Rohstoffe

Beispiellose Volatilität bei Erdgas und Öl

Der europäische Erdgaspreis ist am Donnerstag abermals auf ein Rekordhoch geschnellt, im Anschluss aber deutlich zurückgefallen. Auch andere Rohstoff-Notierungen zeigen sich beispiellos volatil.

Beispiellose Volatilität bei Erdgas und Öl

xaw Frankfurt

Die Rohstoffmärkte entwickeln im Zuge des Ukraine-Kriegs ein beispielloses Maß an Volatilität. Der Preis für Erdgas am niederländischen Knotenpunkt TTF schnellte am Donnerstag angesichts internationaler Sanktionen gegen den wichtigen Exporteur Russland und der resultierenden Ängste vor einer Unterversorgung abermals auf ein Rekordhoch. Der entsprechende Monatskontrakt wurde an der Intercontinental Exchange zeitweise zu 199 Euro pro Megawattstunde gehandelt. Im Anschluss kam es laut Beobachtern zu Gewinnmitnahmen, die Notierung rutschte bis zum Abend auf 148 Euro ab – ein Minus von 14,5% gegenüber dem Vortag.

Ölpreise auf Mehrjahreshochs

Auch die Ölpreise erreichten am Vormittag mehrjährige Hochs: Die Nordseesorte Brent Crude war mit 119,84 Dollar pro Barrel zeitweise so teuer wie seit zehn Jahren nicht mehr, die Analysten der Großbank J.P. Morgan halten bei anhaltenden Angebotsdisruptionen bis Jahresende sogar einen Anstieg auf 185 Dollar für möglich. US-Leichtöl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) er­reichte mit 116,57 Dollar gar das höchste Niveau seit 2008. Die Volatilität fällt dabei ebenfalls so stark aus wie seit der Finanzkrise nicht mehr.

Am Nachmittag sorgte die Aussicht auf eine baldige Wiederaufnahme des internationalen Atomabkommens mit dem Iran für Abkühlung. Kommt es zu einer Einigung, durch die Sanktionen gegen Teheran wegfallen dürfen, könnte der Weltmarkt ab dem zweiten Halbjahr mit iranischem Öl geflutet werden. Hinzu kam, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sich bezüglich eines möglichen Embargos auf Importe fossiler Brennstoffe aus Russland ablehnend äußerte.

Nichtsdestotrotz befürchten Investoren weiterhin, dass Moskau über Lieferstopps am Energiemarkt Vergeltung für westliche Sanktionen üben könnte. Zugleich schrecken die Käufer am Terminmarkt vor russischen Assets zurück, was zusätzlich für eine Marktverengung bei Energierohstoffen, Metallen und Getreide sorgt. So erreichte auch der Aluminiumpreis abermals einen Rekordstand – der Weizenpreis kletterte indes in Regionen, die er zuletzt vor 14 Jahren gesehen hatte. Die Lieferungen aus den Anbaugebieten am Schwarzen Meer, die einen bedeutenden Teil des globalen Angebots produzieren, sind nach der russischen Invasion der Ukraine zum Stillstand gekommen. Zudem ist infolge der Kampfhandlungen die Aussaat für das laufende Jahr gefährdet.

„Mittlerweile befinden sich fast alle Warenterminkurven in der Backwardation, kurzfristigere Terminkontrakte sind also teurer als langfristigere“, kommentiert Erik Knutzen, Chief Investment Officer Multi Asset Class beim Assetmanager Neuberger Berman, die Entwicklung. Dies schaffe einen neuen Investitionsanreiz: Anleger könnten von einem kurzfristigen Kontrakt in einen längerfristigen umschichten, um weiter investiert zu bleiben und zugleich Gewinne einzufahren.

Rollen verursacht Aufwand

Allerdings müssen Anleger bei einem Engagement über den Terminmarkt beachten, dass die Rollkosten in Zeiten der Backwardation zwar abnehmen, der monatliche Wechsel in den nächstfälligen Kontrakt aber durchaus Aufwand verursacht. Um dieses Problem zu umgehen, setzen Investoren zunehmend auf börsengehandelte Inhaberschuldverschreibungen, sogenannte Exchange Traded Commodities, von denen viele eine Rolloptimierung beinhalten.