Kapitalerhöhung

Credit Suisse sagt der Wall Street Adieu

Die Schweizer Großbank Credit Suisse plant schrittweise Abspaltung von CS First Boston und lädt die Saudi National Bank ein, über eine Kapitalerhöhung zur größten Aktionärin der Bank aufzusteigen.

Credit Suisse sagt der Wall Street Adieu

Von Daniel Zulauf, Zürich

Der Credit Suisse steht ein historischer Umbau bevor. Die 166 Jahre alte Traditionsbank sei an einem „kritischen Wendepunkt“ angelangt, sagte ihr Präsident Axel Lehmann am Donnerstag in London vor Analysten. CEO Ulrich Körner präsentierte da­raufhin seinen Plan für einen „radikalen und transformativen“ Kurswechsel. Die Wortwahl des deutschen Chefmanagers ist nicht übertrieben. Wird das Vorhaben umgesetzt, sieht die Credit Suisse der Zukunft völlig anders aus als heute. Das Geldhaus wird stärker schrumpfen, als der angekündigte Abbau von 9 000 der rund 53 000 Stellenabbau vorwegnimmt – vor allem in der Investmentbank. Sie verfügte per Ende 2021 über Risikoaktiva im Wert von 88 Mrd. sfr oder 30 % des Gesamtkonzerns. Zu den Risikoaktiva gehören Kredite oder Handelsbestände an Wertpapieren. Sie bilden den Boden, auf dem eine Bank ihre Geschäfte macht. Die Credit Suisse will diese Risikoaktiva der Investmentbank bis 2025 um weitere 40 % verringern, nachdem die Bestände schon in den Vorjahren stetig zurückgefahren worden waren.

So braucht die Credit Suisse weniger Eigenkapital, zugleich reduziert sie auch ihr Ertragspotenzial. Zudem soll die Investmentbank aufgeteilt und vom restlichen Konzern teilweise abgetrennt werden. Das gilt zu­nächst für das Geschäft mit Wertpapierverbriefungen, in dem die Credit Suisse eine weltweit führende Stellung einnimmt. Die Bank nimmt Hypotheken und andere Kredite auf die eigene Bilanz, verpackt sie in Anleihen und verkauft sie weiter. Das Geschäft war zeitweise überaus lukrativ, aber es braucht viel Kapital, das die Credit Suisse nicht mehr hat, weshalb es bis Mitte 2023 zum größten Teil an ein Konsortium unter Führung der US-Investmentgesellschaft Apollo gehen soll.

Auch das kapitalmarktbezogene Geschäft mit Unternehmensfinanzierungen mit der dazugehörenden Fusions- und Übernahmeberatung soll abgespalten werden und unter dem Namen CS First Boston in einer Partnerschaft neu lanciert werden, wobei die Credit Suisse vorläufig Mehrheitseigentümerin bleiben soll. Als CEO übernimmt der 59-jährige Amerikaner Michael Klein, der seit 2018 im Verwaltungsrat der Credit Suisse sitzt und diesen nun verlassen wird. Der bisherige Investmentbank-Chef Christian Meissner hat seinen Job per sofort an den Nagel gehängt.

Börsengang möglich

Die Abspaltung von CS First Boston soll schrittweise vor sich gehen, um schließlich vielleicht in einem Börsengang zu enden. Das Potenzial von First Boston werde durch das neue Geschäftsmodell viel besser ausgeschöpft. Credit Suisse hatte die US-Bank 1978 in einer Krisensituation erworben und war so zur ersten europäischen Bank mit einer Top-Adresse an der Wall Street avanciert. Mit der Abspaltung neigt sich ein langes, teilweise überaus erfolgreiches, oft aber auch ungemein verlustreiches Abenteuer dem Ende zu.

Der Rückbau wirkt sich aber auch unmittelbar auf die Gewinn-und-Verlust-Rechnung der Credit Suisse aus, die im dritten Quartal Steuerguthaben aus früheren Verlusten im Wert von 3,6 Mrd. sfr abschreiben musste. Diese hätte sie bei einer Fortführung der Wall-Street-Geschäfte mit künftigen Gewinnen verrechnen können. Die Folge ist ein Quartalsverlust in Höhe von 4 Mrd. sfr, es ist der vierte in Folge.

Der Verlust ist der Grund, warum die Credit Suisse eine Kapitalerhöhung im Umfang von 4 Mrd. sfr durchführen will. Die Kernkapitalquote ist von 13,5 % per Ende Juni auf nur mehr 12,6 % gesunken. Vor einem Jahr hatte sie noch bei 14,4 % gelegen. Regulatorisch verfügt die Bank zwar immer noch über mehr als genug Kapital, aber mit Blick auf den anstehenden Umbau und die damit verbundenen Umsetzungsrisiken ist das Kapitalkleid trotzdem ziemlich knapp bemessen. Auch mit Blick auf die verunsicherten Kunden, die im dritten Quartal 12,9 Mrd. sfr abgezogen haben, braucht die Credit Suisse mehr Kapital. Zumal die Dynamik dieser Abflüsse sich in den ersten beiden Oktoberwochen substanziell be­schleunigt habe, wie es im Quartalsbericht heißt. Dafür verantwortlich macht das Institut die Negativschlagzeilen und die falschen Ge­rüchte in den sozialen Medien.

Die Liquidität habe sich als Folge der Geldabflüsse verschlechtert, räumte Finanzchef Dixit Joshi ein, ohne Angaben zum Ausmaß zu machen. Inzwischen hätten sich die Abflüsse deutlich abgeschwächt, konstatierte die Credit Suisse. Aber möglicherweise hat die Dramatik der vergangenen Wochen den Kapitalbedarf der Bank schlagartig erhöht.

Aufgenommen werden soll das frische Kapital Ende November sowohl bei den Bestandsaktionären als auch bei neuen Investoren. Am 23. November soll eine außerordentliche Generalversammlung die Ausgabe neuer Aktien im Wert von 1,85 Mrd. sfr an eine Gruppe von ausgewählten Investoren beschließen. Allein die Saudi National Bank hat sich bereits zur Zeichnung von Aktien im Wert von 1,5 Mrd. sfr verpflichtet. Wenn die Aktionäre zustimmen, steigt sie mit 9,9 % zur größten Einzelaktionärin auf. Zur Abstimmung steht auch eine zweite Kapitalerhöhung im Umfang von 2,15 Mrd. sfr, bei der nur die Bestandsaktionäre zeichnungsberechtigt sind.

Die Emission kann auf 4 Mrd. sfr aufgestockt werden, falls die Aktionäre die erste Tranche ablehnen sollten. Es steht eine spannende Generalversammlung zu erwarten, da die Saudis als neue Hauptaktionäre nicht überall goutiert werden dürften.

Personen Seite 12

Credit Suisse
Konzernzahlen nach IFRS
9 Monate 
in Mill. sfr20212020
Nettoertrag1186118114
Geschäftsaufwand1382912825
Ergebnis vor Steuern−19431064
Reinergebnis−5900435
Bilanzsumme700358820233
Kernkapitalquote (%)12,614,4
Verwaltetes Vermögen (Mrd. sfr)  1401  1623
Neugeldzufluss (Mrd. sfr)   −12,7  29,3
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