Software im Fahrzeug

Deutsche Auto­hersteller suchen digitale Zukunft

BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen verfolgen ähnliche Software-Strategien. Ein Unternehmensberater warnt vor den Risiken und nennt ein Vorbild für Effizienz.

Deutsche Auto­hersteller suchen digitale Zukunft

Der Vergleich mit dem Häuslebauen geht den Schwaben leicht von der Hand. Auch Ola Källenius, der schwedische Vorstandsvorsitzende des Stuttgarter Autoherstellers Mercedes-Benz, hat ein Faible dafür. Als das Unternehmen vor kurzem in Kalifornien seine aktualisierte Softwarestrategie und als i-Tüpfelchen eine Kooperation mit Google präsentierte, hob Källenius die Rolle von Mercedes als Architekt hervor. So behält der Konzern die Kontrolle und kann selbst für den Schutz der Daten seiner Kunden sorgen.

Das heißt freilich nicht, dass Mercedes-Benz und die Konkurrenten alles selbst machen würden, wenn es um die Software fürs und im Auto geht. Källenius bleibt im Bild des Häuslebauers: Arbeiten wie Fliesenlegen oder Dachdecken werden anderen überlassen. Mit dem Anspruch eines Luxusanbieters verbindet er hohe Ansprüche an die Zusammenarbeit: „Wir arbeiten ausschließlich mit den besten Partnern zusammen, damit unser Betriebssystem das beste Kundenerlebnis bieten wird“, sagt Källenius.

MB.OS, das Kürzel für das Fahrzeugbetriebssystem von Mercedes-Benz, soll zur Mitte dieses Jahrzehnts in den ersten Autos auf den Markt kommen. Im eigenen Navigationssystem von Mercedes sollen von Google Maps die Geodaten und Funktionen der Routenplanung integriert werden. Der Autohersteller bezeichnet sich als Erster in der Branche, der diesen Weg mit Google auf der Grundlage eines eigenen Systems einschlägt.

Von Google abhängig

Andere Autohersteller wie GM, Ford und Renault arbeiten ebenfalls mit Google zusammen. Das birgt Risiken, vor denen Markus Baum warnt: „Die Autohersteller sind abhängig von der Bereitschaft von Google, langfristig und zu vernünftigen Preisen mit ihnen zu kooperieren“, sagt der Partner im Stuttgarter Büro des Beratungsunternehmens Roland Berger. Google Maps sei aber das Nonplusultra für Navigation. Der Autoexperte bestreitet nicht, dass Zusammenarbeit generell sinnvoll ist: „Das haben mittlerweile alle verstanden.“ So ließen sich Ressourcen von anderen nutzen und Kosten sparen. Aber es gibt eben auch Nachteile.

Auch der Volkswagen-Konzern und BMW bauen eigene Softwaresysteme auf und nutzen Partnerschaften. Es geht dabei außer um Navigation und Unterhaltung – zusammengefasst Infotainment – um Fahrerassistenz und letztlich um automatisiertes Fahren. Volkswagen kämpft mit erheblichen Verzögerungen in der Entwicklung. Zudem fällt es dem Konzern offensichtlich schwer, die Interessen der Marken unter einen Hut zu bringen. Die Schwierigkeiten der IT-Tochterfirma Cariad, die den Zeitplan für wichtige Modelle über den Haufen warfen, wurden im vergangenen Jahr Herbert Diess zum Verhängnis. Im August musste er als Vorstandsvorsitzender von Volkswagen abtreten.

Oliver Blume, der Nachfolger von Diess und Chef von Porsche, hat das Ziel gestrichen, einen Eigenanteil von 60% in der Softwareentwicklung anzustreben. Eine neue Vorgabe gibt es nicht. VW habe zu viel zur gleichen Zeit gemacht, kritisierte Blume vor einiger Zeit im Interview der Börsen-Zeitung. Er fährt jetzt einen anderen Kurs: „Wir haben die einzelnen Softwaregenerationen entflochten und in ein sinnvolles Zeitgerüst gesetzt, um sie den passenden Fahrzeugen zuzuordnen.“ Bis zu einem skalierbaren eigenen Betriebssystem für alle Pkw-Marken ist der Weg noch weit. Diess hatte für eine Plattform für Fahrzeuge, die mit VW.OS ausgestattet sein sollen, das Jahr 2026 angepeilt.

Berater Baum von Roland Berger erkennt einen riesigen Handlungsbedarf für die Hersteller und ihre Zulieferer, wenn es um Software in Autos geht. Als Vorbild in Sachen Effizienz und Produktivität nennt er Tesla. Das US-amerikanische Unternehmen erziele mit einem Viertel bis einem Sechstel der Mitarbeiter dieselbe Leistung. Das liegt nach seiner Meinung am falschen Ansatz des „Viel hilft viel“ der Etablierten. „Fehler sind unvermeidlich, wenn große Organisationen aus dem Boden gestampft werden.“ „Die traditionelle Autoindustrie hat keinen Software-first-Ansatz“, moniert Baum. „Nur bedingt gibt es die Bereitschaft zu radikalen Änderungen.“ Hard- und Software müssten aus seiner Sicht auch in der Konzernorganisation klar voneinander getrennt werden. Und Software sollte in Entscheidungen Vorrang haben. Die Unternehmen erkennten zwar die Probleme, aber: „Der Handlungsdruck ist noch nicht groß genug“, sagt Baum. „Die Gewinne in der Autoindustrie sprudeln.“ Gleichwohl will er junge Unternehmen wie Tesla „nicht in den Himmel jubeln“. Wenn es um die Leistung der Software gehe, sei Tesla nicht um den Faktor zwei oder drei besser. In Tests der Fahrerassistenz schneidet der amerikanische Konkurrent immer wieder mal schlecht ab.

Auf dem Mobile World Congress in Barcelona stellte Volkswagen vor kurzem einen sogenannten „Application Store“ vor (vgl. BZ vom 2. März). Von Juli an soll das Produkt mit Apps und Programmen von Partnern in Autos von Audi und Porsche eingebaut sein. Entwickelt wurde es mit Harman International. Die Gruppe, die zum Samsung-Konzern gehört, bietet Audiozubehör an und bezeichnet sich als ein führender Hersteller von Technik fürs vernetzte Auto. Für den neuen „Application Store“ hat VW auch Partnerschaften für Unterhaltungsprogramme wie Musik, Video und Spiele sowie für Navigation, Parken und Laden von Elektroautos vereinbart.

Fahrzeug begrüßt Fahrer

Einen Einblick, was dank Software im Auto künftig möglich sein kann, gab BMW im Januar auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas. Für das Visionsfahrzeug Dee ( Digital Emotional Experience) schöpfe BMW das volle Potenzial der Digitalisierung aus, um das Auto zu einem intelligenten Begleiter zu machen, jubelte der Vorstandsvorsitzende Oliver Zipse. Mit diesem Fahrzeug zeige BMW, „was möglich ist, wenn Hardware und Software verschmelzen.“ Dee kann zum Beispiel den Fahrer begrüßen, wenn er sich nähert – mit Licht, Grafik und Tönen. Die Türen öffnen sich automatisch. Dee schlägt Navigationsziele oder Unterhaltungsprogramme vor, bietet Nachrichten und andere Informationen, Kalendereinträge und Social-Media-Posts. BMW vergleicht Dee mit einem guten Freund, „auf den Verlass ist, der nie um einen guten Rat verlegen ist“.

Eine Frage ist freilich, ob manches nicht einfach Spielerei ist, auf die leicht verzichtet werden kann. Digital lässt sich etwa die Außenfarbe des Dee ändern, 32 Töne stehen zur Auswahl. „Das Visionsfahrzeug stärkt die emotionale Verbindung zwischen Automobil und Mensch“, wirbt dagegen BMW. Elemente des neuen Konzepts, etwa ein erweitertes Head-up-Display, sollen von 2025 an in den Modellen der „Neuen Klasse“ von BMW verfügbar sein.

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