Halbleiterausrüstung

„Der Appetit auf Übernahmen ist nicht groß“

Nach etlichen größeren Übernahmen setzt der Fotonikkonzern Jenoptik nun in erster Linie auf internes Wachstum. CEO Stefan Traeger zeigt sich überzeugt, dass die Nachfrage weiter zunehmen wird.

„Der Appetit auf Übernahmen ist nicht groß“

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Der Fotonikkonzern Jenoptik ist mit hohem Auftragsbestand in das neue Geschäftsjahr gestartet. Ende 2022 standen nach Firmenangaben Bestellungen im Wert von 734 Mill. Euro in den Büchern, 35 % mehr als ein Jahr zuvor. Der Ordereingang kletterte im vergangenen Jahr durch internes Wachstum und Akquisitionen um 27 % auf knapp 1,2 Mrd. Euro. „Die Herausforderung ist, die vielen Aufträge in der Produktion umzusetzen. Mit ein paar Sonntagsschichten ist das nicht zu schaffen“, sagt Vorstandschef Stefan Traeger im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Daher erweitert Jenoptik ihre Kapazitäten. Am Standort Dresden entsteht für mindestens 70 Mill. Euro ein neues Werk für Mikrooptiken und Sensorik, dessen Produktion 2025 anlaufen soll. Auch am Stammsitz in Jena müsse investiert werden, sagt Traeger. Auf die Bremse tritt Jenoptik dagegen bei Akquisitionen: „Momentan ist der Appetit auf Übernahmen nicht so groß.“ Das Umsatzziel für 2025 von rund 1,2 Mrd. Euro sei ohne weitere Zukäufe zu erreichen. Die Investitionsmittel würden auf organisches Wachstum umgelenkt, für das man richtig Geld in die Hand nehmen müsse. So veranschlagt der CEO das Investitionsbudget allein für 2023 auf einen niedrigen dreistelligen Mill.-Euro-Betrag.

In den vergangenen Jahren hat Jenoptik mit Trioptics, BG Medical und Swissoptic etliche große Akquisitionen unter Dach und Fach gebracht. Das hat die Verschuldung in die Höhe getrieben – Ende 2021 beliefen sich die Nettoschulden auf das 3,5-Fache des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda). Da außerdem Zinsen und Inflationsraten stark gestiegen seien, habe man den Schuldenabbau in den Vordergrund gerückt. Inzwischen ist der Verschuldungsgrad infolge des kräftigen Gewinnanstiegs im vergangenen Jahr wieder auf das 2,6-Fache Ebitda gesunken. „Mit diesem Niveau fühlen wir uns wohl“, versichert Traeger.

Für das laufende Jahr stellt Jenoptik zwischen 1,05 Mrd. und 1,1 Mrd. Euro Umsatz (2022: 980 Mill. Euro) und eine Ebitda-Marge zwischen 19,0 und 19,5 % der Erlöse (2022: 18,8 %) in Aussicht. Damit rückt das Margenziel der „Agenda 2025“ von rund 20 % früher in Reichweite. Vor diesem Hintergrund deutet Traeger an, dass die Mittelfristplanung im zweiten Halbjahr überarbeitet, also heraufgesetzt werden könnte.

Hauptwachstumstreiber sei das Geschäft mit der Halbleiterausrüstung, das von der Digitalisierung profitiere. Jenoptik stattet nämlich Maschinen zur Chipherstellung mit Optik aus. Selbst normale Gebrauchsgüter wie Kühlschränke oder Elektrofahrräder steckten inzwischen voller Mikrochips, sagt Traeger. Ein zusätzlicher Wachstumstreiber sei das Medizintechnik- und Healthcare-Geschäft.

„Der langfristige Trend zur Digitalisierung der Welt ist unumkehrbar“, ist Traeger überzeugt. Der CEO verweist auf neue Themen wie Virtual und Augmented Reality, an denen Technologiekonzerne arbeiten: „Das wird abheben.“ Mittel- bis langfristig werde die Quanteninformatik die Welt verändern. Sie arbeitet nicht mit klassischen Bits, sondern nutzt quantenmechanische Phänomene für die Informationsverarbeitung. Das ermögliche neue Formen der Kommunikation und Datenverarbeitung. „Das ist für uns ein absolutes Zukunftsthema“, sagt Traeger.

Keine Spur von Abkühlung

Die aktuellen Indizien für eine Abkühlung der Halbleiterkonjunktur sieht Traeger gelassen. Bei Jenoptik sei davon nichts zu spüren. Zum einen sei das Niveau noch immer sehr hoch, zum anderen produziere Jenoptik keine Chips, sondern Module und Komponenten, die in Maschinen für die Herstellung von Chips eingebaut würden. Kunden seien nicht Intel oder TSMC, sondern Applied Materials und ASML. Das eigene Geschäft hänge also nicht an der Menge der produzierten Chips, sondern an den Investitionen der Halbleiterindustrie.

Hinzu komme das geopolitische Umfeld. Der Hintergrund: Die Hälfte aller Chips stammt aus Taiwan, ein Land, das aufgrund des Konflikts mit der Volksrepublik China als gefährdet gilt. Daher unternähmen die USA und die EU große Anstrengungen, Chipfertigung wieder nach Hause zu holen. Das zeige sich in den Großinvestitionen zum Beispiel von TSMC in den USA, von Intel in Magdeburg und Infineon in Dresden. „Dieses Homeshoring treibt unser Geschäft zusätzlich an“, sagt Traeger.

Aus den drei Non-Fotonik-Unternehmen, also dem schwierigeren Geschäft mit der Autoindustrie, will sich Jenoptik zurückziehen, sieht sich aber nicht unter Zeitdruck. Die drei Firmen standen in den ersten neun Monaten 2022 für 13 % der Konzernerlöse. Das Geschäft der Anfang 2020 erworbenen Interob wurde stark zurückgefahren und das Investment abgeschrieben, was mit 14 Mill. Euro zu Buche schlug. Prodomax laufe gut, bei Hommel Etamic sei die Lage schwieriger. „Der Fokus liegt auf Fotonik“, stellt Traeger klar. Hier mache Jenoptik den Unterschied: „Wenn wir morgen nicht liefern würden, könnte die Welt früher oder später keine Computerchips mehr herstellen.“

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