BIP

Deutsche Wirtschaft schrumpft zum Jahresende

Die deutsche Wirtschaft ist zum Jahresende geschrumpft. Die Rezession ist dennoch knapp vermieden, wenn auch die Aussichten trübe bleiben.

Deutsche Wirtschaft schrumpft zum Jahresende

ba Frankfurt

Die deutsche Wirtschaft ist trotz der Mehrfachkrise knapp an der Rezession vorbeigeschrammt. Zwar ist die Wirtschaftsleistung im Schlussabschnitt 2023 geschrumpft, doch wurde das Ergebnis des dritten Quartals leicht nach oben korrigiert. So folgt der Rückgang auf zwei Quartale der Stagnation und einem Mini-Plus zu Jahresbeginn. Eine baldige Besserung ist allerdings nicht in Sicht: Die Inflation ist noch hoch, das außenwirtschaftliche Umfeld trübe – auch wenn sich die US-Wirtschaft besser schlägt als erwartet – und die geopolitischen Unsicherheiten halten an. Aktuell gesellen sich dazu noch die Auswirkungen des Bahnstreiks, die ungewöhnlich kalte Witterung im Januar und der extrem hohe Krankenstand sowie der neue Lieferkettenstress wegen der Huthi-Angriffe auf Frachtschiffe im Roten Meer.

Prognose bestätigt

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im vierten Quartal preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,3% zum Vorquartal gesunken, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) meldete. Ökonomen hatten bereits erwartet, dass die Wiesbadener Statistiker ihre Mitte Januar getroffene Prognose bestätigen. Auch das Jahresergebnis für 2023 blieb mit –0,3% unrevidiert. „Besonders die preis-, saison- und kalenderbereinigten Investitionen in Bauten und in Ausrüstungen waren deutlich niedriger als im Vorquartal“, hieß es bei Destatis dazu. Ausführliche Ergebnisse gibt es erst am 23. Februar.

Dass vor allem die Bauinvestitionen das Gesamtergebnis belasten, kommt für Experten nicht überraschend: „Insbesondere der Bau ist sehr zinssensitiv und eine Besserung ist hier nicht in Sicht, wie die jüngsten Daten zu den Baugenehmigungen gezeigt haben“, erklärte Martin Moryson, Chefvolkswirt Europa bei der DWS. Dabei würden dringend neue Wohnungen benötigt. Das von der Bundesregierung ausgerufene Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen ist in weiter Ferne.

Weiteres Minus zum Jahresstart

Ökonomen erwarten, dass die hiesige Wirtschaft auch im ersten Quartal noch nicht wieder Tritt fassen kann. Das Ifo-Institut etwa prognostiziert einen erneuten Rückgang von 0,2%. Damit wäre dann wieder die Definition einer technischen Rezession – zwei Minus-Quartale in Folge – erfüllt. „In nahezu allen Wirtschaftsbereichen klagen die Unternehmen über eine rückläufige Nachfrage“, erklärte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Die während der Coronazeit dick gewordenen Auftragspolster in der Industrie und der Bauwirtschaft sind mittlerweile abgeschmolzen, die Neubestellungen seit vielen Monaten rückläufig, und vor allem im Wohnungsbau schwappte eine Stornierungswelle durch das Land. „Die restriktive Geldpolitik, die in Europa und Nordamerika mit kräftigen Leitzinsanhebungen Preisstabilität erreichen möchte, dürfte derzeit ihre volle Wirkung entfalten.“ Erste Lichtblicke gebe es aber beim Konsum – seit der Adventszeit stiegen preisbereinigten Umsätze im Einzelhandel und im Gastgewerbe wieder, sagte Wollmershäuser.

Eine Einschätzung, die etwa Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer nicht teilt: „Der private Verbrauch, auf den die Optimisten setzen, hat bis zuletzt enttäuscht.“ Daran werde sich so bald nichts ändern, mahnt er mit Blick auf den „epochalen Einbruch“ des GfK-Konsumklimas. „Die Verbraucher sind tief verunsichert, was offenbar nicht nur daran liegt, dass die hohe Inflation ihre inflationsbereinigten Einkommen reduziert hat.“ Die meisten Ökonomen setzen darauf, dass der Privatkonsum in diesem Jahr mit steigenden Löhnen bei rückläufiger Inflation wieder zunimmt und zu seiner Rolle als zuverlässiger Wachstumstreiber zurückfindet. "Wenn sich nun die Lage am Arbeitsmarkt verschlechtert, wie man hier und da lesen kann, dürfte das aber auch eher schwierig werden", mahnt LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch.

DSGV erwartet für 2025 mehr Schwung

"Angesichts so vieler Herausforderungen trösten sich manche mit der Tatsache, dass die Wirtschaft "nur" in der Stagnation steckt und eine schwerere Rezession vermieden hat", analysiert ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Mit einer durchschnittlichen vierteljährlichen Wachstumsrate von 0% im Quartalsvergleich seit dem zweiten Quartal 2022 sei die deutsche Wirtschaft "alles andere als wachstumsstark". An Wachstumsraten um die Nulllinie herum müsse man sich gewöhnen, mahnt auch Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, bei der Vorstellung der Konjunkturprognose des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV). Das Potenzialwachstum Deutschlands liege nun bei 0,4%, also 0,1% je Quartal – ein Minus vor der Quartalsrate "wird uns daher häufiger begleiten". Für das laufende Jahr erwarten die Sparkassen-Volkswirte ein Wachstum von 0,3%, im kommenden Jahr sollen es 1,1% werden "wenn wir keinen neuen geopolitischen Schock erfahren". Als Wachstumstreiber benennt Kater den Privatkonsum, 2025 dürften sich "selbst die Bauinvestitionen hinzugesellen" und die Exporte wieder deutlich anziehen.

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