Christian Illek

„Wir benötigen nicht mehr Regulierung“

Ob und wann T-Mobile US jemals Dividende zahlen wird, lässt Finanzchef Christian Illek offen. Bei Mobilfunktürmen dreht sich das M&A-Rad, auch bei der chronisch kranken Geschäftskundensparte sind Teilverkäufe drin.

„Wir benötigen nicht mehr Regulierung“

Heidi Rohde.

Herr Illek, die Telekom ist strategisch gut vorangekommen in den vergangenen Jahren und das zahlt sich im operativen Geschäft aus, vor allem auch in den USA. Es übersetzt sich aber nicht in die Dividende und die Investoren murren, dass vom wachsenden Cashflow zu wenig bei Ihnen ankommt. Wird diese Kennziffer mittelfristig wieder stärker die Dividende bestimmen?

Wir haben eine klare Dividendenpolitik. Wir halten das bereinigte Ergebnis je Aktie weiterhin für die richtige Größe, an der sich die Dividende ausrichten soll. Denn das Ergebnis je Aktie spiegelt die Eigentumsverhältnisse bei den verschiedenen Konzerngesellschaften wider. Es reflektiert damit auch, welcher Anteil am Ergebnis den Aktionären der Deutschen Telekom wirklich ökonomisch nach Berücksichtigung der Anteile außenstehender Aktionäre bei den Konzerngesellschaften zusteht. Wir betreiben seit 2020 in Rekordgeschwindigkeit die Integration von Sprint in den USA. Das wirkt sich anfänglich – auch in diesem Jahr – mindernd auf unsere Ergebnisse aus. Wir haben aber deutliches Wachstum beim Free Cashflow wie auch beim bereinigten Ergebnis je Aktie in Aussicht gestellt, auf über 18 Mrd. Euro beziehungsweise mehr als 1,75 Euro je Aktie 2024. Das soll sich entlang unserer Dividendenpolitik dann auch in steigenden Dividenden spiegeln und so die Geduld unserer Aktionäre belohnen.

Wann wird T-Mobile US eine Dividende zahlen? Darauf ist die Telekom als Großaktionärin ja nicht ohne Einfluss.

Das Management von T-Mobile US hat in Aussicht gestellt, dass zwischen 2023 und 2025 in Summe bis zu 60 Mrd. Dollar für Ausschüttungen an die Aktionäre zur Verfügung stehen sollen. Das zeigt, welches Wachstumspotenzial vor allem durch den Merger mit Sprint in dem Unternehmen steckt. Daran will T-Mobile US seine Anteilseigner beteiligen. In welcher Form, ob durch Dividenden oder über Aktien-Rückkäufe, wird das Unternehmen zu gegebener Zeit entscheiden.

Wie können die Telekom-Aktionäre also an der Performance des Konzerns partizipieren?

Hier geht es um zwei Dimensionen: Aktionäre profitieren grundsätzlich zum einen von der Wertsteigerung der Aktie und zum anderen von der Ausschüttungspolitik. Unser geplantes Ergebniswachstum soll beides positiv beeinflussen. Der Wert der T-Aktie soll mit höheren Ergebnissen steigen. Durch unsere Ausschüttungspolitik soll mit steigenden Ergebnissen auch die Dividende wachsen. Noch einmal: Wir planen einen Anstieg beim Ergebnis je Aktie von 1,22 Euro 2021 auf mehr als 1,75 Euro je Aktie 2024. In der Summe sollten dann die Aktionäre von beiden Faktoren profitieren.

Der beachtliche Schuldenberg ist zuletzt noch angewachsen. Gibt es – auch angesichts der Ge­schäftsdynamik in den USA – Pläne vielleicht auch schneller als geplant zu entschulden, jetzt wo die Zinsen steigen?

Wir haben rund 136 Mrd. Euro Netto-Schulden. Davon sind 98 Mrd. Euro Netto-Finanzverbindlichkeiten ohne Leasing. Die sind im ersten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 2,5 Mrd. Euro gesunken. Unser Verschuldungsgrad wird sich allein schon über ein steigendes operatives Ergebnis (Ebitda) verbessern. Wenn wir das Ebitda nachhaltig steigern, bin ich auch nicht gezwungen, die Schulden erheblich zu senken. Wir haben aber ein ambitioniertes Ziel: der angepeilte Verschuldungskorridor ist 2,25 bis 2,75 als Faktor der gesamten Netto-Finanzverbindlichkeiten einschließlich Leasing zum bereinigten Ebitda. Da sind wir lange noch nicht, aber da wollen wir bis Ende 2024 hin. Inzwischen reflektieren alle drei großen Ratingagenturen in ihrer Bewertung, dass wir operativ auf einem soliden Weg sind, um unsere avisierten Ziele zu erreichen.

Die Telekom muss in diesem Jahr rund 7 Mrd. Euro refinanzieren. Werden Sie da demnächst an den Kapitalmarkt gehen?

Im laufenden Jahr ist die Lage relativ entspannt. Die Zahl, die Sie nennen, betrifft die Fälligkeiten aller Konzerngesellschaften 2022. T-Mobile US hat in diesem Jahr Fälligkeiten von rund 3,9 Mrd. Dollar und finanziert sich selbst. Sie hat überdies eine konzerninterne Finanzierung zu­rückgezahlt. Außerdem hat uns der Verkauf von T-Mobile NL einen Mittelzufluss von rund 4 Mrd. Euro gebracht. Für die Aufnahme von Fremdkapital peilen wir deshalb eher das zweite Halbjahr an. Dann könnten wir uns auch einen Sustainability-Linked Bond vorstellen.

Grüne Anleihen sind im Trend, auch in der Branche, wo andere Unternehmen bereits Zinsersparnisse vorrechnen, die sie aufgrund einer ESG-konformen Ausgestaltung der Anleihen erhalten. Was erwarten Sie?

Für uns wird das eine Ersterfahrung sein, weil wir bisher noch keine solche Anleihe aufgelegt haben. Wir begeben sie auch nicht aus kommerziellen Gründen, sondern weil wir uns bestimmte ESG-Ziele auferlegt haben. Insofern ist es auch ein Signal nach innen. Darüber hinaus müssen wir zunächst schauen, in welche Höhe sich die Zinsen im vierten Quartal überhaupt bewegen. Es besteht derzeit eine steigende Tendenz, vor allem am längeren Ende und wir werden uns in Anbetracht der Inflation wohl darauf einstellen müssen, dass wir auf längere Sicht nicht mehr das Zinsniveau sehen, das wir in den vergangenen Jahren gewohnt waren.

Wie hoch ist denn die Zinsbelastung der Telekom beziehungsweise der durchschnittliche Zins?

Wir haben im Konzern einen Zinsaufwand von 3,9 Mrd. Euro für die finanziellen Verbindlichkeiten ohne Leasing. Davon entfallen 85% auf das US-Geschäft. Alle aktuellen Finanzierungen in den USA haben einen fixen Zinssatz bei einer durchschnittlichen Laufzeit von zehn Jahren. Zudem laufen in den kommenden Jahren hier mehrere alte Sprint-Anleihen mit Kupons zwischen 6 und fast 8% aus. Wir haben bei Netto-Finanzverbindlichkeiten ohne Leasing außerhalb der USA von rund 32 Mrd. Euro einen Zinsaufwand von rund 0,6 Mrd. Euro. Grund ist natürlich, dass wir aus einer Zeit extrem niedriger Zinsen kommen. Hier, also bei den Verbindlichkeiten ex US, erwarten wir auf Basis aktueller Prognosen am Kapitalmarkt im laufenden Jahr einen niedrigen zweistelligen Betrag als Belastung aus steigenden Zinsen.

Eine deutliche Verbesserung finanzieller Spielräume verspricht auch der Verkauf der Funktürme, der seit längerem angekündigt ist. Haben Sie in den Verhandlungen inzwischen eine Preisspanne eingegrenzt?

Bitte haben Sie Verständnis, dass wir laufende M&A Prozesse und Spekulationen nicht kommentieren. Wir registrieren ein hohes Interesse von verschiedenen Seiten an einer Transaktion. Das zeigt, dass wir ein attraktives Asset haben. Wir prüfen aktuell, ob es eine Transaktion gibt und wenn ja, wie die aussehen könnte. Bei unserer Entscheidung ist die Bewertung ein wichtiges aber nicht das einzige Kriterium. Das erfordert Sorgfalt, deshalb haben wir auch ganz bewusst keinen Zeitrahmen für die Entscheidung vorgegeben.

Aber Sie haben sicher eine bestimmte Reallokation der Mittel vorgesehen?

Noch einmal: Zunächst schließen wir den Prozess der strategischen Überprüfung ab. An dessen Ende steht eine Entscheidung, ob wir eine Transaktion mit dem Funkturm-Portfolio haben oder nicht und wenn ja, wie die aussieht. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist. Unabhängig davon haben wir in unserer Konzern- und Finanzstrategie drei Prioritäten: 1. Die Schwelle von 50,1% bei T-Mobile US erreichen. 2. Wir wollen auf beiden Seiten des Atlantiks die nötigen Mittel für unsere klare Netzführerschaft investieren, sei es bei 5G oder gerade auch bei Glasfaser. 3. Die Rückkehr in unseren Verschuldungskorridor.

Wie zu hören ist, verhandelt die Telekom mit Vodafone bzw. Vantage Towers über die Bildung eines „nationalen Champions“ in der Mobilfunkinfrastruktur – nach dem Vorbild Italiens könnte man sagen. Dort wurde der Deal von der EU unter der Prämisse von Open Access genehmigt. Falls das hierzulande angesichts der enormen Marktmacht nicht reicht, würden Sie auch einen regulierten Champion bilden?

Noch einmal: Spekulationen in den Medien kommentieren wir nicht. Aber klar ist, wir benötigen in Deutschland nicht mehr Regulierung. Wir haben einen kompetitiven Markt bei den Funktürmen. Allein der neue vierte Netzbetreiber 1&1 hat Verträge mit drei Anbietern abgeschlossen. Außerdem dürfen Sie nicht vergessen, wir wollen ja gerade das Drittgeschäft. Unsere Kollokationsrate liegt aktuell etwa auf dem Niveau anderer Funkturmgesellschaften. Das heißt, wir haben heute schon in erheblichem Umfang andere Mobilfunknetzbetreiber auf den Sendemasten. Und wir wollen ja gerade noch mehr Drittgeschäft für die Sendestandorte.

Die Party-Stimmung bei M&A hat sich jüngst etwas eingetrübt, auch bei den Bewertungen. Wie haben sich die aus Ihrer Sicht entwickelt?

Man sieht natürlich, dass es zu Bewertungsrückgängen gekommen ist, insbesondere im Tech-Umfeld. Und die sind nicht unerheblich. Sie finden nicht nur an der Börse statt, sondern auch im Venture Capital Umfeld. Telekommunikationsinfrastruktur ist in meinen Augen nach wie vor eine gefragte Anlage-Kategorie, auch wenn es hier und da auch zu Bewertungskorrekturen bei den börsennotierten Spielern gekommen ist. Das führe ich aber vorrangig auf steigende Zinsen zurück und nicht auf ein schlechteres M&A-Umfeld.

Wann rechnen Sie denn mit einem Abschluss des Geschäfts?

Wir machen einen Strategic Review – dieser kann zu einer Transaktion führen, oder auch nicht. Wir haben da keinen Handlungsdruck. Wir haben zu Beginn des Prozesses ganz bewusst gesagt, dass wir keinen Zeitrahmen für diesen Prozess vorgeben. Das gilt weiterhin.

Wie sind aus Ihrer Sicht in Brüssel die Rahmenbedingungen für einen Deal, der gegebenenfalls nach Auflagen ruft?

Dass der europäische Telekommunikationsmarkt zu viele Spieler hat, die zu kleinteilig operieren, ist doch völlig unstrittig. Insofern ist es gut, wenn man in einem Land die Konsolidierung vorantreibt. Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht, zum Beispiel in Holland oder auch in Österreich. Das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit im Markt und kommt damit auch den Kunden zugute. Wir ermutigen auch unsere Wettbewerber, entlang dieser Dimension zu denken, denn das schafft größere kritische Masse.

Mitunter wird indes gerade die Dekonsolidierung geprobt, also die Zerlegung in Service und Infrastruktur, unter anderem bei Telecom Italia oder auch bei BT. Wird da das Telekompaket eine Rolle spielen?

Unser Anteil an BT Group liegt im Pensionsvermögen, das wir für die Betriebsrenten unserer Mitarbeitenden hinterlegt haben. Nun hat BT glücklicherweise in Aussicht gestellt, wieder Dividende zahlen zu wollen. Aus diesem Grund hatten wir die Anteile in das Pensionsvermögen gelegt, damit es davon profitiert.

Also wollen Sie das BT-Paket auf jeden Fall behalten?

Das Aktienpaket dient der Erfüllung unserer Verpflichtungen aus der betrieblichen Altersversorgung. Da­für liegt es im Pensionsvermögen und dort liegt es gut.

Sie haben das Netz der Telekom bereits für Dritte geöffnet, um den Glasfaserausbau zu finanzieren. Sind weitere Transaktionen wie die mit dem Infrastrukturfonds IFM denkbar?

Wir haben regional viele verschiedene Partnerschaften auf den Weg gebracht und kooperieren auch mit Stadtnetzbetreibern, Gemeinden und Kommunen, um mit deren Infrastruktur den Glasfaserausbau zu beschleunigen. Natürlich werden wir uns weiter offen zeigen. Insofern würde ich das nicht ausschließen. Momentan haben wir allerdings alle Hände voll zu tun.

Wie entwickeln sich denn die Kosten für Personalanpassungen bei der Telekom perspektivisch, werden sie sich gelegentlich verringern?

Das schwankt in geringer Bandbreite. Personalumbau geht immer mit Sonderlasten einher. Dafür ist er bei uns geräuschlos. Wir haben in den vergangenen vier Jahren auf diese Weise netto rund 17000 Stellen abgebaut. Und wir werden uns auch weiterhin verschlanken müssen.

Was kostet das im Jahr?

Die Ausgaben liegen hier immer in der Größenordnung von rund 1 Mrd. Euro im Jahr.

Ein Dauerrestrukturierungsfall ist die Geschäftskundensparte T-Systems. Gibt es Pläne für einen Teilverkauf?

Die Restrukturierung wird dort weitergehen. Wir haben auch bereits Teile verkauft, die Tochter in Südafrika, das Mainframe-Geschäft an IBM, wir haben uns aus dem Desktop-Geschäft zurückgezogen. Das ist permanente Kärrnerarbeit, vor allem im klassischen IT-Geschäft, wo wir schrumpfen. Im Gegenzug bauen wir neue Geschäftsfelder auf, die wachsen, insbesondere in der Cloud und bei den Digital Services. Das Ziel dieses Transformationsprozesses ist, dass diese Bereiche so weit erstarken, dass sich das Verhältnis umkehrt und sie mehr geschäftliches Gewicht haben, als die Legacy-Bereiche.

Wann wird das der Fall sein?

Zuletzt ist der Umsatz bei T-Systems um 1,9% geschrumpft. Wir wollen aber perspektivisch mit 1% im Umsatz wachsen. Wir sehen hier Anzeichen für eine Stabilisierung, gerade auch, wenn man die beabsichtigten Portfolio-Bereinigungen berücksichtigt. Beim bereinigten Ebitda planen wir 5% Wachstum. Dabei profitieren wir auch von unseren Restrukturierungsmaßnahmen. Es wird noch eine Weile dauern, bis wir unserem Ziel näher kommen. Ich möchte da keinen Zeitrahmen nennen.

Sind bis dahin auch weitere Teilverkäufe geplant?

Das schließen wir nicht aus. Wir haben immer gesagt, dass wir einzelne Bereiche, für die es bessere Eigentümer gibt, auch abtrennen. Wie wir das auch schon getan haben.

Ihr großer Konkurrent Vodafone hat Probleme im deutschen Markt. Profitiert die Telekom davon?

Anfang 2020, als Vodafone erstmals ihr 1-Gigabit-Angebot für 40 Euro im Monat verkündet hat, fürchtete der Kapitalmarkt für uns negative Konsequenzen: dass wir die Preise senken müssten oder andernfalls Kunden verlieren würden. Die Befürchtungen haben sich als grundlos erwiesen. Wir sind seitdem weiterhin mit einem Nettoneukundenanteil von über 50% im Breitbandmarkt unterwegs. Das liegt unter anderen daran, dass Kunden im Festnetz nicht nur Wert auf Bandbreite legen, sondern auch auf die Marke, auf Service und auf Stabilität. Wir haben deshalb derzeit einen guten Kundenzulauf und damit rechne ich auch in diesem Jahr insgesamt.

Das Interview führte

BZ+
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