Paul Jackson, Invesco

„Dieses Jahr wird deutlich besser“

Die Kapitalmärkte werden sich in diesem Jahr erholen und klar besser abschneiden als 2022, sagt Paul Jackson, Marktstratege bei Invesco. Die US-Inflationsrate wird zurückgehen und die Fed wird im zweiten Halbjahr die Zinsen senken. Jackson erwartet den Dollar schwach und rät zu Anlagen in den Emerging Markets.

„Dieses Jahr wird deutlich besser“

Von Werner Rüppel, Frankfurt

Das Jahr 2022 war ein schreckliches an den Finanzmärkten mit hohen Verlusten sowohl bei Aktien als auch Anleihen. „Das Schlimmste ist vorbei. Die Märkte werden sich 2023 erholen und dieses Jahr wird für Anleger deutlich besser verlaufen als vergangenes Jahr“, erklärt Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research bei Invesco, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Die Inflation wird in den USA in diesem Jahr deutlich zurückgehen“, sagt Jackson. „Die Fed wird daher spätestens ab Jahresmitte ihre Leitzinsen nicht mehr anheben und im zweiten Halbjahr sogar wieder senken.“ Jackson ist überzeugt: „Die Ausgangssituation sowohl für die Aktien- als auch für die Anleihenmärkte ist derzeit wesentlich günstiger als vor Jahresfrist.“

Doch der Reihe nach. Warum sind die Märkte im vergangenen Jahr so massiv eingebrochen? „Wir hatten in vieler Hinsicht eine Bubble, eine echte Finanzblase, die sich über Jahre aufgebaut hat“, erläutert Jackson. „Die großen Notenbanken haben die Zinsen massiv gesenkt, teilweise sogar bis hin zu negativen Zinsen, Wertpapiere angekauft und die Geldmenge ausgeweitet in einem Ausmaß, wie wir es zuvor in den vergangenen Jahrzehnten noch nie gesehen haben.“ Vor diesem Hintergrund habe sich die Bewertung von Risikoaktiva wie zum Beispiel Bitcoin oder FANG+-Aktien massiv erhöht, die Zinsen von Staatsanleihen seien deutlich gesunken und auch die Credit-Spreads hätten sich massiv eingeengt.

„Der deutliche Markteinbruch im vergangenen Jahr erklärt sich zum einen aus der Finanzblase, die sich aufgebaut hat“, sagt Jackson. „Dann ist es zum anderen, für die Märkte überraschend, zu dem deutlichen Anstieg der Inflation gekommen und die Notenbanken haben natürlich darauf reagieren müssen.“ Insgesamt seien die Bedingungen für die Finanzmärkte vor Jahresfrist jedenfalls unvorteilhaft und gefährlich gewesen.

Die Erwartung an eine Erholung an den Märkten macht Jackson nun an dem von ihm erwarteten Rückgang der Inflationsrate sowie an der inzwischen in vielen Marktsegmenten deutlich attraktiveren Bewertung als vor Jahresfrist fest. „Der deutliche Rückgang der Inflation wird es den Märkten erlauben, über eine durchaus mögliche Rezession hinauszuschauen.“ Allerdings geht Jackson auch nicht davon aus, dass sich alle Assetklassen erholen werden.

„Die Kerninflation wird in den USA 2023 deutlich zurückgehen und auch die Headline-Inflation wird klar zurückgehen“, erwartet Jackson. Als Gründe dafür führt er die drastische Verlangsamung der Geldmenge M2 sowie die wirtschaftliche Abschwächung in den USA an. „Inflation ist immer auch ein zyklisches Phänomen“, erklärt Jackson. „Auch Lohnsteigerungen sind ein zyklisches Phänomen, in den USA haben die Stundenlöhne bereits begonnen, langsamer zu wachsen.“ Eine weitere Entspannung erwartet Jackson auch bei den Energiepreisen und auch bei den Gaspreisen in Europa. Dort habe es durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine einen Schock durch die hohe Abhängigkeit Deutschlands von Russland gegeben, doch habe Deutschland inzwischen reagiert. „Abgesehen vom Wetter, das natürlich immer für kurzfristige Schwankungen sorgt, wird der Gaspreis von der Tendenz her weiter fallen.“

„Für viele Marktteilnehmer wäre der Rückgang der Inflation eine große und positive Überraschung“, so Jackson. „Dabei kann die Headline-Inflation sogar in einem bestimmten Monat auf 0% fallen.“ Die Fed werde vor diesem Hintergrund bereits im zweiten Halbjahr ihre Leitzinsen senken. „Die EZB befindet sich stärker hinter der Kurve“, meint Jackson. „Sie wird länger als die Fed die Leitzinsen anheben und wahrscheinlich im zweiten Halbjahr das Zinshoch erreichen. Senken dürfte die EZB dann wohl erst 2024.“ Aber auch für die Eurozone geht Jackson davon aus, dass die Inflationsrate deutlich zurückgeht.

Vor allem weil die US-Inflationsrate zurückgehen dürfte und weil die Fed ihre Leitzinsen im Jahresverlauf senken dürfte, geht Jackson davon aus, dass sich der Dollar insbesondere gegenüber dem Euro und dem Yen abschwächen dürfte. „Gegenüber dem Euro hat sich der Dollar ja zuletzt bereits merklich abgeschwächt“, so Jackson. „Insofern kann es auch vorübergehend zu einer Gegenbewegung kommen. Doch ist das Momentum des Dollars weiter in Richtung Abschwächung gerichtet.“ Gegenüber dem Yen könne sich der Dollar bis auf ein Niveau von 115 Yen abschwächen. „Davon wäre ich nicht überrascht“, so Jackson.

Welche Assetklassen und welche Märkte favorisiert nun der Invesco-Investmentexperte für 2023? „Invested Credit und High Yield habe ich in unserem Modellportfolio übergewichtet“, sagt Jackson. Auch in Gold ist er übergewichtet sowie bei US-Immobilienaktien. Investmentchancen sieht Jackson vor allem in den Schwellenländern, bei den Emerging-Markets-Assets. „Diese profitieren neben einer günstigen Bewertung insbesondere auch von einer Abschwächung des Dollars“, sagt Jackson.

In diesem Zusammenhang rechnet der Invesco-Experte für 2023 insbesondere mit einer Outperformance chinesischer Aktien, da Chinas Abkehr von seiner Null-Covid-Politik eine Rückkehr zu einer gewissen Normalität verspreche. Trotz Sorgen über stark steigende Infektionen seien chinesische Aktien in den vergangenen Monaten gut gelaufen, ein Trend, der sich 2023 fortsetzen könne. Mit einem zyklusbereinigten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 14,7 seien chinesische Aktien Ende 2022 deutlich niedriger bewertet gewesen als im historischen Durchschnitt (25,9) und als US-Aktien (30,8) und indische Aktien (37,6). Zudem spreche einiges dafür, dass sich die chinesische Wirtschaft im Jahr 2023 dynamischer entwickeln wird als die Wirtschaft in den USA und Europa, nachdem China Anfang 2022 in eine Rezession gerutscht sei und die chinesische Zentralbank ihre Geldpolitik lockere.

Nach Meinung von Jackson könnten sich Anleiheanleger in diesem Jahr mit einer Allokation in ukrainische Staatsanleihen gegen den Konsens positionieren und möglicherweise attraktive Renditen erzielen.

Und wo bestehen Risiken? Energietitel hat der Investmentexperte untergewichtet. Auf der negativen Seite rechnet Jackson mit einem weiteren Verlustjahr für die zehn Wachstumsaktien, die den Nyse FANG+ Index bilden. Das „Mania Template“ von Invesco, das den typischen Verlauf von Marktmanien anhand historischer Erfahrungswerte nachzeichnet, lege nahe, dass in den zwölf Monaten nach dem Höhepunkt einer typischen Spekulationsblase ein Verlust von 45% üblich ist. Wie Jackson erklärt, folgte der Rückgang des Nyse FANG+ im Jahr 2022 weitgehend diesem Muster. Außerdem signalisiere das Template, dass es in der Regel weitere zwei Jahre dauert, bis die Luft aus der Blase vollständig entwichen ist, was typischerweise mit einem weiteren Kursrückgang um 20% bis 30% verbunden sei.

„Ein weiteres Verlustjahr für den Nyse FANG+ Index mag eine kühne Prognose sein, insbesondere wenn unsere Erwartung eines Rückgangs der Anleiherenditen im Jahr 2023 eintrifft. Spekulationsblasen gehen aber in der Regel mit einem Überangebot an Krediten einher, wie es 2021 auch der Fall war. Daher spricht das inzwischen praktisch bei null liegende US-Geldmengenwachstum meiner Ansicht nach auch für einen weiteren Abbau dieser Blasen“, so Jackson.

Und was ist mit dem Krieg in der Ukraine? „Ich bin mir nicht sicher, ob ein Ende des Krieges noch einen großen Effekt auf die Finanzmärkte insgesamt hätte“, sagt Jackson, gleichwohl natürlich ein baldiges Ende des Krieges zu begrüßen sei. Europa habe viel getan, um bei Energie und Gas unabhängig von Russland zu werden. Dies sei natürlich positiv zu bewerten und ein großer Fortschritt, auch wenn noch viel zu tun sei.

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