Trump mischt Markt für US-Kommunalanleihen auf
Trump mischt Municipal Bonds auf
Furcht vor Verlust von Steuervorteilen treibt US-Kommunalanleihe-Anleger um – Handelskrieg sorgt für ungewöhnliche Volatilität
xaw New York
Wer auf einer Fähre über den Lake Michigan gleitet oder auf einem Ausflugsboot den Chicago River hinabschippert, während kalter Wind über das Wasser pfeift und die Skyline der Windy City die Sonnenstrahlen reflektiert, der mag den Schmährufen aus Washington nicht glauben. „Schlimmer als Afghanistan“ sei Chicago, ereiferte sich US-Präsident Donald Trump schon während seiner ersten Amtszeit und erklärte die „Second City“ zum von Demokraten in den Ruin getriebenen urbanen Kriegsgebiet. Ähnlich äußert er sich regelmäßig über andere Großstädte, die nicht in republikanischer Hand sind: Philadelphia sei ein „Ort, an dem schlimme Dinge geschehen“, New York City befinde sich „im Verfall“. Dennoch tauchen die Kommunalanleihen beider Ostküstenmetropolen im persönlichen Portfolio des Präsidenten auf – ebenso wie Municipal Bonds von Chicago.
Präsident als Großinvestor
Aus Offenlegungen gegenüber dem für die Vermeidung von Interessenkonflikten zuständigen Office of Government Ethics geht hervor, dass Trump im vergangenen August mehr als 500 Kommunalanleihen im Gegenwert von bis zu 330 Mill. Dollar hielt. Ein hohes Gewicht liegt dabei in republikanisch dominierten Regionen, rund ein Drittel des Portfolios finanzieren staatliche und kommunale Emittenten in Texas und Florida sowie ihre Behörden, Versorger und Projekte – doch hält er Municipal Bonds aus allen 48 Staaten und unterstützt damit eben auch Bürgermeister und Stadträte, mit denen er regelmäßig im Clinch liegt. Vor allem aber ist Trump so mit durchaus großen Positionen in einem Markt vertreten, dem er in den vergangenen Monaten selbst schwer zugesetzt hat.

Der über 4 Bill. Dollar schwere Markt für US-Kommunalanleihen mit seinen nahezu 40.000 Emittenten gilt eigentlich als besonders sicher, die Papiere sind gerade bei vermögenden Investoren beliebtes Mittel für die Altersvorsorge. Attraktiv macht sie vor allem der Steuervorteil, den sie bieten: Zinserträge auf die Titel sind üblicherweise abgabenfrei. Ein Municipal Bond mit einer Rendite von 5% ist damit für Haushalte in der obersten Steuerklasse theoretisch genauso attraktiv wie ein zu versteuernder Titel – darunter fallen beispielsweise alle Unternehmensanleihen – mit einer laufenden Verzinsung von 7,7%. Für Einwohner von New York oder Kalifornien, die eine vergleichsweise hohe Abgabenlast zu tragen haben, fällt der Vorteil sogar noch höher aus.
Furcht vor Statuseinbußen
Doch geht die Furcht um, dass die Trump-Administration gerade diesen Bonus bald ausradieren wird. Denn einerseits laufen einige Steuersenkungen aus dem während der ersten Amtszeit des Republikaners 2017 verabschiedeten Tax Cuts and Jobs Act zum Jahresende aus – und Washington sucht nach Wegen, um die für Unternehmen und Bürgern mit hohem Einkommen freundlichen Maßnahmen zu verlängern oder sogar auszuweiten. In einem im Januar verbreiteten Dokument aus dem Haushaltsausschuss des Repräsentantenhauses sind rund 200 Möglichkeiten aufgelistet, um dies zu finanzieren – darunter auch eine „Eliminierung der Zinsausnahmen für staatliche und lokale Bonds“. Das Komitee geht davon aus, dass ein solcher Schritt über zehn Jahre 250 Mrd. Dollar in die Bundeskassen spielen würde.
Dass Trump und die Republikaner im Kongress einen solchen Schritt auch umsetzen, gilt zwar nicht gerade als wahrscheinlich. Schließlich dringen sie auf eine stärkere Selbstständigkeit der Bundesstaaten – und Municipal Bonds sind für diese ein entscheidendes Mittel, um ihre Abhängigkeit von Subventionen aus Washington zu reduzieren. Ein Wegfall der Steuerfreiheit und damit eine abnehmende Attraktivität der Kommunalanleihen würde die Finanzierungskosten von Bundesstaaten und Gemeinden laut der Interessenvertretung Public Finance Network über eine Dekade um 824 Mrd. Dollar treiben. Dies würde für Haushalte gemäß Prognosen des Verbands wiederum lokale Steuererhöhungen von 6.555 Dollar nach sich ziehen.
Einschläge in Subsegmenten erwartet
Doch obwohl Abgeordnete im Repräsentantenhaus betonen, sich der Bedeutung von Municipal Bonds für Finanzierungen wichtiger Projekte in ihren Heimatbezirken bewusst zu sein: Die Unsicherheit und Trumps in den Augen vieler Investoren erratisches Auftreten auf anderen Politikfeldern reichen bereits aus, um den Markt in Turbulenzen zu stürzen.
Und selbst wenn jüngste Haushaltsrahmenwerke aus dem Kongress geringere föderale Steuersenkungen beinhalten als zunächst angepeilt und eventuell nicht alle Municipal Bonds ihren Sonderstatus verlieren, gelten doch Einschläge in mehreren Subkategorien als wahrscheinlich – zum Beispiel bei Anleihen zur Finanzierung kommunaler Projekte wie Flughäfen, Universitäten oder Sportarenen. Und geplante Kürzungen der Republikaner beim Krankenversicherungsprogramm Medicaid drohen Krankenhausbonds hart zu treffen, die in vielen Benchmarks für die Anleihekategorie Gewichte von bis zu 10% einnehmen.

Die Rendite des Bloomberg Municipal Index erreichte mit 4,5% zuletzt den höchsten Stand seit 15 Jahren. ETFs wie der iShares National Muni Bond, die den Markt abbilden, haben im bisherigen Jahresverlauf Stand Handelsschluss Mittwoch 1,14% an Wert verloren. Dagegen hat der iShares Core US Aggregate Bond – ein Indexfonds auf versteuerungspflichtige Anleihen – laut dem Datendienst Refinitiv Lipper bisher um 2,44% zugelegt. Auch im Vergleich mit US-Staatsanleihen schätzen Investoren Municipal Bonds inzwischen als weniger sicher ein: Kommunaltitel mit „AAA“-Rating und Fälligkeit von 30 Jahren warfen im April zeitweise genauso hohe Renditen ab wie lang laufende Treasuries, normalerweise stehen die laufenden Verzinsungen im Verhältnis von rund 85 zu 100.
Dabei stehen Amerikas Städte und Gemeinden vor hohem Finanzierungsbedarf. Im abgelaufenen Quartal lag das Emissionsvolumen bei Municipal Bonds bei über 120 Mrd. Dollar, dies bedeutete einen Anstieg um 16% zum Vorjahr. Die Aktivität hat gerade seit dem zweiten Viertel 2024 angezogen, Staaten und Gemeinden nahmen allein in den letzten neun Monaten des vergangenen Jahres fast 410 Mrd. Dollar auf. Der Großteil entfällt dabei auf frisches Kapital, dass die Emittenten benötigen, um aufwendige Infrastrukturprojekte stemmen zu können.
Handelspolitik sorgt für Druck
Die traditionell größte Gruppe an Zeichnern sind Individualanleger, für die sich die finanziellen Konditionen infolge der protektionistischen Handelspolitik Washingtons aber stark eingetrübt haben. Unterdessen sind Dealer an der Wall Street keine begeisterten Abnehmer von Kommunalanleihen, weil diese gegenüber anderen Assets wie Junk Bonds niedrigere Renditen bieten und dennoch auf die Fremdkapitalquoten ihrer Banken durchschlagen.
Finanzdienstleister wie Robert W. Baird, die selbst mit Fonds im Markt für Municipal Bonds aktiv sind, bewerben den Renditeanstieg nun dennoch als Einstiegsgelegenheiten – Investoren könnten sich die bestehenden Steuervorteile der Papiere derzeit sichern, ohne im Gegenzug einen Renditeabschlag in Kauf nehmen zu müssen. Doch bestehen noch immer ungewöhnliche Volatilitätsrisiken in dem eigentlich für seine Stabilität gerühmten Segment. So haben die jüngsten, durch Washingtons Strafzölle gegen Handelspartner ausgelösten Turbulenzen in anderen Assetklassen wie Aktien bei vielen Investoren zu einem akuten Liquiditätsbedarf geführt. Folglich schmissen sie auch als hoch sicher eingestufte Bonds aus den Portfolios.
Sorge vor Dollar-Abwertung
Darüber hinaus ruft Trumps Politik beim Internationalen Währungsfonds (IWF) Sorgen um die Finanzstabilität wach. Berater des Präsidenten drängen auf eine Dollar-Abwertung, die im Greenback denominierte Anleihen sowohl für internationale wie auch inländische Investoren weniger attraktiv machen würden. Die Federal Reserve widersetzt sich dem Druck Trumps noch und hält vorerst an ihren hohen Zinsniveaus fest. Doch geldpolitische Lockerungen im weiteren Jahresverlauf könnten die Steuervorteile von Municipal Bonds laut Analysten auch ohne politische Maßnahmen aus Washington eindämmen. Damit stehe noch ungewöhnlicher Wirbel am Markt – und in Trumps Anleiheportfolio – bevor.
Municipal Bonds gelten eigentlich als äußerst sichere Assets, die gegenüber anderen Anleihen zudem mit Steuervorteilen punkten. Doch Donald Trump und die Republikaner im Kongress rütteln nun an diesem Status – zugleich sorgt Washingtons Zollpolitik für ungewöhnliche Turbulenzen bei Kommunalanleihen.