Globales Finanzsystem vor dem Flächenbrand
US-Downgrade
Finanzsystem vor dem Flächenbrand
Von Alex Wehnert
Während Ratingagenturen Warnsignale für die USA senden, gefährdet Washingtons Deregulierung im Bankensektor die finanzielle und fiskalische Stabilität.
Washington rührt derzeit den Molotow-Cocktail zusammen, der einen Flächenbrand im globalen Finanzsystem auszulösen droht. Denn der von US-Präsident Donald Trump losgetretene, wirtschaftsfeindliche globale Handelskrieg und der Regulierungsabbau von Amerikas Behörden in der Administration des Republikaners bilden einen explosiven Mix. Diesen haben die überheblichen Vertreter der Wall Street im Glauben an die eigene Unverwundbarkeit zu lange unterschätzt oder bewusst nicht sehen wollen.
Selbst Schlafmützen schlagen schon Alarm
Inzwischen jedoch sind selbst die Schlafmützen von Moody's aufgewacht und haben die Kreditwürdigkeit der Vereinigten Staaten am Freitag von der Top-Einstufung „Aaa“ auf „Aa1“ gesenkt. Die anderen beiden großen Ratingagenturen S&P und Fitch entzogen den USA bereits 2011 bzw. 2023 im Zuge ausgedehnter Haushaltsstreitigkeiten im Kongress die Spitzennote. Dass die drei Häuser – die in der Finanzkrise 2008 ein schwaches Bild abgaben und seither bei Verwerfungen wie am Gewerbeimmobilienmarkt oder im amerikanischen Regionalbankensektor regelmäßig zu spät kommen – nun gleichzeitig Alarm schlagen, sollte den Ernst der Lage hinlänglich klarmachen.
Das Weiße Haus mag nun hart gegen Moody's austeilen, die Marktreaktion auf das Downgrade ist jedoch eindeutig: Die Rendite 30-jähriger US-Staatsanleihen kletterte am Montag auf über 5% und befand sich damit auf bestem Weg, erstmals seit Oktober 2023 oberhalb dieser Marke aus dem Handel zu gehen – die Entwicklung der Verzinsung weckt damit üble Erinnerungen an den Vorlauf zur Finanzkrise 2008. Dass die systemische Stabilität aktuell so stark in Zweifel steht wie seit dem damaligen Crash, ist indes nicht nur auf Jahre der fiskalischen Unvernunft zurückzuführen, in deren Folge die Verschuldungsquote der USA auf zuletzt 124% des Bruttoinlandsprodukts geklettert ist und die Zinsverpflichtungen pro Quartal mehr als 35% der Staatseinnahmen auffressen.
Rücksichtsloser Abbau von Kapitalvorgaben
Denn während sich das Haushaltsdefizit unter Trump noch ausgeweitet hat und sich die Probleme infolge der von den Republikanern vorangetriebenen Pläne zur Erhöhung der Ausgaben für Verteidigung und Grenzschutz sowie zur Verlängerung von Steuererleichterungen für wohlhabende Individuen und Unternehmen noch verschärfen dürften, schreitet die Deregulierung im Finanzsektor besonders rücksichtslos voran. US-Behörden peilen wohl die umfangreichsten Senkungen der Kapitalvorgaben für Banken seit mehr als einem Jahrzehnt an.
Noch 2023 hatten die Federal Reserve, die Einlagensicherung FDIC und das für die Überwachung des nationalen Kreditwesens zuständige OCC im Zuge der Umsetzung des globalen Bankenpakets Basel III und unter dem Eindruck der Zusammenbrüche mehrerer regionaler Geldhäuser deutlich verschärfte Regeln vorgeschlagen. Nach heftigem Gegenwind aus der Branche ruderten die Regulatoren aber zurück – und bewegen sich nun wohl völlig in die andere Richtung. So wollen sie offenbar die Supplementary Leverage Ratio, die Anforderungen für das Tier-1-Kapital von Finanzinstituten im Verhältnis zu den Fremdmitteln auf und abseits der Bilanzen festlegt, deutlich senken.
Banken agieren zunehmend riskanter
Natürlich lässt sich argumentieren, dass gelockerte Kapitalvorgaben positive Effekte auf die Schuldentragfähigkeit Washingtons haben könnten. Denn sie würden Banken den Kauf vermeintlich gefahrenloser Treasuries und dem amerikanischen Staat die Refinanzierung erleichtern. Doch dürften solche Überlegungen lediglich auf dem Papier aufgehen. In der Praxis dürfte es für die Vereinigten Staaten kaum klug sein, sich stärker als bisher von einer Gruppe an Anleihezeichnern abhängig zu machen, der großer Druck aus anderen Richtungen droht.
Schließlich haben Amerikas Banken ihr Exposure gegenüber schwach regulierten und illiquiden Ecken des Finanzmarkts wie Private Credit in den vergangenen Jahren stark ausgeweitet. Doch die hohe Volatilität an den Märkten verschont auch diese Segmente nicht, während die Liquidität im System insgesamt abnimmt. Banken in diesem Umfeld zu signalisieren, dass sie sorgloser mit ihren Eigenmitteln umgehen und ihre Positionen in nicht nur kurzfristig zunehmend schwankungsanfälligeren Treasuries als risikofrei abhaken können, fordert neue Turbulenzen geradezu heraus. Steigender Liquiditätsdruck dürfte sich dann schnell in wachsende Solvenzprobleme übersetzen, so sehr Branchenvertreter diese Problematiken auch voneinander zu trennen suchen. Entsprechende Verwerfungen im Bankensektor würden die Kreditkosten des amerikanischen Staats in neue Höhen treiben. Die Mittel, um diesen bereits schwelenden Flächenbrand im Finanzsystem zu löschen, drohen schneller auszugehen, als Trump und die Wall Street es wahrhaben wollen.