Assetmanagement

Private Märkte kommen aus der Nische

Zeitenwende bei Fonds: Die Bewertungen sind ins Rutschen geraten. Anleger hoffen auf Renditen jenseits der steigenden Inflation. Private Firmenbeteiligungen könnten Fondsmanagern dazu verhelfen.

Private Märkte kommen aus der Nische

So mancher Aktienfondsmanager wird Anfang des Jahres neidvoll auf die Performance geblickt haben, die Beteiligungsgesellschaften mit nichtbörsennotierten Anteilen an Firmen wie Klarna oder Stripe erzielen konnten. Unternehmen lassen sich mit ihren Börsengängen immer länger Zeit. Die großen Gewinne streichen ihre Risikokapitalgeber ein. Seitdem die Zinsen steigen, wachsen zwar auch an den vergleichsweise undurchsichtigen Private Markets die Bäume nicht mehr in den Himmel. Doch sieht man dort, wo – zumindest theoretisch – geduldiges Kapital nach Anlagemöglichkeiten sucht, meist nicht die Volatilität, die 2022 an den Börsen zu beobachten war. Zudem tun sich durch die jüngste Korrektur bereits wieder erste Chancen auf. Die Bewertungen sind nicht mehr ganz so hoch. Die Verknappung der Liquidität durch die Notenbanken hat dazu geführt, dass Anleger sie wieder mehr zu schätzen wissen. „Manche Gründer glauben vielleicht, dass sie schon erhebliche Zugeständnisse beim Preis machen, aber sie haben noch einen weiten Weg vor sich“, sagte der Chef der Private-Markets-Abteilung eines Vermögensverwalters.

Rechtlich wäre es für Fondsmanager wohl kein Problem, dem Portfolio private Unternehmensbeteiligungen beizumischen. Das deutsche Kapitalanlagegesetzbuch bietet dafür Möglichkeiten, auch die europäischen Ucits-Regeln stehen dem nicht im Wege. Doch wird die Handlungsfreiheit der Fondsmanager bei vielen Produkten stark eingeschränkt. Sie dürfen nur in bestimmte Wertpapierklassen, Branchen oder Länder investieren. Vom Mainstream sind die Private Markets also noch weit entfernt. Und private Firmenbeteiligungen bergen ihre ganz eigenen Herausforderungen, wie der ehemalige britische Star-Fondsmanager Neil Woodford feststellen musste. Er hatte einen so großen Teil seines „LF Woodford Equity Income Fund“ in illiquide Anlagen gesteckt, dass er vor drei Jahren nicht ausreichend Geld mobilisieren konnte, um alle Kunden auszuzahlen, die ihre Anteile zurückgeben wollten. Der Fonds wurde abgewickelt, Woodfords Ruf war zerstört.

„Geduldiges Anlagekapital für ungewisse Gewinne in der Zukunft zur Verfügung zu stellen oder die langfristige Zukunft von Wachstumsfirmen zu finanzieren, ist nicht das, woran die meisten Investoren interessiert sind“, sagt Stewart Heggie, Commercial Director beim schottischen Vermögensverwalter Baillie Gifford, als dessen Flaggschiff der „Investment Trust Scottish Mortgage“ gilt. Doch die Zahl der Anlagevehikel am Markt, die Zugang zu den enormen Renditen bekommen wollen, die man sich von den Private Markets verspricht, hat stark zugenommen. In den USA gab es viele Spacs (Special Purpose Acquisition Companies). „Ein Problem dabei ist, dass es dadurch eine Menge Eigentümer privater Firmen gibt, die dafür nicht unbedingt geeignet sind“, sagt Heggie. „Man muss sehr viel Geduld haben und langfristig orientiert sein.“

Vor zehn Jahren erwarb Scottish Mortgage ihre erste private Beteiligung: einen Teil der Beteiligung an Alibaba, von der sich das US-Internetunternehmen Yahoo nach einem Streit mit Gründer Jack Ma über den Spin-off des Zahlungsabwicklers Alipay trennen wollte. Mittlerweile kann der Trust bis zu 30 % seines Werts in private Beteiligungen investieren. Die durchschnittliche Haltedauer beläuft sich auf rund ein Jahrzehnt. „Gründern fallen solche Dinge auf“, sagt Heggie. „Sie sehen uns als Investor, der ähnliche Interessen hat wie sie. Für uns bedeutet das, dass wir von besseren Einsichten, en­geren Beziehungen profitieren können. Wichtig ist, dass man Firmen einfach weiter halten kann, selbst wenn sie am Ende an die Börse gehen – und Investment Trusts ermöglichen das.“

Eine positive Eigenschaft dieser Vehikel besteht darin, dass Anleger ihre Anteile einfach über die Börse verkaufen können, ohne dass Beteiligungen veräußert werden müssen, um sie auszuzahlen. Und sie haben im Vergleich zu Fonds noch einen weiteren Vorteil: Ein Trust ist eine Firma und kann sich Geld leihen. „Im Falle von Scottish Mortgage versuchen wir, das Gearing bei 10 % zu halten“, sagt Heggie. „Das ist ein sehr vorsichtiger Ansatz. Wir haben im Januar 400 Mill. Dollar aufgenommen. Das waren Schulden mit einer Laufzeit zwischen 25 und 40 Jahren. Die Zinskosten be­laufen sich auf rund 2 %. Wenn wir in diesem Zeitrahmen im Schnitt keine 2 % erwirtschaften, sollten wir wahrscheinlich ohnehin aufgeben.“

Zur Natur illiquider Märkte gehört, dass man nicht mehr aussteigen kann, wenn bei einem Portfoliounternehmen etwas schiefläuft. „Wir akzeptieren, dass wir bei manchen Firmen, in die wir investieren, unser ge­samtes Kapital verlieren könnten“, sagt Heggie. Scottish Mortgage hat ihm zufolge in den vergangenen 20 Jahren in 680 Unternehmen investiert. Davon haben 282 Wert vernichtet, 398 haben diese Wertvernichtung ausgeglichen. Das sind 91 %. „Und die restlichen 69 Firmen (9 %) haben uns insgesamt eine Verzwölffachung des in­vestierten Kapitals er­möglicht“, sagt Heggie. „Das sind die Unternehmen, die wir suchen.“ Da­bei konzentriert sich die Ge­sellschaft auf etablierte Wachstumsunternehmen, die Kapital für ihre nächsten Schritte brauchen. „Early-Stage-Ivestments überlassen wir anderen“, sagt Heggie. Für die Firmen macht es keinen großen Unterschied, ob sie einen Börsengang vorbereiten oder einen Finanzinvestor mit ins Boot holen. Bei der Transparenz machen private Investoren in diesem Entwicklungsstadi­um eines Unternehmens keine Abstriche mehr. „Die Private Markets an­zuzapfen, ist leichter ge­sagt als getan“, sagt Andrew Briscoe, Head of EMEA ECM Syndicate bei Bank of America.

„Die Finanzierungskonditionen haben sich dramatisch verändert. Geschäftsmodelle, die auf niedrige Fremdkapitalkosten angewiesen sind, werden in naher Zukunft wahrscheinlich keinen Erfolg haben, und daher wird es entscheidend sein, nach Möglichkeiten in wachstumsstarken, innovativen Sektoren zu suchen“, sagt Will Nicoll, Chief Investment Officer Private & Alternative Assets bei der Fondsgesellschaft M&G. „Wie immer macht ein bisschen Bewegung das Marktgeschehen interessanter. Wenn man von einer Zeit extrem niedriger Zinsen in eine Zeit wechselt, in der sie höher sein werden, aber keiner weiß wie hoch, dann bringt das ein paar sehr interessante Chancen hervor.“

Die steigenden Zinsen haben dazu geführt, dass die Bewertungen vieler Firmen deutlich zurückgegangen sind. „Wir werden herausfinden, wer wirklich ein Geschäft hat, das funktioniert“, sagt Wise-Finanzchef Matt Briers. „Wenn man sich die Liste der vielen tausend Wachstumsunternehmen im Technologiebereich weltweit da­raufhin ansieht, wer profitabel ar­beitet, kommt man auf vielleicht 20.“ Das auf grenzüberschreitende Zah­lungen spezialisierte Fintech-Unternehmen ist in London per Direktlisting an die Börse gegangen. Seitdem ist der Kurs erheblich unter Druck ge­raten. „Ich glaube, dass man sehr viel mehr Disziplin bei den Risikokapitalgebern sehen wird, und gleichzeitig werden Firmen nun einen größeren Fokus auf Pro­fitabilität legen“, sagt Briers. „Einige werden sie überleben, andere nicht, etwa solche, die dachten, noch ein paar Jahre Zeit zu haben, um die Ge­winnschwelle zu erreichen.“

Private Unternehmensbeteiligungen entsprechen dem gängigen Mantra­ der Langfristigkeit. Man kann damit auch längere­ Phasen der Marktvolatilität aussitzen. Die Private Markets haben aber noch mehr zu bieten: Infrastruktur, Immobilien und Privatkredite etwa. Man darf davon ausgehen, dass sie früher oder später Eingang in viele Portfolios finden werden – vorausgesetzt, das Mandat des Fondsmanagers ist weit genug gefasst. Will man damit Erfolg haben, braucht man aber ganz andere Kenntnisse als für Anlagen, die man mit einem Knopfdruck kaufen und ebenso schnell wieder verkaufen kann.

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