Nachhaltigkeit

Sustainability krempelt Finanzwelt um

Der Weg zu einer nachhaltigen Finanzwelt wird dazu führen, dass es zahlreiche neue Finanzprodukte geben wird. Wichtig wird zudem die internationale Zusammenarbeit etwa von Pensionsfonds.

Sustainability krempelt Finanzwelt um

Von Kai Johannsen, Luxemburg

Sustainable Finance boomt an den internationalen Finanzmärkten und wird diesen Boom nach Einschätzung von Marktteilnehmern, dem Großteil der Analystenschar und Emittenten und Anbietern von Kapitalanlageprodukten wie Assetmanagern und Banken im den kommenden Jahren fortsetzen. Die Covid-19-Krise hat dem Segment einen enormen Schub verliehen. Abzulesen ist das etwa an sogenannten Social Bonds. Hiermit werden soziale Programme finanziert. Die Europäische Union (EU) ist im Herbst mit den Social Bonds zur Finanzierung des Sure-Programms – damit werden Kurzarbeiterprogramme in Mitgliedstaaten unterstützt – aufgetreten und traf auf eine enorme Nachfrage von mehr als 230 Mrd. Euro. Das zeigte, welchen Stellenwert der Aspekt „sozial“ mittlerweile an den Kapitalmärkten angenommen hat. Seitdem treffen die EU-Bonds regelmäßig auf prall gefüllte Orderbücher. Über Platzierungsschwierigkeiten für Bonds, mit denen Krisenmaßnahmen finanziert werden, müssen sich die Verantwortlichen bei der EU offenkundig keinerlei Sorgen machen.

Hervorragende Resonanz

Aber es sind nicht nur die Social Bonds der EU, die gut am Markt platziert werden können. Auch entsprechende Papiere anderer Emittenten, deren Erlöse einem konkreten Verwendungszweck zugeführt werden, finden regelmäßig nicht nur eine ausreichende Nachfrage, sondern durch die Bank weg betrachtet eine sehr gute bis hervorragende Resonanz seitens der Investoren. Das Debüt des Bundes mit den grünen Bundesanleihen ist ein weiteres dieser Beispiele. Im September standen die Anleger bei der Deutschen Finanzagentur, die das Bund-Schuldenmanagement verantwortet, ebenfalls Schlange, um ihre Orders abzuliefern. In der Krise sind zudem viele andere Debüt-Emittenten mit grünen, sozialen oder nachhaltigen bzw. nachhaltigkeitsgebundenen Anleihen an den Markt gekommen und haben ebenfalls eine sehr rege Investorenresonanz erlebt. Knappe Platzierungsergebnisse oder gar erfolglose Platzierungen muss man mit der Lupe suchen wie die buchstäbliche Nadel im Heuhaufen.

„Grüne Pendants“

Es wird in den nächsten Jahren noch viele neue grüne und nachhaltige Produkte geben, um den Übergang in eine nachhaltige Welt zu finanzieren. So geht etwa Michael Jantzi, Gründer und Chief Executive Officer der Nachhaltigkeitsratingagentur Sustainalytics, davon aus, dass wohl praktisch jedes konventionelle Kapitalmarktprodukt ein grünes Pendant erhalten wird. Viele Markteilnehmer sehen das recht ähnlich. Ein guter Absatz von neuen grünen Produkten, mit den Umweltschutz- und Klimaprojekte finanziert werden, oder Social Bonds für soziale Aspekte oder Nachhaltigkeitsbonds, die grüne und soziale Aspekte miteinander in der Finanzierung kombinieren, dürfte in Zukunft weiterhin gut am Markt unterzubringen sein.

Gerade die Anlegergruppe der Millennials, also Personen mit einem Geburtsjahrgang einige Jahre vor der Jahrtausendwende, legen einen besonderen Wert auf zweckgebundene, nachhaltige Anlagen. So berichtete etwa Deborah Zurkow, Global Head of Investments beim global tätigen Assetmanager Allianz Global Investors (AGI), dass es für ihre Kinder in der Geldanlage nur eine nachhaltige Rendite gibt, aber eben keine rein finanzielle Rendite mehr, selbst wenn die nachhaltige Rendite 1, 2 oder 3 Prozentpunkte, was schon enorm in Zeiten von Null- und Negativzinsen ist, unter der konventionellen finanziellen Rendite liegen sollte.

Risiken immer im Blick

Und wer in jungen Jahren bereits einen derartigen Ansatz fährt, wird vermutlich nicht in ein paar Jahren auf das Gegenteil umschwenken. Das ist selbst dann für viele im Markt schwer vorstellbar, wenn die Märkte für eine gewisse Zeit von einem Greenwashing-Skandal heimgesucht werden sollten. Wobei ein solcher Skandal natürlich immer auch einen herben Rückschlag für einen Markt bedeutet, den es erst knapp anderthalb Jahrzehnte gibt, zumal wenn es sich um bekanntere Adressen und nicht kleine Namen handeln sollte, bei denen er auftritt. Derartige Green- oder Social-Washing-Skandal-Risiken haben die Verantwortlichen, die den Markt regulatorisch weiterentwickeln, immer fest im Blick.

Und das Risiko solcher Skandale lässt sich zudem minimieren. Ausbildung, einheitliche Reporting-Standards – wie sie Jantzi vorschlägt – für grüne, soziale und nachhaltige Investments bzw. Ausrichtungen und Projekte von Unternehmen, Banken und öffentlichen Institutionen sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin. Es wird wahrscheinlich noch eine Zeit lang dauern, bis alle so akribisch genau über ihre grünen und nachhaltigen Investments berichten wie etwa die im Großherzogtum Luxemburg beheimatete Europäische Investitionsbank (EIB) unter ihrem Präsidenten Werner Hoyer, dem das Thema sehr am Herzen liegt und der sich beispielsweise sehr für die entsprechende EU-Taxonomie für Green Finance immer wieder starkgemacht hat und macht. Es müsse ja verhindert werden, dass jemand einfach nur einen Bond grün anstreicht, sagte er mal in dieser Zeitung. Die EIB ist der Pionier der Green Bonds, die sie 2007 aus der Taufe hob.

Engagement wird zentral

Das Risiko von Green- oder Social Washing wird aber auch noch über einen anderen Weg minimiert, und das ist das Engagement. Institutionelle Anleger treten dabei mit Emittenten wie Unternehmen in Kontakt und machen sich dort für Veränderungen in grüner und nachhaltiger Hinsicht stark, aber eben in persönlichen Gesprächen. Vorstände werden dann überzeugt, sich für den nachhaltigen Weg in ihrem Unternehmen einzusetzen, und zwar dauerhaft und nicht nur mit ein oder zwei Projekten. Dass das ein mühsamer Weg ist, liegt auf der Hand, nicht alle sind von der Sinnhaftigkeit immer gleich überzeugt. Richard Gröttheim, CEO des schwedischen Pensionsfonds AP7, bei dem mehr als vier Millionen Schweden ihre Pensionsansprüche verwalten lassen, konstatiert zu Recht, dass Kooperationen von Pensionsfonds durchaus ein guter Weg sind, um Unternehmen noch mehr auf diesen nachhaltigen Weg zu bringen.

Green Bonds reichen nicht

Dass grüne Anleihen allein nicht reichen, um die grüne Welt zu realisieren, hält Yves Mersch, ehemaliges Mitglied des geldpolitischen Rates der Europäischen Zentralbank (EZB), fest. Die Notenbanken haben durchaus auch ihren Anteil daran, an der grünen Finanzmarktwelt mitzuarbeiten. So könnten grüne Elemente in die (quantitative) Geldpolitik aufgenommen werden. Anna Breman, stellvertretende Gouverneurin der schwedischen Zentralbank Riksbank, macht vor, wie das geht. Die Zentralbank hat ebenfalls begonnen, in der Krise das Quantitative Easing auf andere Assetklassen neben Staatsanleihen auszuweiten. Unternehmensanleihen kauft die Riksbank nun auch, und sie misst dann ebenfalls, welchen CO2-Fußabdruck die Riksbank über ihre Bilanzpositionen hinterlässt. Mit der Entscheidung in der Zukunft, diesen Fußabdruck zu reduzieren, wird es wohl oder übel dazu kommen, dass bestimmte Bonds von Unternehmen, die im Wesentlich noch braun ausgerichtet sind, dann nicht mehr gekauft werden. Die Konsequenzen werden sich Unternehmen auf Dauer schon überlegen müssen. Ein gewisser Disziplinierungszwang, in Richtung grün und nachhaltig zu gehen, entsteht über dieses Verhalten und Vorgehen der Riksbank. Eine internationale Zusammenarbeit der Zentralbanken und Aufsichten erfolgt bereits über das Network of Central Banks and Supervisors for Greening the Financial System (NGFS). Von diesem Network wird künftig noch einiges an Vorschlägen zur Verbesserung und an Aktionen zu erwarten sein.

Widerstand wird abnehmen

Der Widerstand von Unternehmen – davon gehen Marktteilnehmer aus –, sich nicht stärker grün oder nachhaltiger auszurichten, wird in den kommenden Jahren sukzessive abnehmen. Dafür sorgt Engagement, aber auch die Tatsache, dass grüne Anleihen ein sogenanntes Greenium aufweisen – zusammengesetzt aus den Begriffen Green und Premium. Das bedeutet: Anleger sind bereit, eine Prämie (einen höheren Anleihepreis) zu bezahlen, wenn sie wissen, dass ihr Geld grün oder eben nachhaltig investiert wird. Für die Unternehmen bedeutet das, sie können sich über Green Bonds günstiger für solche Projekte finanzieren, denn die zu begleichende Rendite der grünen Papiere liegt unter der Rendite der nichtgrünen Schuldtitel.

Beim Bund macht dieses Greenium im zehnjährigen Laufzeitenbereich immerhin einige Basispunkte aus. Da die Renditen beim Bund über den größten Teil der Laufzeitenpunkte im negativen Bereich liegen, heißt dies, die Anleger sind bereit, eine noch höhere „Parkgebühr“ für ihr Geld als bei den nichtgrünen Bundesanleihen zu zahlen. Zugegeben: Bis zur Renditedifferenz von 1 oder mehr Prozentpunkten ist es für den Markt noch ein weiter Weg. Für Unternehmen wird das auch bedeuten, dass die rein nur grün angestrichene Kommunikation dann immer weniger Sinn macht und sukzessive einer überzeugenden Ausrichtung weichen wird. Das trägt auch zur Reduktion des Green- oder Social-Washing-Risikos bei.

Die Ausrichtung zu mehr Sustainability in einzelnen Ländern auf Staatsebene, bei Unternehmen und anderen Institutionen wird mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten ablaufen. Einige Länder werden Vorreiter sein, andere aber das Nachsehen haben und Jahre hinterherhinken. Bekanntermaßen haben die Benelux-Staaten und auch Schweden und Norwegen das Thema schon einige Jahre länger im Blick. Andere finden aber auch langsam den Anschluss.

Reiche Länder im Vorteil

Klar ist für viele im Markt auch, dass ärmere Länder mit höheren Arbeitslosenquoten eben auch noch mit anderen Problemen konfrontiert sind als reichere Länder. Es ist Menschen, die keine Arbeit haben, schwer klarzumachen, dass sie sich grün und nachhaltig ausrichten und leben sollen, sie haben schließlich andere Probleme, hielt mal ein norwegischer Assetmanager hinter vorgehaltener Hand fest.