Forschung und Entwicklung

Autobauer stecken ungebremst Milliarden in Zukunfts­felder

Die deutschen Autobauer stecken aufgrund ihrer Transformation Milliarden in die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen. Der Herausforderer Tesla hat in Bezug auf die Kosteneffizienz einen Vorteil.

Autobauer stecken ungebremst Milliarden in Zukunfts­felder

Von Stefan Kroneck, München

Für die deutschen Autohersteller ist es ein Wettlauf gegen die Zeit. Und gegen den kleineren Herausforderer Tesla. Der von Elon Musk dominierte US-Konzern treibt die etablierten Wettbewerber in Sachen Elektromobilität und Fahrzeug-Software zur Steuerung des autonomen Fahrens und zusätzlicher IT-Dienste vor sich her. Denn im Zentrum der Marktanteile und Renditen von morgen stehen heute die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung (F&E) in die Technologien der Zukunft. BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen scheuen auf diesem Feld keine Kosten, um den Abstand zu Tesla zu verringern beziehungsweise die Kalifornier im Konkurrenzkampf künftig auf mehr Abstand zu halten. Das Dax-Trio gibt hohe Milliardenbeträge aus für neue Elektromodelle, für leistungsfähigere Batterien und für die Modernisierung des Fahrens in Richtung einer vollautonomen Fortbewegung mit Personenkraftwagen.

Vor diesem Hintergrund haben die deutschen Autokonzerne im vergangenen Jahr trotz reduzierter Produktionsraten infolge von Chipengpässen, gestörter Lieferketten und der Corona-Pandemie ihre F&E-Aufwendungen deutlich erhöht. Im Autogeschäft stand Volkswagen mit 15,6 Mrd. Euro (+12 %) an der Spitze, gefolgt von Mercedes-Benz mit 7,7 Mrd. Euro (+7 %) und BMW mit 6,3 Mrd. Euro (+11 %). Im Vergleich dazu schlägt sich Tesla wacker. Musks Elektro-Pionierunternehmen erhöhte 2021 die F&E-Aufwendungen um 74 % auf umgerechnet 2,3 Mrd. Euro. Das ist eine beachtliche Summe für den kleineren Fertiger.

Tesla und BMW ziehen gleich

Setzt man nämlich diese Aufwendungen in Relation zum Fahrzeugabsatz, so agiert Telsa in etwa auf dem Niveau von BMW. Nach Berechnungen der Börsen-Zeitung steht Mercedes-Benz im Schnitt mit 3302 Euro (+13 %) F&E-Kosten je ausgeliefertes Fahrzeug an der Spitze, gefolgt von BMW mit 2498 Euro (+2 %). Knapp dahinter liegt Tesla mit 2436 Euro (−7 %). Die rote Laterne hält VW mit 1810 Euro (+19 %).

Hier zeigt sich ein typischer Effekt für Volumenhersteller. Aufgrund der Pkw-Marken VW, Škoda und Seat werden die relativ hohen F&E-Ausgaben der ebenfalls zum Mehrmarkenkonzern gehörenden Edel-Hersteller Porsche und Audi in den Zahlen der Gruppe „verwässert“.

Die Angaben zeigen, dass Tesla es mit den europäischen Premiumhäusern locker aufnehmen kann. Der aufstrebende Anbieter aus dem Golden State könnte bei Bedarf sogar seine F&E-Aufwendungen noch weiter hochschrauben, wenn man die F&E-Quoten der größeren Adressen als Maßstab in Betracht zieht. Während dieser Aufwandsposten (inklusive Abschreibungen auf aktivierte F&E-Kosten) bei VW 7,6 %, bei Mercedes-Benz 7 % und bei BMW 6,2 % des Umsatzes ausmachen, sind es bei Tesla „nur“ 4,8 %.

Luxusansatz hilft

Diese Differenz erklärt sich womöglich dadurch, dass die Adressen aus München, Stuttgart und Wolfsburg sich mitten im einem Aufholprozess befinden. Tesla verfügt über einen strategischen Vorsprung, weil das einstige Auto-Start-up gleich auf die richtige Karte setzte. Die teure Transformation von Herstellern von Autos mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren hin zum Zeitalter der Elektromobilität macht für das Trio anspruchsvolle F&E-Budgets erforderlich. Daher dürften auch in diesem und in den folgenden Jahren die F&E-Aufwendungen der deutschen Konzerne auf einem hohen Niveau bleiben nach dem Knick nach unten im Jahr 2020 aufgrund von Einsparungen infolge des Corona-Schocks. Der Ukraine-Krieg und die Covid-Lockdowns im größten Absatzmarkt China sorgen zwar für ein abermals schwieriges Jahr. Aufgrund eines Nachfragestaus infolge angespannter Lieferketten bei zugleich steigenden Beschaffungskosten (Rohstoffe) und Energiekosten verdienen sich die Autobauer derzeit aber trotzdem eine goldene Nase. Sie können die Mehrkosten an die Käufer abwälzen. Das zeigt sich in steigenden Verkaufspreisen. Das treibt die Margen. Und das sorgt für steigende Mittelzuflüsse. Daher werden auch 2022 die Konzerne in der Lage sein, ihre F&E-Aufwendungen aus dem Cashflow zu finanzieren. Der Umbau mit eigenen Mitteln trägt sich vor allem aus dem Absatz von hochpreisigen Fahrzeugen im Segment der SUV-Modelle und der teuren Luxus- und Edelmarken im Flottenangebot der Hersteller. Dieses Konzept zahlt sich auch im laufenden Krisenjahr, in dem die weltweiten Produktionszahlen womöglich abermals nach unten gehen, für die deutschen Autohersteller aus.

Doch die Gefahr für sie lauert nach wie vor in Kalifornien. Denn der linear fortschreitende Entwicklungsansatz von Tesla in Bezug auf die Nutzer-Software ist den Baukastensystemen von Volkswagen & Co. überlegen. Letztere erweisen sich gegenüber Updates in Telsa-Fahrzeugen als zu aufwendig. Entsprechend sind diese kostenineffizient. Für das deutsche Trio ist der Wandel der Technik ein Marathon.

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