Sanktionen

In Gottes Hand

Britische Beamte haben einen Grund, bei ihrem Vorgehen gegen Oligarchen vorsichtig zu sein. Das Schatzamt erlitt mit seinen Sanktionen gegen die iranische Bank Mellat 2013 Schiffbruch vor Gericht.

In Gottes Hand

Von Andreas Hippin, London

Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Britische Beamte haben schmerzlich in Erinnerung, was so alles schiefgehen kann, wenn Sanktionen juristisch angefochten werden. Der Supreme Court hatte ihnen 2013 in einem spektakulären Urteil beschieden, dass ihr Vorgehen gegen die iranische Bank Mellat („Bank der Nation“) willkürlich, irrational und unverhältnismäßig gewesen sei. Das Institut klagte daraufhin auf Schadenersatz. Nach einer außergerichtlichen Einigung vor Prozessbeginn ergoss sich ein warmer Regen über Bank Mellat: Steuergelder in Höhe von 1,25 Mrd. Pfund plus Zinsen. Das Institut hatte ursprünglich 3,2 Mrd. Pfund gefordert. Das Geld wurde der „Times“ zufolge unter Umgehung von US-Sanktionen mit Hilfe eines Drittlands gezahlt.

Vermutlich waren die Karrierebeamten in Whitehall deshalb so vorsichtig damit, gegen russische Oligarchen vorzugehen. Denn die Erfahrung zeigt, dass nicht nur Banken, sondern auch Milliardäre gute An­wälte haben.

Die größte iranische Privatbank, an der die Islamische Republik Iran knapp 17 % hält, berief sich auf die Europäische Menschenrechtskonvention, nachdem das britische Schatzamt der heimischen Finanzbranche 2009 Geschäfte mit dem Institut verboten hatte. Vor dem Gericht der Europäischen Union und dem Europäischen Gerichtshof hatte sich die Bank bereits durchgesetzt: Die von Brüssel 2010 verhängten Sanktionen wurden annulliert. Das britische Schatzamt hatte Bank Mellat – wie die EU und die Vereinigten Staaten – Verbindungen zum iranischen Atomprogramm und zu den Bemühungen des Landes, ballistische Raketen zu entwickeln, vorgeworfen. Den USA zufolge ermöglichte die Bank Millionengeschäfte der iranischen Aerospace Industries Organization (AIO). Sie habe auch für die Atomic Energy Organization of Iran (AEOI) Finanzdienstleistungen er­bracht.

Das Institut machte gegen die britischen Vorwürfe erfolgreich geltend, dass es vor der Verhängung der Sanktionen nicht angehört worden sei. Zudem befand das Gericht die Begründung des Schatzamts für sein Handeln für zu vage bzw. nicht ausreichend spezifisch, um die Rechte des Unternehmens in diesem Maße einzuschränken. Bank Mellat bestritt stets jede Verwicklung in die Proliferation von Atomwaffen. Liest man die juristischen Überlegungen zur Verhältnismäßigkeit durch, die sich nach der Urteilsverkündung 2013 in die Fachpublikationen ergossen, will man als Vertreter der Exekutive gar nicht mehr tätig werden. Auf die Niederlage des Schatzamts vor dem Supreme Court folgte das Sanktions- und Anti-Geldwäsche-Gesetz von 2018, das Strafverfolgern hohe Hürden auferlegt, wenn es um nationale Sicherheitsinteressen oder Terrorismusbekämpfung geht.

Ein in der vergangenen Woche eilends verabschiedetes Gesetz könnte Abhilfe schaffen. Doch werden die mittlerweile leerstehenden Villen der Freunde von Wladimir Putin in Großbritannien wohl nicht so schnell für ukrainische Flüchtlinge geöffnet, wie von Politikern wie Michael Gove (Tories) und Sadiq Khan (Labour) gefordert. Denn das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit gilt dort nach wie vor. Wer vermeintliche Bösewichte enteignen will, muss erst einmal nachweisen, dass sie böse sind. Wer dazu nicht in der Lage ist, erleidet vor Gericht schnell Schiffbruch.

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