Umfrage

Mehr Unternehmens­pleiten erwartet

Mehr als 90% von 650 Bankern, Sanierungsberatern und Insolvenzverwaltern im deutschsprachigen Raum, die die Strategieberatung Roland Berger befragt hat, erwarten eine Zunahme der Restrukturierungsfälle. Mehr als die Hälfte sieht die Unternehmen nur bedingt oder gar nicht auf exogene Schocks vorbereitet.

Mehr Unternehmens­pleiten erwartet

cru Frankfurt

Mehr als 90% von 650 Bankern, Sanierungsberatern und Insolvenzverwaltern im deutschsprachigen Raum, die die Strategieberatung Roland Berger befragt hat, erwarten eine Zunahme der Restrukturierungsfälle. Mehr als die Hälfte sieht die Unternehmen nur bedingt oder gar nicht auf exogene Schocks vorbereitet.

So verhandeln beispielsweise die Stadtwerke und die Bundesregierung in der Energiekrise über einen milliardenschweren Schutzschirm. „Wir sind in Gesprächen mit der Bundesregierung, welche Maßnahmen notwendig sind, um Stadtwerke vor den Risiken zu schützen, die wir sehen und die zum Teil schon akut sind“, sagt Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU).

„Die Unternehmen stehen vor einer äußerst schwierigen Gemengelage. Rekordpreise für Material und Energie, steigende Zinsen, die hohe Inflation sowie fragile Lieferketten setzen den Firmen zu“, sagt Sascha Haghani, Geschäftsführer für den deutschsprachigen Raum bei Roland Berger. „Über Effizienzsteigerungen ist es für Organisationen in diesem Umfeld kaum möglich, ihre Kosten abzudecken. Sie kommen nicht umhin, mit ihren Kunden über Preissteigerungen zu verhandeln.“

Von der Nachrichtenagentur dpa befragte Volkswirte erwarten, dass es im Zuge der Energiepreiskrise auch zu mehr Insolvenzen kommt, nachdem es in den vergangenen zwei Jahren wegen der üppigen staatlichen Hilfen kaum Pleiten gegeben hat – vor allem bei kleineren Unternehmen mit hohem Anteil an Energiekosten. Auch der Export werde leiden, weil die Handelspartner im Ausland ebenfalls Kaufkraftverluste hinnehmen müssten, sagt KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib.

Waren laut Roland Berger in den vergangenen Jahren stets disruptive Innovationen und die digitale Transformation Hauptgrund für Anpassungsbedarf in vielen Branchen, so seien es heute die stark gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten.

Preisaufschlag von 7 Prozent

Umfangreiche Preisanpassungen sind vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen bei fehlender Marktmacht meist schwer durchsetzbar. Die Folge: Sie laufen Gefahr, in die nächste finanzielle Krise zu rutschen. „Um die Kostensteigerungen bei Rohstoffen, Energie, aber auch Personal zu kompensieren, müssten Unternehmen zur Margenabsicherung ihre Preise in diesem Jahr um durchschnittlich 7% erhöhen“, sagt Gerd Sievers, Co-Head der Restrukturierungsgruppe von Roland Berger. Als größte Risiken sehen die in der Studie befragten Experten steigende Rohstoff- und Energiepreise, die allgemein hohe Inflation (68%) sowie geopolitische Veränderungen (65%). „Eine sich verfestigende Energiekrise in Kombination mit einem Einbruch der Nachfrage führt die deutsche Wirtschaft in ein dauerhaftes Stressszenario und es droht eine Rezession“, sagt Sievers. Hinzu kommt der anhaltende Fachkräftemangel, der sich seit der Corona-Pandemie verschärft.

Einige Branchen trifft es besonders hart. Den größten Anpassungsbedarf sehen die Befragten in der Autoindustrie. Die Krisen der vergangenen beiden Jahre verschärfen die Situation der ohnehin schwierigen Transformation der Branche, vor allem für Zulieferer. Auch die Energiebranche steht nach Meinung der Experten vor einem grundlegenden Wandel. Obwohl die enorm gestiegenen Strompreise in den vergangenen Monaten zu starken Gewinnsteigerungen geführt haben, müssen Versorger gleichzeitig ein noch nie dagewesenes Liquiditätsrisiko managen. Der Grund: strenge Vorgaben bei Termingeschäften an den Energiebörsen bei der Eindeckung oder Vermarktung eines Stromportfolios. Als Sicherheitsleistung müssen Versorger liquide Mittel hinterlegen.

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