ILO-Bericht

Anspannung auf Arbeitsmärkten nimmt zu

Die Internationale Arbeitsorganisation sieht schwierige Zeiten auf die Arbeitsmärkte weltweit zukommen. Die multiplen Krisen machen sich bemerkbar. Das Beschäftigungswachstum wird sich verlangsamen – und die Ungleichheit steigt.

Anspannung auf Arbeitsmärkten nimmt zu

ast Frankfurt

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) erwartet für dieses Jahr mehr Arbeitslose weltweit und weniger neue Jobs. Das geht aus ihrem Bericht zu den globalen Trends hervor, den die Organisation am Montag vorstellte. Demnach dürften die Folgen des Ukraine-Kriegs Bremsspuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. Das Beschäftigungswachstum werde sich auf 1% verlangsamen. Zum anderen dürfte die Zahl der Arbeitslosen weltweit um 3 auf 208 Millionen klettern.

„Die Verlangsamung des weltweiten Beschäftigungswachstums be­deutet, dass wir nicht erwarten, dass die während der Covid-19-Krise erlittenen Verluste vor 2025 wieder aufgeholt werden“, sagte Richard Samans, Direktor der IAO-Forschungsabteilung. Bisher hatte die ILO noch mit einem Jobaufbau von 1,5% gerechnet.

Bereits 2022 hätten sich die Aussichten für die internationalen Arbeitsmärkte eingetrübt. Als Gründe nennt die ILO die geopolitischen Spannungen und die ungleichmäßige Erholung von der Coronavirus-Pandemie. Erstmals seit den 1970ern beobachten die Experten eine hohe Inflation bei gleichzeitig niedrigem Wachstum – eine Stagflation. Das zeigt sich auch auf dem Arbeitsmarkt. „Die derzeitige Konjunktur­abschwächung bedeutet, dass viele Arbeitnehmenden minderwertige Jobs akzeptieren müssen, oft zu sehr niedrigen Löhnen und manchmal mit unzureichenden Arbeitszeiten“, er­klärte die ILO. „Da die Preise schneller steigen als die nominalen Arbeitseinkommen, besteht außerdem die Gefahr, dass die Krise der Lebenshaltungskosten mehr Menschen in die Armut treibt.“

Diese Lebenshaltungskostenkrise untergräbt die Kaufkraft der Privathaushalte und verringert die Gesamtnachfrage. Hinzu kommen strukturelle Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, die zunehmend spürbar werden – etwa Klimawandel und Digitalisierung – und die erhebliche Investitionen in die Infrastruktur erfordern. Zudem hat sich die Alterung der Bevölkerung in fast allen Ländern beschleunigt, was zu einem Rückgang des Arbeitskräfteangebots führt, der „wahrscheinlich nicht durch die Abwanderung aus demografisch dynamischeren Regionen ausgeglichen werden kann“.

Die weltweite Beschäftigung wird der ILO zufolge im laufenden Jahr um 1,0% wachsen, was eine deutliche Verlangsamung gegenüber 2,3% im Jahr 2022 bedeutet. Auch für 2024 wird keine wesentliche Verbesserung erwartet. Dann wird das Beschäftigungswachstum voraussichtlich auf 1,1% ansteigen. Die Aussichten sind für Länder mit hohem Einkommen pessimistisch, mit einem Beschäftigungswachstum von nahezu null. Im Gegensatz dazu wird in Ländern mit niedrigem Einkommen und Ländern mit mittlerem Einkommen das Beschäftigungswachstum ihren Wachstumstrend von vor der Pandemie übertreffen (siehe Grafik).

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.