Markus Rolle

Telefónica Deutschland feilt an der Marge

Telefónica Deutschland hat in der Finanzierung weitgehend auf Festzinssätze umgestellt und sich so gegen eine Zinswende gewappnet. Außerdem spart das Unternehmen mit einem ESG Linked Loan „echtes Geld“, allein einen sechsstelligen Betrag bei den Bereitstellungszinsen, wie Finanzchef Markus Rolle im Interview sagt.

Telefónica Deutschland feilt an der Marge

Heidi Rohde.

Herr Rolle, bei Telefónica Deutschland hat sich das Wachstum in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres beschleunigt, bei Wettbewerbern lief es weniger dynamisch. War das nur ein Aufholeffekt oder wird die Dynamik anhalten?

2021 war ein Rekordjahr für uns. Wir konnten den Schwung, den wir schon im Jahr davor gespürt haben, mitnehmen und tatsächlich im Jahresverlauf noch weiter beschleunigen. Wir haben im Umsatz über 3% zugelegt und 1,5 Millionen zusätzliche Vertragskunden gewonnen. Wesentliche Treiber dafür waren vor allem historisch niedrige Wechselraten (Churn) bei unseren Kunden. Bei der Kernmarke O2 liegt die Churn-Rate mittlerweile unter 1% auf Monatsbasis, also bei etwa 12% im Jahr. Vor drei, vier Jahren lagen wir hier noch bei etwa 18%. Man kann dabei durchaus von einem Aufholeffekt sprechen, denn unsere Kunden sind jetzt eben deutlich zufriedener und bleiben länger bei uns. Wir haben unser Netz nachhaltig auf Augenhöhe mit den Wettbewerbern gebracht, und das wird von den Kunden honoriert. Wir sind beim Serviceumsatz inzwischen die klare Nummer 2 im deutschen Mobilfunkmarkt.

Übersetzt sich der Umsatztrend auch in ein stärker steigendes Ergebnis?

Unser Ziel ist es, höherwertige Verträge, also mit höheren monatlichen Durchschnittserlösen (Average Re­venue per User, Arpu), zu verkaufen. Dabei sind wir sehr gut unterwegs. Wir konnten über die zurückliegenden Quartale im Durchschnitt 20% höhere Arpus in den Neuverträgen erzielen, als dies bei den Bestandskunden der Fall ist. Auf diese Weise steigt der Arpu sukzessive an und das stimmt uns für die Zukunft sehr optimistisch.

Sie rechnen also auch im laufenden Jahr mit einem steigenden Arpu und einem steigenden Gesamtumsatz?

Wir haben uns vorgenommen, den Umsatz auch 2022 im niedrigen einstelligen Bereich zu steigern. Das Gleiche gilt für das Ergebnis, wobei wir zugleich die Marge ausbauen wollen. Unser Ergebnis soll also überproportional zum Umsatz vorankommen.

Welches Potenzial sehen Sie mittelfristig für die operative Marge?

Wir sehen durchaus Potenzial, indem wir nicht die gesamten zusätzlichen Deckungsbeiträge reinvestieren, sondern sie zumindest teilweise ins Ergebnis übersetzen. Auch die weitere Digitalisierung in der Kundenbetreuung bringt uns Effizienzgewinne, ohne dass ein Kunde damit eine schlechtere Service-Erfahrung macht. Und nicht zuletzt hilft uns unsere IT-Transformation in die Cloud, die Sparpotenziale eröffnet.

Das Ergebnis unterm Strich wurde zuletzt auch wieder durch Steuerzahlungen gemindert. Wie weit reichen die Verlustvorträge noch?

Wir haben seit Gründung der Firma – nicht zuletzt aufgrund der historisch regelmäßig sehr teuren Auktionen von Mobilfunkspektrum – steuerliche Verlustvorträge in der Größenordnung von etwa 15 Mrd. Euro akkumuliert. Auf Basis der aktuellen Steuersätze erwarten wir im Rahmen der Mindestbesteuerung auf Jahre hinaus, bis zum vollständigen Verbrauch dieser Verlustvorträge, eine moderate Steuerbelastung von lediglich 12 bis 13%.

Wie übersetzt sich die Umsatz- und Ergebnisentwicklung in den Cashflow? Wird der Free Cashflow stärker steigen, nachdem nun die Netzintegration bewältigt ist, oder fallen dieses Jahr noch Restrukturierungskosten an?

Nein, wir haben die Integration tatsächlich erfolgreich abgeschlossen und bereits im Geschäftsjahr 2019 die vollen Synergien aus dem Merger geliefert. Restrukturierungskosten in nennenswerter Größenordnung gibt es nicht mehr. Nichts, was den Cashflow signifikant belastet. Aber natürlich hat die Netzaufrüstung ein massives Investitionsprogramm erfordert. Allein im vergangenen Jahr haben wir rund 1,3 Mrd. Euro investiert, und auch im laufenden Jahr werden es wieder deutlich über 1 Mrd. Euro sein, auch wenn wir die Investitionsspitze überschritten haben. 14 bis 15% vom Umsatz müssen wir gleichwohl als Capex für 2022 einstellen. Wir haben den Aufholprozess bei 4G abschlossen und gleichzeitig in 5G investiert. Da decken wir inzwischen mehr als 30% der Bevölkerung ab. Im laufenden Jahr sollen es 50% sein, und bis 2025 wollen wir weitest­gehend eine Komplettabdeckung erreichen.

Wird sich dann auch der Free Cashflow künftig in etwa parallel zum operativen Ergebnis entwickeln?

Im vergangenen Jahr war der Free Cashflow noch durch Sondereffekte getrieben. Wir haben den zweiten Teil des Verkaufserlöses für unsere passive Infrastruktur erhalten. Grundsätzlich haben wir das Ziel, die steigende Profitabilität auch in zusätzlichen Free Cashflow zu übersetzen. Parallel zum operativen Ergebnis vor Abschreibungen, also zum Ebitda, wird er sich nicht entwickeln können, da Leasingkosten nach IFRS16 darin nicht mehr abgebildet sind. Diese machen bei uns einen relevanten Betrag aus und werden perspektivisch auch noch steigen – zum einen durch den inzwischen abgeschlossenen Verkauf der Mobilfunktürme, zum anderen weil wir unser Netz weiter ausbauen und auch verdichten.

Wie groß war denn dieser Posten im vergangenen Jahr und mit welchem Anstieg ist zu rechnen?

2021 hatten wir Leasingkosten von 602 Mill. Euro, wobei hierin die zweite Tranche des Telxius-Verkaufs erst ab August enthalten ist. Dadurch und durch die Erfüllung unseres Anteils zur Schließung der weißen Flecken bei der Mobilfunkabdeckung ergibt sich im Geschäftsjahr 2022 ein weiterer Anstieg dieser Kosten.

Wird sich der erwähnte Sondereffekt im Free Cashflow auch direkt in der Dividende für 2021 niederschlagen?

Wir hatten ursprünglich für den laufenden Investitionszyklus einen Dividenden-Floor von 0,17 Euro je Aktie festgelegt und haben, nachdem wir den Verkauf der passiven Infrastruktur vereinbart hatten, auf 0,18 Euro je Aktie erhöht und zugleich dies als Untergrenze bis einschließlich 2023 festgelegt. Das heißt, dass wir alles, was wir aus diesem Deal verteilen wollen, bereits an die Investoren kommuniziert haben. Für 2021 schlagen wir deshalb erneut eine Dividende von 0,18 Euro je Aktie vor.

Können die Investoren in Zukunft mit mehr Dynamik bei der Festlegung der Ausschüttungshöhe rechnen?

Wir legen weiterhin Wert auf eine sehr gesunde Bilanzstruktur, wo wir derzeit mit einer Nettoverschuldung in Höhe des 1,3-fachen Ebitda sehr komfortabel aufgestellt sind. Deshalb zahlen wir strukturell nur eine Dividende, die aus dem Cashflow gedeckt ist. Allerdings haben wir mit der Untergrenze auch klar signalisiert, dass wir trotz Investitionen weiterhin eine attraktive Dividendenrendite bieten wollen. An­hand der Ergebnis- und Cashflow-Entwicklung prüfen wir aber kontinuierlich, ob wir neue Spielräume in der Dividendenpolitik ge­winnen.

Schütten Sie 100% des Free Cashflow aus, wenn keine anderen Verwendungszwecke ins Auge gefasst werden?

Wir hatten im vergangenen Jahr einen Cashflow von 900 Mill. Euro nach Leases. Davon kehren wir rund 535 Mill. Euro aus. Das heißt, durch den Einmaleffekt aus dem Verkauf der Mobilfunktürme haben wir uns ein Depot geschaffen.

Wie sieht denn die sonstige Finanzierungssituation aus? Bereiten Sie sich auf die sich abzeichnende Zinswende vor?

Wir haben 2021 einen Bond zurückgezahlt und Teile des Schuldscheindarlehens vorfällig getilgt, gleichzeitig aber auch das Darlehen der Europäischen Investitionsbank (EIB) über 450 Mill. Euro voll gezogen, weil es uns sehr gute Finanzierungskosten gibt. Während wir 2020 noch einen Durchschnittszins von 1,5% hatten, konnten wir diesen im vergangenen Jahr nochmals weiter senken. Außerdem haben wir variable Zinssätze damit weitgehend aus dem Portfolio eliminiert und nur noch Festzinssätze, so dass ein Zinsschritt der Zentralbank bei uns nicht spürbar durchschlagen kann. Die nächste große Refinanzierung steht bei uns erst mit der Fälligkeit des 600-Mill.-Euro-Bonds im Jahr 2025 an. Aber da ist es noch zu früh, um tätig zu werden.

Sie haben Ende 2019 auch eine Finanzierung mit einer ESG-Komponente abgeschlossen. Wie wirkt sich das aus?

Für uns ist das sehr wichtig. Wir haben das Thema ESG schon sehr früh, seit 2005, auf unsere Agenda gesetzt und sind in jüngster Zeit auch bei den einschlägigen Ratings vorangekommen. Der Erfolg spiegelt sich jetzt zum ersten Mal in den Finanzierungskosten wider. Ein Treiber für die Senkung der Zinslast ist tatsächlich, dass wir über diesen ESG linked Loan eine Zinsersparnis generieren, nachdem wir nun dieses Sustainalytics Rating bekommen haben. ESG ist damit nicht mehr länger nur „nice to have“, sondern spart echtes Geld.

Wie viel macht das aus?

Wir sparen mit den jüngsten Ratingverbesserungen einen sechsstelligen Euro-Betrag bereits bei den Bereitstellungskosten für diese Finanzierung.

Sie haben die Leasingkosten erwähnt. Inwiefern schlägt die derzeit erheblich gestiegene Inflation bei Telefónica Deutschland ins Kontor?

In Deutschland haben die Telekomnetzbetreiber nicht wie in Großbritannien oder Holland die Möglichkeit, gestiegene Preise direkt an die Kunden weiterzugeben. Dies kann nur über neue Produktportfolien und Neuverträge geschehen. Wir spüren Inflation deutlich in den gestiegenen Strompreisen. Allerdings haben wir unseren Strombedarf zu rund zwei Dritteln durch Forward Pricing abgesichert, das uns Konditionen weitgehend auf dem Niveau von 2021 beschert. Den Rest kaufen wir dazu. Einem potenziellen Lohnkostendruck haben wir ebenfalls vorgebeugt, durch entsprechende Gehaltsanpassungen über die Jahre, die wir inflationsunabhängig vorgenommen haben.

Wie sieht es mit den Leasingkosten aus?

Das ist in der Tat wwletzte große Treiber. Dabei ist die Situation unterschiedlich. Wir haben feste Mietverträge, Staffelmietverträge und auch solche, bei denen die Inflation durchgereicht wird. In Summe haben wir aber einen guten Portfoliomix, so dass wir mit einer temporären Inflation gut zurechtkommen sollten.

Wie groß ist denn der Anteil der Verträge, bei denen die Inflation durchgereicht wird?

Ich denke, wir haben hier einen branchenüblichen Anteil in unserem Portfoliomix, den wir aber in der Detailtiefe nicht veröffentlichen.

Werte heben hat in der Telekombranche Konjunktur. Telefónica Deutschland gehörte bei der Verwertung der Funktürme zu den Front-Runnern. Gibt es weiteres Tafelsilber, das den Verkauf lohnt?

Ich denke nicht, dass der Begriff Tafelsilber hier der Richtige ist, wenn wir uns weiter auf unser Kerngeschäft, Telekommunikationsservices, fokussieren. Aber wenn die Frage auf den Verkauf weiterer passiver Infrastruktur zielt: Für die verbliebenen Standorte von Mobilfunktürmen bietet sich ein Verkauf nicht an. Immobilien zum Verkauf haben wir nicht. Da setzen wir seit jeher auf Leasing.

Was ist aus den Daten-Geschäftsmodellen, die schon Thorsten Dirks als CEO propagiert hat, geworden?

Die Datenmonetarisierung ist in unserem streng regulierten Geschäft schwierig und auch nicht unsere Kernkompetenz. Was aber die Monetarisierung der Netze betrifft, schließen wir uns den Forderungen unserer Muttergesellschaft und der Wettbewerber an: Das Geschäft der großen US-Datenkraken läuft technisch auf unseren Netzen. Sie werden von den Konzernen immer mehr ausgelastet, ohne dass diese sich an den enormen Investitionen beteiligen. Da besteht Handlungsbedarf.

In der Telekombranche dreht sich derzeit wieder das M&A-Rad, es herrscht Konsolidierungsdruck in vielen Ländern. Hierzulande gibt es dagegen mit 1&1 Drillisch einen Neueinsteiger. Ist das für Telefónica Deutschland eine tragfähige Situation?

Also zunächst einmal hat sich an der Rationale, die zum Zusammenschluss von Telefónica Deutschland und E-Plus geführt hat, nichts geändert. Der Merger hat uns überhaupt erst in die Lage versetzt, in ein gemeinsames Netz so zu investieren, dass wir auf Augenhöhe mit den beiden großen Wettbewerbern kommen konnten. Bei 5G hat Deutschland nun erstmals drei gleichwertige Netzbetreiber. Ein neuer vierter Netzbetreiber, wie er in Deutschland entsteht, ist gegen den europäischen Markttrend. Aber wir akzeptieren und respektieren die Entscheidung und stellen uns dem Wettbewerb. Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass es allerdings auch Zeit und Kraft kostet, um selbst Netzbetreiber zu werden.

Einen spürbar anziehenden Wettbewerb erwarten Sie demnach in Kürze nicht?

Wir rechnen mit einem weiterhin dynamischen Marktumfeld, aber auch mit einem rationalen Umfeld. Deutschland ist einer der wenigen Märkte in Europa, der sowohl im Mobilfunk als auch im Festnetz wächst. Ich glaube, daran wollen alle festhalten.

Das Interview führte

BZ+
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