Dollar, Yen und Franken

Sichere Häfen in Zeiten der Panik

Während der Dollar und nach der Zinswende auch der Schweizer Franken ihrem Ruf als sicherer Hafen gerecht werden, hat der japanische Yen diesen Nimbus verspielt.

Sichere Häfen in Zeiten der Panik

Von Eugen Keller*)

Die zwischenzeitliche Stimmungsaufhellung an den Finanzmärkten war für viele Marktteilnehmer angesichts der Vielzahl der Belastungsfaktoren überraschend. Letztlich brachten dann die berichteten Steigerungen der US-Verbraucherpreise, die mit 8,6% nach 8,3% über den Erwartungen lagen, den Stein ins Rollen bzw. die positive Stimmung zu Fall.

Normalerweise können Währungen profitieren, die als Zufluchtsort in Zeiten der Unsicherheit gelten, wie der Dollar, der Yen und der Franken. Aktuell wird jedoch nur der Dollar diesem Nimbus gerecht. Die Eigenschaft, ein sicherer Hafen zu sein, beruht letzten Endes nicht auf überragenden Fundamentaldaten. Kommt es zu globalen Schocks, die auch auf die internationale Geldpolitik durchschlagen, dann können sich die Valuten am besten behaupten, die zu den Niedrigzinswährungen gehören und bei denen normalerweise entsprechend seltener negative Zinsüberraschungen drohen als in anderen Währungsräumen. Dazu zählen insbesondere der japanische Yen, aber auch der Schweizer Franken. Im Gegensatz dazu schwanken die Zinsen bei den Emerging-Markets-Währungen deutlich stärker, was mit volatileren Bewegungen am Devisenmarkt einhergeht.

Interessanterweise fiel die jüngste Dollar-Stärke mit einer kräftigen Erholung der Rohstoffpreise und mithin einem starken Anstieg der Inflation und massiv steigenden Zinsen/Renditen zusammen. Prominentester Falke war bis vor kurzem noch Fed-Gouverneur James Bullard, der für deutliche Zinserhöhungen plädierte, konkret für einen Zinssatz von 3,5% zum Jahresende: Der US-Wirtschaft würde dies nicht viel ausmachen, und die Arbeitslosenquote würde dennoch wohl auf weniger als 3% sinken.

Wie das Fedwatch-Tool der US-Terminbörse CME zeigt, preisen die amerikanischen Zinsfutures inzwischen mit der höchsten Wahrscheinlichkeit genau diesen Leitzins zum Jahresende ein. Dies entspricht nach den bereits erfolgten Anhebungen der Fed Funds Target Rate auf 1,50 bis 1,75% weiteren Zinsschritten um insgesamt 175 Basispunkte auf den noch in diesem Jahr anstehenden vier FOMC-Meetings. Zwar erwarten die Marktteilnehmer weiterhin einen aggressiven Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank, da der zuletzt zunehmende und sich ausweitende Inflationsdruck Sorgen bereitet und andererseits die Konjunktur noch immer auf ein kleines Wachstum hindeutet. Vor diesem Hintergrund gilt nun auch ein großer Zinsschritt von 50 bis 75 Basispunkten auf der Sitzung am 27. Juli als gesetzt. Allerdings scheint uns der eingepreiste Zinserhöhungspfad angesichts der vielfältigen Belastungen und der Dynamik des Renditeanstiegs doch als zu ambitioniert.

Während der Greenback im Jahresverlauf die beste Performance der G10-Währungen aufweist, sind die Verluste des japanischen Yen schon exorbitant zu nennen. Auch gegenüber dem nicht gerade starken Euro hat die japanische Valuta seit Jahresbeginn bereits 6% an Wert eingebüßt. Dies ist die Quittung dafür, dass sich die Bank of Japan (BoJ) konsequent der Zinswende verweigert und ihre ultraexpansive Geldpolitik beibehält.

Für Japans Wirtschaft gerät der Kurs der BoJ immer mehr zum Problem. Einerseits zieht nun auch die Inflation deutlich an, andererseits belasten die steigenden Im­port- und Erzeugerpreise, die kaum an die Endverbraucher weitergegeben werden können, die Unternehmen. Bei sinkenden Gewinnmargen ist aber der Spielraum für Lohnerhöhungen eher gering, und die Sorge über eine gefährliche Lohn-/Preis-Spirale, die eine starke Inflationsdynamik hervorruft, ist eher unbegründet.

Wie nicht anders zu erwarten, hielt die BoJ an ihrer massiven Stimulierung fest. Die Zentralbank kündigte an, dass sie jeden Werktag unbegrenzte Mengen zehnjähriger japanischer Staatsanleihen (JGB) zu einem Zinssatz von 0,25% ankaufen werde. Die Währungshüter wiederholten damit ihre im April gemachte Ankündigung zu Marktoperationen.

Paukenschlag der SNB

Auch der Schweizer Franken taugte bis Mitte vergangener Woche kaum als sicherer Hafen, bis die SNB mit einem Paukenschlag überraschte: Erstmals seit 2007 hob die Notenbank ihren Leitzins an – um einen halben Prozentpunkt. Der 50-Basispunkte-Zinsschritt der SNB kam nicht nur völlig unerwartet, sondern wurde auch von der Ankündigung begleitet, bei einer möglichen Franken-Schwäche FX-Reserven zu verkaufen. Damit bleiben Devisenmarkt-Interventionen ein Mittel der SNB-Geldpolitik. Wir erinnern uns noch an den 15. Januar 2015, als die SNB angesichts der exzessiven CHF-Stärke massiv intervenierte. Aber ein Blick in die Historie zeigt, dass das Thema nie vom Tisch war. Ganz im Gegenteil: Im ersten Halbjahr 2020 griff die SNB im Volumen von 90 Mrd. sfr ein, und damit stärker als im Gesamtjahr 2015 mit 86,1 Mrd. sfr.

Der Druck auf das SNB-Direktorium, sich der steigenden Inflation in der Schweiz entgegenzustemmen und nach mehr als sieben Jahren Negativzinsen einen Kurswechsel vorzunehmen, hatte zuletzt zugenommen. Zwar ist die Teuerung mit 2,9% im Vergleich zu 8,6% in den USA und 8,1% in der Euro-Zone weiterhin moderat. Die Verbraucherpreise stiegen damit allerdings so stark wie seit fast 14 Jahren nicht mehr – und sie ziehen seit mehreren Monaten stärker an als von der Notenbank angepeilt.

Fazit: Während der Dollar und nach der Zinswende auch der Schweizer Franken ihrem Ruf als sicherer Hafen gerecht werden, hat der Yen diesen Nimbus verspielt.

*) Eugen Keller ist Leiter der Devisen- und Rentenmarktstrategie beim Bankhaus Metzler.