Anlageberatung

Die Anforderungen steigen

Institutionelle Investoren und Anbieter von Publikumsfonds müssen im laufenden und kommenden Jahr eine Reihe von neuen Regelungen umsetzen. Die wichtigsten davon betreffen die Offenlegungsverordnung, die sogenannten Principal Adverse Impact...

Die Anforderungen steigen

Institutionelle Investoren und Anbieter von Publikumsfonds müssen im laufenden und kommenden Jahr eine Reihe von neuen Regelungen umsetzen. Die wichtigsten davon betreffen die Offenlegungsverordnung, die sogenannten Principal Adverse Impact Statements sowie die Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen in der Anlageberatung:

Offenlegungsverordnung: Die Level-2-Maßnahmen der Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) sind um sechs Monate verschoben worden. Die neuen Berichtspflichten in Verkaufsprospekten sollten ursprünglich ab Sommer 2022 gelten, doch weil es bislang an detaillierten Umsetzungsvorgaben fehlt, wurde die Frist bis Anfang 2023 verlängert. Bei den nach SFDR kategorisierten Artikel-8- und -9-Produkten wird es deutlichen Anpassungsbedarf geben.

Principal Adverse Impact Statements, kurz PAI: Alle Finanzmarktteilnehmer müssen in Zukunft Berichte über mögliche negative Auswirkungen ihrer Investitionen auf diverse Nachhaltigkeitsfaktoren vorlegen. Auf Produktebene gilt die Regelung ab Anfang 2023, auf Gesellschaftsebene dann ab Mitte 2023. Anspruchsvoll werden diese Berichte insbesondere deshalb, weil sich die Verfolgung einzelner ESG-Ziele negativ auf andere, konkurrierende Ziele auswirken kann. So mag etwa eine Investition in Zukunftstechnologien als nachhaltig eingestuft werden, während gleichzeitig Defizite der großen Tech-Unternehmen bei Arbeits- und Fertigungsbedingungen dem ESG-Gedanken zuwiderlaufen können.

Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen: Nach der Neuen Delegierten Rechtsakte zur MiFID II, kurz DelVO MiFID II, müssen Anleger seit August dieses Jahres im Rahmen der Anlageberatung nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen gefragt werden. Es dürfen dann nur solche Fonds als nachhaltig vertrieben werden, deren Nachhaltigkeitsmerkmale sich dazu eignen, die Präferenzen des Anlegers abzudecken. Allerdings ist ein nach SFDR als nachhaltig klassifizierter Fonds nicht unbedingt auch nach dem deutschen Zielmarktkonzept nachhaltig – und darf deshalb auch nicht ohne Weiteres an Kunden mit Nachhaltigkeitspräferenz vertreiben werden.

Die von der Offenlegungsverordnung angestrebte Klassifizierung der Fonds nach den Artikeln 6, 8 und 9 kommt voran. Publikumsfonds haben hier die Nase vorn, mit einem Anteil von knapp 30 % nach Artikel 8 klassifizierter Fonds und rund 2 % Artikel-9-Fonds. Doch auch das Spezialfondsegment kommt inzwischen auf einen Anteil von rund 15 % für Artikel 8 und rund 1 % für Artikel 9.

Natürlich sind sich ebenso institutionelle Anleger bewusst, dass sie dieses Thema weiter verfolgen müssen. In dieser Gruppe liegen Versorgungswerke und Pensionskassen vorn, die ja ihren Kunden gegenüber in der Pflicht stehen. Ebenfalls gut stehen große Dax-Unternehmen da, die sich, sicherlich auch unter dem Druck der öffentlichen Aufmerksamkeit, eine detaillierte Nachhaltigkeitsstrategie gegeben haben und auch in der Kapitalanlage die Regularien umsetzen.

Ein Grund für den Vorsprung der Publikumsfonds ist freilich, dass viele Anbieter die Klassifizierung nicht zuletzt als Vertriebsargument nutzen. Auf institutioneller Seite herrscht teilweise noch Skepsis in Bezug auf die Berichtspflichten zu Artikel-8- und -9-Fonds, insbesondere was die Folgepflichten einer entsprechenden Hochstufung angeht. Schließlich müssen die Einordnung des Fonds sowie seine Ausrichtung kontinuierlich belegt werden, was einen erheblichen Zusatzaufwand darstellen kann. Nicht wenige institutionelle Investoren warten deshalb bewusst noch ab, bis sie mehr Überblick über das Thema gewonnen haben.

Schließlich investieren viele institutionelle Investoren in alternative Investments, wo die Datenlage oft ein Hindernis darstellt. So sitzen etwa viele Private-Equity-Manager außerhalb der EU und sind mit der hiesigen Regulatorik nicht vertraut. Dazu kommt, dass die Zielunternehmen selten Nachhaltigkeitsanalysen durchführen oder Unternehmensberichte veröffentlichen. Es fehlt so­wohl an Daten als auch an Standards und Transparenz. Das erschwert eine ESG-Bewertung, denn die Regulatoren sind bei der Einstufung als Artikel-8- oder -9-Fonds streng.

Trotzdem bleiben Nachhaltigkeitsbewertungen im Bereich alternative Investments wichtig, schon weil es sich hier meist um langfristige Anlagen handelt. Zudem nimmt der Anteil dieser Asset-Klasse insbesondere in den Portfolien institutioneller Investoren in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich zu, so dass mangelnde Transparenz in diesem Teilbereich die Gesamtbewertung des Portfolios beeinträchtigt.

Flexibilität entscheidend

Eine belastbare Nachhaltigkeitsbewertung ist auf Flexibilität angewiesen: Ändert sich die ESG-Bewertung eines Unternehmens durch neue Entwicklungen oder weil bislang unbekannte Tatsachen ans Licht kommen, so ist es für Investoren und Fondsanbieter wichtig, auf diese neue Bewertung möglichst schnell zu reagieren. Das traditionelle Instrument der Ausschlussliste eignet sich dafür nur bedingt, weil die Listen in der Regel quartalsweise erstellt werden. Außerdem werden oft Standardlisten verwendet, die unter Umständen nicht zum einzelnen Fonds passen.

Ein jüngerer Ansatz sind Datenpunkte, welche ESG-Datenprovider etwa auf Emittentenebene liefern können und die das Filtern nach ESG-Kriterien ermöglichen. Investoren können die für sie wichtigen Datenpunkte festlegen und sie auf täglicher Basis aktualisieren lassen. Auf etwaige Veränderungen können sie dann umgehend reagieren. Ein angenehmer Nebeneffekt aus Investorensicht ist, dass die für Ausschlusslisten typischerweise an­fallenden Lizenzierungskosten entfallen.

Alles E oder was?

Die Abkürzung ESG (Environment, Social, Governance) bezieht ausdrücklich die drei Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung ein – doch in der Praxis dominiert seit langem der Umweltbereich, also E wie Environment. Erst in letzter Zeit gewinnt der soziale Bereich an Bedeutung, etwa bei Investments in Pflegeimmobilien. Allerdings sind die Regulatoren bislang noch eher restriktiv, was diese Fonds angeht. Der Umweltbereich verfügt über einheitlichere Standards, unter anderem weil etwa eine soziale Wirkung in vielen Fällen nur sehr schwer messbar ist.

G wird vorausgesetzt

Anders sieht es beim Buchstaben G wie Governance/Unternehmensführung aus, der oft nicht gesondert gewichtet, sondern schlicht vorausgesetzt wird. Bei der Unternehmensführung darf es keine Abstriche geben. E und S werden damit gewissermaßen ein Ergebnis von G.

Der Umweltbereich liegt auch in der Taxonomie vorn, die definiert, welche Aktivitäten als „grün“ gelten dürfen. Hier bleibt allerdings noch viel Arbeit zu leisten. Bisher werden gerade einmal zwei der insgesamt sechs definierten Umweltziele in der Taxonomie berücksichtigt, nämlich der Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel.

Die übrigen vier Umweltziele hingegen stehen noch aus: Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltverschmutzung, Schutz von Wasser und Meeren sowie Biodiversität. Sie sollen ab Januar 2023 folgen.