Großbritannien

Liz Truss dreht den Geldhahn auf

Großbritanniens neue Premierministerin Liz Truss plant offenbar, die Energiekosten in großem Stil herunterzusubventionieren. Dadurch würden auch die Marktmechanismen, die noch greifen, ausgehebelt.

Liz Truss dreht den Geldhahn auf

Die frischgebackene britische Premierministerin Liz Truss weiß, dass die Dauer ihrer Amtszeit in hohem Maße davon abhängt, dass die Wohnungen der Wähler im Winter warm bleiben – koste es, was es wolle. Und auch wenn erst am Donnerstag Einzelheiten zu den Maßnahmen bekannt gegeben werden sollen, mit denen ihre Regierung die aktuelle Krise in den Griff bekommen will, zeichnet sich bereits eines der größten Wohlfahrtsprogramme der Geschichte des Landes ab. Will sie, wie von einer Reihe von Medien berichtet, wirklich die Energiepreise einfrieren, dürften die Kosten dafür die großzügige Kurzarbeitsregelung während der Pandemie bei weitem übertreffen. Es geht um 130 Mrd. Pfund. Das entspricht in etwa den Ausgaben für das marode öffentliche Gesundheitswesen NHS im vergangenen Jahr. Und das wären nur die Kosten für die Deckelung der Energierechnungen der privaten Haushalte. Weitere 40 Mrd. Pfund sollen angeblich dafür aufgebracht werden, die Energiekosten privater Unternehmen einzufrieren. Für eine zum Konservatismus konvertierte Liberaldemokratin wären solche Maßnahmen eine erstaunliche Kehrtwende, zumal sie auch noch durch neue Schulden finanziert würden. Sie wären genau das, was der ehemalige Labour-Premier Gordon Brown tun würde.

Offenbar gibt es mit Blick auf die nahezu unvermeidlichen Neuwahlen perverse Anreize, sich vorübergehend von für selbstverständlich gehaltenen Prinzipien zu verabschieden. Die Berichte über die geplanten Maßnahmen weichen lediglich in Details voneinander ab. Zwar verfügen die Tories dank Boris Johnson über eine überwältigende Mehrheit im Unterhaus. Doch stehen die Chancen besser, noch in diesem Jahr erneut eine Mehrheit zu finden, als 2024, wenn die Briten mit dauerhaft gestiegenen Lebenshaltungskosten klarkommen müssen und mehr als zehn Millionen Menschen auf den Wartelisten des NHS stehen werden.

Durch einen Preisdeckel würden die letzten Marktmechanismen ausgehebelt, die trotz der Verzerrungen durch den Krieg in der Ukraine noch funktionieren. Für Haushalte und Unternehmen gäbe es keine Anreize mehr, ihren Energieverbrauch zu senken. Maßnahmen zur Wärmedämmung oder der Umstieg auf energieeffizientere Maschinen und Geräte würden nicht attraktiver. Das Energieangebot wächst zudem nicht. Also steigt die Gefahr von Stromabschaltungen. Noch bedenklicher ist, dass ein Ausstieg aus einer derartigen Heruntersubventionierung der Preise nur schwer vorstellbar ist. Welcher Politiker wollte schon jede Chance seiner Wiederwahl zunichte machen?

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