Michael Wild

Binance-Deutschlandchef bedauert Scheitern von FTX-Deal

Binance-Deutschlandchef Michael Wild bedauert, dass seine Kryptobörse die insolvente Konkurrentin FTX nicht übernehmen konnte. Die Auswirkungen der Pleite ließen sich indes noch nicht abschätzen.

Binance-Deutschlandchef bedauert Scheitern von FTX-Deal

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Der Deutschlandchef der Kryptobörse Binance bedauert, dass die Übernahme der insolventen Konkurrentin FTX durch sein Unternehmen ge­scheitert ist. „Wir hatten ursprünglich gehofft, die Kunden von FTX.com unterstützen zu können, um ihnen Liquidität zu verschaffen“, sagt Michael Wild, Geschäftsführer von Binance für den deutschen Markt, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Die Probleme bei der Wettbewerberin lägen aber außerhalb der Kontrolle der Marktführerin und überstiegen ihre Hilfsmöglichkeiten.

Ähnlich äußerte sich auch Binance-CEO Changpeng Zhao, nachdem ein Deal zur Rettung von FTX in der vergangenen Woche gescheitert war. Binance stieß bei ihrer Due Diligence auf ein milliardenschweres Bilanzloch bei der Konkurrentin. Auch Berichte über den Missbrauch von Kundengeldern durch FTX und Ermittlungen von US-Behörden gegen die Plattform ließen die Marktführerin Abstand von der Transaktion nehmen, wie auch Wild betont.

Furcht vor Pleitenserie

Investoren fürchten nun, dass die FTX-Insolvenz zu einer Serie von Pleiten im Segment führt – schließlich sind die Plattform und ihr schwer in die Kritik geratener Gründer Sam Bankman-Fried eng mit dem restlichen Krypto-Ökosystem verflochten. Binance-Manager Wild bezeichnet Spekulationen über die Auswirkungen des FTX-Crashs indes als „reine Kaffeesatzleserei“, an der er sich nicht beteiligen wolle – wobei auch zur Wahrheit gehört, dass die von FTX gestützte Krypto-Lendingplattform BlockFi bereits Auszahlungen gestoppt hat und ebenfalls auf eine Insolvenz zusteuert.

„Jedes Mal, wenn ein großer Akteur der Branche scheitert, leiden die Privatkunden“, hebt Wild in Bezug auf FTX hervor. Allerdings sei das Krypto-Ökosystem in den vergangenen Jahren widerstandsfähiger geworden. „Wir glauben, dass Ausreißer, die Anlegergelder missbrauchen, mit der Zeit vom freien Markt aussortiert werden“, sagt der Manager. „In dem Maße, wie regulatorische Rahmenbedingungen entwickelt werden und die Branche sich weiter in Richtung einer größeren Dezentralisierung bewegt, wird das Ökosystem stärker werden.“

Allerdings betonen Marktteilnehmer, dass auch Binance bedeutenden Risiken ausgesetzt ist. So soll die Plattform seit 2018 trotz bestehender US-Sanktionen iranische Transaktionen im Volumen von 8 Mrd. Dollar abgewickelt haben. Beobachter fürchten, dass Regulatoren in der Folge verstärkt gegen Binance vorgehen werden und es für die Kryptobörse schwieriger wird, Lizenzen in wichtigen Märkten zu erlangen – die BaFin hat dem Unternehmen beispielsweise noch keine ausgestellt.

Anfang Oktober sorgte zudem ein Cyberangriff auf eine Blockchain-Brücke der BNB-Chain, die der nativen Kryptowährung von Binance zugrunde liegt, für Aufsehen. Wäre der Angriff wie von den Hackern geplant verlaufen, hätte sich der Schaden auf umgerechnet 570 Mill. Dollar belaufen, was einen der größten Krypto-Raubzüge aller Zeiten dargestellt hätte.

„Die BNB-Chain-Community hat den Angriff jedoch früh entdeckt und konnte die Sicherheitslücke schnell schließen“, sagt Wild. „In der Folge haben wir die BNB-Chain-Community bei umfangreichen Sicherheitschecks unterstützt und den IT-Standard erhöht.“ Binance werde zusätzliche Mitarbeiter für die Cybersicherheit einstellen. Angriffspunkt für die Hacker war eine Blockchain-Bridge, also ein Austauschprotokoll zwischen verschiedenen Krypto-Netzwerken. Binance kündigte nach der Attacke einen Kontrollmechanismus an, um durch solche Schwachstellen weniger anfällig zu sein.

Anlegerverhalten im Fokus

Nichtsdestotrotz erbeuteten die Hacker Token im Wert von fast 100 Mill. Dollar. „Wir erwarten keinen nachhaltigen Imageschaden, da die BNB-Chain-Community sehr transparent mit dem Angriff umgegangen ist, die Probleme schnell an den Markt kommuniziert und dann gelöst hat“, betont Wild. Tatsächlich hat sich der hauseigene Coin von Binance, BNB, nach dem Hack vergleichsweise stabil entwickelt und ist auch während der jüngsten Turbulenzen auf dem Kryptomarkt weniger stark abgestürzt als andere Cyberdevisen. „Wir haben unseren eigenen Handel für BNB und beobachten das Verhalten der Marktteilnehmer genau“, sagt Wild.

Als Handelsdienstleister sei Binance in der Pflicht, jederzeit für ausreichend Liquidität auf der eigenen Plattform zu sorgen. „Entsprechend wenden wir auch bei anderen Coins harte Kriterien an, bevor wir sie listen“, betont Wild. Ausschlaggebend für oder gegen ein Listing seien die Handelsvolumina, die eine Kryptowährung am Spot- und Terminmarkt erzielt, sowie die Marktkapitalisierung. „Wir achten aber auch auf die Größe der Teilnehmerbasis und die Aktivität auf der zugehörigen Blockchain“, sagt Wild. Binance sei bestrebt, liquide Vermögenswerte auf den eigenen Handelsplatz zu heben. Kleinere Cyberdevisen hingegen seien oft weniger transparent und anfälliger für Marktmissbrauch.

Laufende Kontrollen

Im Wettbewerb mit anderen Kryptobörsen sei die Breite des Angebots jedoch durchaus wichtig. „Je mehr Coins wir zum Handel anbieten können, desto größer ist die Bewegungsfreiheit für unsere Nutzer und ihre Möglichkeit, das Portfolio zu diversifizieren“, führt Wild aus. Dennoch prüfe Binance die Liquidität und das Anlegerverhalten der verschiedenen Token, bevor sie gelistet würden, und nehme danach regelmäßige Kontrollen vor, um Manipulationen auszuschließen.

„Wir wollen verhindern, dass Nutzer schlechte Erfahrungen mit dubiosen Krypto-Assets machen und sich dann dauerhaft vom Markt abwenden“, sagt der Manager. In jedem Fall müssten Kryptobörsen die Interaktion mit ihren Kunden über das reine Handelsangebot hinaus suchen, um die Nutzer an sich zu binden.

Gleichzeitig arbeite Binance da­ran, sein Produktangebot zu erweitern. „Wir sehen uns nicht mehr als reine Kryptobörse, sondern als Marktplatz der Zukunft“, betont Wild. So hat Binance auch eine Plattform für nichtfungible Token (NFTs) aufgebaut. NFTs sind kryptografische Token, mit denen sich Eigentumsrechte an virtuellen Gütern wie digitaler Kunst oder Medien verbriefen und handelbar machen lassen. Im Gegensatz zu Cyberwährungen wie Bitcoin können die Token nicht repliziert werden, jeder NFT ist einzigartig.

Für die Wertmarken sieht Wild vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, zum Beispiel im Ticketing für Konzerte. Doch das Potenzial von Blockchain-Technologie, die Effizienz in der Realwirtschaft zu steigern und auch im Finanzsektor durch die Ausgabe von tokenisierten Wertpapieren Kosten zu sparen, tritt angesichts der Talfahrt am Kryptomarkt derzeit jedoch in den Hintergrund. „Die Entwicklungstätigkeit auf Blockchains wie BNB Chain oder Ethereum ist dennoch robust – sie dürfte noch stärker werden, sobald die Liquidität auf den Finanzmärkten wieder anzieht“, prognostiziert Wild.

Wenn künftig mehr Geld in das Segment fließe und das Potenzial von Blockchain in den Fokus rücke, werde der Kryptomarkt seinen spekulativen Charakter verlieren. Auch die Regulierung erkenne zunehmend die Vorteile der Technologie. „Die EU-Kommission hat mit der Markets in Crypto Assets Directive einen progressiven Weg eingeschlagen und einen einheitlichen Rahmen für digitale Assets geschaffen“, betont Wild. Künftig sollen für digitale Assets vergleichbare Standards wie für andere Anlageklassen gelten, zum Beispiel im Hinblick auf Verbraucherschutz und Marktintegrität.

Weitere Schritte hat Deutschland beispielsweise mit der Einführung von Krypto-Verwahrlizenzen zu Beginn des Jahres 2020 gewagt. Ein höheres Maß an Regulierung schafft für Finanzinstitute und deren Kunden laut Wild mehr Sicherheit bei Krypto-Engagements.

Dass Deutschland bei der Krypto-Regulierung wiederholt eine Vorreiterrolle einnimmt, erschwert nach Ansicht einiger Beobachter auch eine EU-weite Harmonisierung. „Ein ge­wisses Maß an Komplexität ist bei grenzüberschreitenden Finanzgeschäften immer zu erwarten“, sagt Wild. „Dass die BaFin hohe Standards setzt, ist grundsätzlich erst einmal eine gute Sache, denn es erhöht den Anlegerschutz.“ Der Erfolg zeige sich auch darin, dass sich Institute wie die Commerzbank um Krypto-Depotlizenzen bewürben. Ein stärkerer Austausch zwischen der Fintech-Sphäre, dem Bankensektor und dem Staat sei nun notwendig, um den Finanzplatz Deutschland durch frühe Blockchain-Adoption zu stärken.

Konfrontation ineffektiv

„Ein Konfrontationskurs, bei dem die Blockchain-Branche die komplette Überwindung der etablierten Finanzdienstleister fordert, ist wenig effektiv“, betont Wild. „Vielmehr wollen wir mit traditionellen Banken und Intermediären zusammenarbeiten und ihnen den digitalen Weg der Transformation aufzeigen.“

Dabei gehe es nicht darum, Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätze zu zerstören, sondern effizienter zu werden und den Anschluss an technologisch starke Standorte wie die USA und Großbritannien nicht zu verlieren. „Indem wir Arbeitsplätze umwandeln und den Handel auf die Blockchain heben, kann der Finanzsektor viel sicherer und kostengünstiger arbeiten“, sagt Wild. Den Optimismus des Binance-Deutschlandchefs in Bezug auf die Zukunft digitaler Assets teilen aktuell aber wohl nur wenige Marktteilnehmer. Sowohl die Kurse populärer Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether als auch die Aktien börsennotierter Blockchain-Dienstleister stehen seit der FTX-Insolvenz unter starkem Druck.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.