Motorsport

Schwarze Flaggen für die Formel 1

Die Formel 1 befindet sich auch aufgrund der steigenden Popularität in den USA auf Boom-Kurs. Doch im Zuge des Nachhaltigkeitstrends disqualifiziert sich die Rennserie aus Investorensicht zunehmend.

Schwarze Flaggen für die Formel 1

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Die Formel 1 steuert auf eines der dramatischsten Saisonfinals ihrer Geschichte zu. Titelverteidiger Lewis Hamilton und Herausforderer Max Verstappen liegen vor dem letzten WM-Lauf am Sonntag in Abu Dhabi punktgleich an der Spitze der Fahrerwertung, nach Jahren der Mercedes-Dominanz ist dies aus Fansicht eine willkommene Abwechslung. Und auch fundamental ist die Formel 1 auf der Überholspur unterwegs, wie der Blick auf die Zahlen der Muttergesellschaft Liberty Media zeigt.

Der durch die Rennserie generierte Umsatz summierte sich im dritten Quartal auf 668 Mill. Dollar, deutlich mehr als die von Analysten im Konsens erwarteten 590 Mill. Dollar. Hatte die Sparte Formel 1 im dritten Quartal 2020 noch einen operativen Verlust von 104 Mill. Dollar gemacht, brachte sie nun einen operativen Gewinn von 80 Mill. Dollar über die Ziellinie – und lag auch damit weit über den Markterwartungen.

Zahlreiche Analysten haben die an der Nasdaq gehandelten Liberty-Media-Formula-1-A- und -C-Aktien zuletzt hochgestuft oder zumindest die Kursziele angehoben. Die Deutsche Bank sieht die wachsende Popularität der Rennserie in den USA als Wachstumstreiber und verweist auf den Besucherandrang beim diesjährigen Rennwochenende in Austin sowie auf das neue Rennen in Miami, das ab nächstem Jahr hinzukommt.

Doch der Rennkalender für 2022 steht exemplarisch für das größte Problem der Formel 1. Denn in der neuen Saison sollen 23 Rennen stattfinden, so viele wie noch nie. Wer vom Saisonauftakt in Bahrain per Luftlinie alle Strecken in der vorgesehenen Reihenfolge bereisen würde, hätte am Ende der Saison 116252 Kilometer zurückgelegt. Der logistische Aufwand ist daher enorm: Bei den größeren Teams reisen 100 Mitarbeiter mit zu den Grands Prix – zudem führen die Rennställe bis zu 50 Tonnen an Ausstattung mit sich, die per Lastwagen, Schiff oder Flugzeug teils binnen einer Woche an die nächste Strecke gelangen müssen. Nach Angaben der Formel 1 entstand in der Saison 2018 allein durch den Transport der Teams und ihrer Ausrüstung ein Ausstoß von rund 257000 Tonnen CO2. Die Organisatoren sind sich des Problems offenbar bewusst, haben sie sich doch einer Nachhaltigkeitsstrategie verschrieben, in deren Zuge sie die Frachtlast angeblich bereits erheblich reduziert haben und Bäume pflanzen, um Emissionen auszugleichen.

Umso unverständlicher ist die Reihenfolge innerhalb des Rennkalenders für 2022. Die Veranstalter sollten noch einmal hinterfragen, ob es unter Klimagesichtspunkten wirklich sinnvoll ist, erst im australischen Melbourne zu fahren, das nächste Rennen im italienischen Imola auszurichten, den Milliardenzirkus dann nach Miami weiterreisen zu lassen, nur um unmittelbar danach in Barcelona an den Start zu gehen. Zumindest eine geografische Gruppierung der WM-Läufe würde von außen betrachtet doch Sinn ergeben.

In anderen Branchen strafen Investoren Unternehmen für Mängel in Sachen Nachhaltigkeit ab. Mit Blick auf den Motorsport liegt der Verdacht nahe, dass sich Beobachter bisher auf den Klimaschaden konzentrieren, den die Rennwagen auf der Strecke verursachen. Es ist leicht, sich einzureden, dass die Formel 1 ihre Probleme durch klimafreundlichere Antriebe in den Griff bekommen kann. Doch die Aufmerksamkeit für den Logistikaufwand um den Milliardenzirkus wächst und könnte künftig kursrelevant werden.

Zudem hören die Missstände bei der Klimafrage nicht auf. Zwar macht sich die Rennserie für Inklusion und gegen Rassismus stark – geht aber zugleich Kooperationen mit Staaten ein, die wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik stehen. Zu den Hauptsponsoren der Formel 1 gehören mit der Fluglinie Emirates und dem Ölförderer Saudi Aramco zwei Staatskonzerne aus dem Nahen Osten. Vier Grands Prix haben 2021 in der Region stattgefunden oder finden noch statt. Angesichts der enormen Summen, die Saudi-Arabien & Co. für die Ausrichtung der Rennen zu zahlen bereit sind, helfen die Formel-1-Organisatoren den Wüstenstaaten nur zu gern dabei, sich über den Sport reinzuwaschen.

Doch auch damit schadet sich die Königsklasse selbst. Wenn die Rennserie ihren Kurs nicht ändert, dürften Investoren der Formel 1 bald schwarze Flaggen zeigen – diese stehen im Motorsport für Disqualifikation.

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