagte Prodi der Nachrichtenagentur APA.

Spaß vorbei

Meloni selbst, die regelmäßig auf die „Bürokraten aus Brüssel“ schimpft und eher den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán einen Freund nennt, hatte auf einer Wahlkundgebung schon angekündigt, dass im Falle eines Wahlsieges der „Spaß“ für Europa vorbei sei.

Längst nicht alle Diplomaten in Brüssel wollen sich vor der Wahl aber am Schwarzmalen beteiligen. Gerne wird in Gesprächen auf die Unterschiede zwischen Wahlkampfgetöse und Realität verwiesen. Etwas optimistischer sind auch die Erwartungen beim Centrum für Europäische Politik (Cep). Andrea De Petris, wissenschaftlicher Direktor des Centro Politiche Europee in Rom, schreibt in einer noch unveröffentlichten Analyse, er erwarte, dass etwaige antieuropäische Versuchungen der künftigen Regierung wohl auf interne und externe Beschränkungen stoßen würden, die die Auswirkungen erheblich verringern könnten. De Petris verweist in dem Zusammenhang auf die Entschlossenheit der EU-Kommission gegenüber Orbán. „Es ist wahrscheinlich, dass dies auch als Warnung an andere Regierungen gedacht ist, die in seine Fußstapfen treten wollen.“

Nicht unerheblich sei außerdem, dass Italiens Wirtschaft aktuell nicht auf die volle finanzielle Unterstützung durch die EU und auf freundschaftliche und vertrauensvolle Beziehungen zur Europäischen Zentralbank (EZB) verzichten könne. „Ein Bruch mit Brüssel und Frankfurt würde die Erholung von Produktion und Beschäftigung in wichtigen Wirtschaftszweigen stark in Frage stellen“, hieß es.

Und dies könnte auch den Debatten um eine Neuverhandlung des Corona-Wiederaufbaufonds den Wind aus den Segeln nehmen. Klar scheint dagegen, dass es mit einer rechten Regierung in Rom wohl kaum institutionelle Reformen der EU geben wird, die eine Machtverlagerung nach Brüssel mit sich bringen.

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