Kapitalmärkte

Aktien- und Anleiherenditen entkoppeln sich 2023

Die Performance von Anleihen und Aktien sollte sich 2023 laut dem Assetmanager Candriam entkoppeln. Bonds könnten wieder zum Stoßdämpfer in diversifizierten Portfolios werden.

Aktien- und Anleiherenditen entkoppeln sich 2023

kjo Frankfurt

Die Auswirkungen der Pandemie und des Krieges in der Ukraine haben sowohl der Aktien- als auch der Anleiheperformance ge­schadet. Während Inflation und Wachstum auch 2023 die kurzfristigen Haupttreiber der Märkte bleiben, bieten sich Anlegern laut dem Assetmanager Candriam auf lange Sicht wieder attraktive Renditen. Bei Aktien und Anleihen stünden die Zeichen für 2023 auf eine Entkoppelung der Performance.

Die Finanzmärkte hätten im Oktober extreme Niveaus gezeigt: einen außerordentlichen Pessimismus der Anleger in Bezug auf die Wirtschaft und die erwartete Entwicklung der Märkte sowie eine historisch hohe Volatilität in allen Anlageklassen, wie sie sich zuletzt während der globalen Finanzkrise gezeigt habe. „Ein solcher Pessimismus stellt im Allgemeinen ein starkes konträres Kaufsignal dar. Jedoch endete das Jahr mit einer Anomalie: Es gab keine umfassenden Kapitalabflüsse aus Aktien“, kommentiert Nadège Dufossé, Global Head of Multi Asset bei Candriam, die Entwicklung. Dafür gebe es mehrere Gründe, insbesondere das Fehlen von Alternativen: „Immerhin beobachteten wir schon eine Weile, dass sich Aktien- und Anleihemärkte parallel entwickelten“, führt Dufossé aus.

Nun ändere sich die Situation allerdings wieder. Dies zeige ein Vergleich der erwarteten Renditen von Aktien und Staatsanleihen aus dem vergangenen Jahr mit 2021. Der Einfachheit halber werde dabei die Anleiherendite mit der Endfälligkeitsrendite und die Aktienrendite mit der Gewinnrendite gleichgesetzt. Dabei zeige sich, dass alle aktuellen Renditen aufgrund der steigenden Zinsen und der rückläufigen Aktienbewertung höher seien als die von Ende 2021. Die Aktien- und Bondrenditen lägen sehr nah beieinander. In den USA würden Anleihen sogar eine bessere Rendite als Aktien abliefern. Dort befinde sich zudem die Risikoprämie von Aktien auf dem niedrigsten Stand seit 15 Jahren.

Korrelation löst sich auf

„Infolge dieser Entwicklung stieg die erwartete Rendite eines diversifizierten Portfolios 2022 stark und kehrte zu den Niveaus von 2018 und 2019 zurück, selbst wenn man die Realrendite betrachtet“, führt Dufossé aus. Diese erwartete Rendite verteile sich wesentlich ausgewogener auf Aktien und Anleihen. Nachdem die beiden Anlageklassen ein Jahr lang positiv korreliert und Anleger vor allem durch gemeinsame Abstürze verstimmt hätten, werde sich diese Korrelation nun wohl auflösen. Damit könnten Anleihen innerhalb eines diversifizierten Portfolios wieder die Rolle des Stoßdämpfers in Zeiten sinkender Aktienkurse spielen oder erzielten zumindest keine zusätzliche negative Performance.

Die Rendite eines diversifizierten Portfolios habe in den vergangenen drei Jahren insgesamt bei null gelegen. Angesichts von Krieg und Inflation habe das die Sorge geweckt, dass dies anhalten und zu einem weiteren „verlorenen Jahrzehnt“ führen dürfte. In der Geschichte seien die „verlorenen Jahrzehnte“ während der ersten beiden Weltkriege, der Zeit der Stagflation der 1970er Jahre und dem Platzen der Blase in den 2000er Jahren aufgetreten.

Allerdings geht Candriam im aktuellen Umfeld nicht von einer Wiederholung aus. „Wenn den Zentralbanken das gelingt, was sie sich im vergangenen Jahr vorgenommen haben – nämlich die Inflation unter Kontrolle zu halten, ohne eine schwere Rezession auszulösen – bleiben wir für die kommenden Jahre insgesamt konstruktiv“, sagt Dufossé. Abgesehen von außergewöhnlichen Ereignissen dürfte sich für Anleger in absehbarer Zeit wieder die von Pandemie und Krieg unterbrochene Harmonie einstellen.

Im aktuellen Wirtschaftsszenario erwartet Candriam eine Verlangsamung der Inflation und des Wirtschaftswachstums, jedoch keine schwere Rezession. Die Aktienmärkte dürften sich in der Folge laut Candriam in einer recht breiten Spanne bewegen, ohne dass es zu heftigen Ausschlägen komme. „Einerseits dürften die Maßnahmen der Zentralbanken die Entwicklung der Aktienmärkte nach oben begrenzen, indem sie die finanziellen Bedingungen nicht zu schnell lockern, sollte sich die Wirtschaft gut halten“, führt Dufossé aus. „Andererseits werden sie die Märkte durch ein schnelles Umschwenken der Geldpolitik unterstützen, falls die Wirtschaft zu sehr in die Knie geht.“ Bei Anleihen hält Dufossé den Carry Trade, der durch den Anstieg der Renditen im Jahr 2022 wieder aufgebaut wurde, für attraktiv.