Softwarekonzern

Retter sucht Anker

Die Treiber, mit denen Satya Nadella den behäbigen Tanker Microsoft wieder flottgemacht hat, schwächeln, andere stoßen auf Kartellhürden oder einfach an Grenzen der Intelligenz.

Retter sucht Anker

Nachdem Satya Nadella 2014 die Nachfolge des langjährigen Microsoft-Chefs Steve Ballmer angetreten hat, scheint es, als hätte die Aktie eine Fußfessel abgestreift, die das Papier über Jahre in einem mehr oder minder lethargischen Zustand gehalten hatte. Das konnte kaum verwundern, denn die strategische Lage war damals düster. Der Versuch, mit Nokia ein drittes Ökosystem im Mobilfunk aufzubauen, geriet zum milliardenschweren Desaster, die Cashcow Office drohte aufgrund des veralteten Software-Lizenzmodells zu verhungern – Wachstumstreiber Fehlanzeige. Nadella erwies sich als Retter in der Not. Er hat es binnen kurzer Zeit geschafft, das Steuer mit einem strikten Fokus auf die Kernkompetenz in Software und der Neuausrichtung auf die Cloud herumzureißen. Office gelang ein eindrucksvolles Comeback, Azure wurde zum weltweit zweitgrößten Webhoster und liegt heute Kopf an Kopf mit Amazon Web Services. Und die Spielkonsole X-Box profitierte in einem komfortabeln Oligopol – mit Sony und Nintendo – von der lukrativen Kombination aus Hardware und hochmargiger Software. Die Microsoft-Aktie hat ihren Kurs unter Nadellas Ägide mehr als verzehnfacht.

Indes droht der Erfolgsgeschichte derzeit ein jähes Ende, denn zum einen macht die gedämpfte Kundennachfrage den Kernprodukten Office und Azure zu schaffen und hat den Konzern bereits zu einem substanziellen Stellenabbau veranlasst. Zum anderen hat der Softwareriese in den vergangenen Jahren nicht alle Schwachstellen mit neuen Treibern ausstatten können. Bedroht ist vor allem auch die Gaming-Sparte. Dort ist die Konsole allein kein Modell für die Zukunft, denn das Internet hat auch den Gaming-Markt längst erreicht. Zahlreiche innovative Spieleentwickler haben über die riesige Vertriebsfläche von Apples App Store und Googles Play Store sowie über weitere Plattformen eigene Ökosysteme im Online-Gaming aufgebaut, in denen die Hersteller der klassischen Konsolen bisher kaum Fuß fassen konnten. Um auch hier das Blatt zu wenden, hat Microsoft tief in die Tasche gegriffen und will für 69 Mrd. Dollar das Gaming-Schwergewicht Activision Blizzard schlucken. Allerdings läuft nicht nur die Konkurrenz Sturm gegen den vor Jahresfrist angekündigten Deal, sondern auch die Kartellwächter. Die mächtige US-Behörde FTC hat Klage dagegen eingereicht. Sie fürchtet Nachteile für die beiden anderen Konsolen und ihre Nutzer, weil Blockbuster wie „Call of Duty“ dann von Microsoft kontrolliert würden. Auch die EU-Kommission stellt sich quer. Sie befürchtet abseits des Konsolenmarktes auch eine wachsende Marktmacht der Gates Company im Online-Spiele-Sektor, denn Activision Blizzard würde die Spielebibliothek des Softwareriesen erheblich erweitern.

Hochrangige Manager wie Microsoft-Vize Brad Smith werden nicht müde zu betonen, das Unternehmen werde „alle Bedenken adressieren und ausräumen“, aber die Erfolgsaussichten sind denkbar schlecht. Denn die Erfahrungen mit Microsoft im Umgang mit Marktmacht sind nicht nur historisch, sondern auch aktuell nicht die besten. So verweist die FTC darauf, dass der Konzern entgegen vorherigen Versicherungen nach der Akquisition von Bethesda 2020 dennoch einige besonders beliebte Spiele des übernommenen Spieleentwicklers exklusiv unter Verschluss gehalten habe. Auch die EU ist durch Kartellbeschwerden gegen den Windows-Konzern zu gut beschäftigt, als dass dieser Befürchtungen über einen Missbrauch von Marktmacht dämpfen könnte. So liegen unter anderem die Beschwerden einer Reihe von europäischen Cloud-Anbietern und der Salesforce-Tochter Slack vor, die die altbekannte Microsoft-Strategie der Wettbewerbsbehinderung durch Produktbündelung anprangern. Unter anderem bedroht die Verknüpfung der Kollaborationssoftware Teams mit Windows das Geschäft von Slack. Damit stehen der erhoffte Schub und die Zukunftssicherung der Gaming-Sparte von Microsoft auf Messers Schneide, denn zu guter Letzt sind auch die britischen Wettbewerbsbehörden skeptisch.

Als verfrüht und überzogen könnten sich für den Konzern auch die Ambitionen mit dem Textroboter ChatGPT erweisen. Nadella hatte sich bei der Aussicht, das Werbemonopol von Google bei der Internetsuche zu knacken, geradezu euphorisch gezeigt. Nun aber offenbart die auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Software noch zu viele Schwachstellen, um ein belastbarer Treiber zu sein. Microsoft musste bei der Anwendung in der eigenen Suchmaschine Bing zurückrudern. Und der Konzern muss erkennen, dass KI ein Spielfeld ist, auf dem ein unbedachter Zug schnell böse Folgen haben kann. Microsofts Strategie kommt ins Rutschen, und ein Anker ist noch nicht gefunden.

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