Märkte am Mittag

Die Zinssorgen sind zurück

Notenbanker-Warnungen von beiden Seiten des Atlantik, dass die Märkte die Inflation unterschätzen würden, haben für eine eher pessimistische Haltung an den Börsen gesorgt. Nur einige Einzelwerte konnten positiv überzeugen wie Mercedes und Air France KLM.

Die Zinssorgen sind zurück

Wieder größere Zinssorgen haben zum Ausklang der bislang recht freundlichen Woche auch den Dax unter Druck gesetzt. Nach dem schwachen Start in den Freitag konnte der deutsche Leitindex seine Verluste aber etwas eindämmen – am Mittag stand er 0,72% im Minus bei 15.422 Punkten. Auf Wochensicht zeichnet sich noch ein Gewinn von 0,8% ab.

In New York hatten die Aktienkurse am Donnerstag deutlich nachgegeben. Die asiatischen Börsen folgten am Freitag. Zinssorgen treiben die Anleger wieder um, nachdem die US-Erzeugerpreise im Januar weniger deutlich gesunken waren als erhofft. Gleichzeitig gingen die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe überraschend zurück. Vom Arbeitsmarkt kam damit also auch kein Signal an die US-Notenbank Fed, ihren Zinserhöhungskurs zur Inflationsbekämpfung ändern zu müssen.

Aussagen der Präsidentin der regionalen US-Notenbank in Cleveland, Loretta Mester, sowie des Fed-Präsidenten von St. Louis, James Bullard, hatten vor dem US-Börsenschluss für zusätzliche Unruhe gesorgt. Beide hatten betont, dass bei der nächsten Zinssitzung eine Erhöhung um nochmals 0,50 Prozentpunkte erwogen werde. Damit würde die Fed das Tempo wieder erhöhen, nachdem sie im Dezember und im Februar jeweils nur einen Schritt um 0,25 Prozentpunkte vorgenommen hatte.

Vor diesem Hintergrund nehmen die Anleger auch am deutschen Aktienmarkt die aktuellen Preisdaten stärker in den Blick, zumal die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinsen wohl ebenfalls weiter anheben will. Zuletzt warnte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel explizit in einem Bloomberg-Gespräch vor einer Unterschätzung der Inflation durch die Märkte. Die Märkte gingen davon aus, dass die Teuerung sehr schnell in Richtung des EZB-Ziels von 2% sinken und dort dann bleiben werde, während sich auch die Wirtschaft gut schlage, sagte Schnabel. „Das wäre ein sehr gutes Ergebnis, aber es besteht das Risiko, dass sich die Inflation als hartnäckiger erweist als gegenwärtig eingepreist ist an den Finanzmärkten“, sagte das Mitglied des sechsköpfigen Führungsteams der Europäischen Zentralbank.

In Deutschland schwächte sich der Preisauftrieb auf Herstellerebene im Januar immerhin zum vierten Mal in Folge ab, allerdings von einem hohen Niveau aus – gegenüber dem Vorjahr schlägt immer noch ein Anstieg um fast 18% zu Buche. Am Nachmittag folgen noch Import- und Exportpreise aus den USA.

Unternehmensseitig standen die Geschäftszahlen der Allianz sowie von Mercedes-Benz im Fokus. Der Versicherer berichtete für das vergangene Jahr einen operativen Rekordgewinn und übertraf damit die Analystenerwartungen klar. Dennoch büßten die Aktien als Dax-Schlusslicht 2,5% ein. Ein Börsianer sprachen von gewohnheitsmäßig soliden Zahlen der Allianz – „mehr aber nicht“. Auch Analysten sahen Zahlen und Ausblick insgesamt im Rahmen der Erwartungen. Am Vortag hatte Michael Huttner von der Privatbank Berenberg den Anlegern zudem noch Hoffnung auf einen weiteren größeren Aktienrückkauf gemacht. Diese erfüllte sich aber nicht.

Beim Stuttgarter Autobauer sorgten hingegen das für 2022 berichtete Gewinn- und Umsatzwachstum und die Ankündigung eines milliardenschweren Aktienrückkaufprogramms für ein Kursplus von mehr als 3%. Damit führten die Titel die eher kurze Gewinnerliste im Leitindex an und kosteten so viel wie zuletzt vor knapp einem Jahr.

Negative Analystenaussagen belasteten Deutsche Post und Gea. Die Aktien des Logistikkonzerns büßten 2% ein, nachdem die US-Bank JPMorgan sie im Rahmen einer Branchenstudie abgestuft hatte und nun zur Untergewichtung rät. Angesichts deutlich fallender Luftfrachtraten bleibe er für die Express-Sparte des Logistikkonzerns vorsichtig und sorge sich angesichts der laufenden Tarifverhandlungen zunehmend um das Brief- und Päckchengeschäft, begründete Experte Samuel Bland sein neues Anlagevotum.

Beim Anlagenbauer Gea nahm Barclays-Analyst Lars Brorson einen ähnlichen Schritt vor. Er sieht die Margenstory in Gefahr, die seit 2019 ein wesentlicher Grund für die Neubewertung der Aktie gewesen sei. Er verwies auf Kosten für Teile und Löhne. Gea war nach einem zuletzt guten Lauf mit minus 2,5% einer der schwächsten Werte im MDax

Die europäischen Aktienmärkte stehen ebenfalls am heutigen Freitag unter Druck. Der EuroStoxx 50 büßte zur Mittagszeit 0,87% auf 4258,86 Punkte ein, womit für die insgesamt stark verlaufene Börsenwoche immer noch ein Plus von 1,5% bliebe. Für den französischen Cac 40 ging es am Freitag um 0,69% auf 7315 Punkte abwärts. Der britische FTSE 100, der tags zuvor über 8000 Punkten seine Rekordjagd fortgesetzt hatte, gab nun um 0,22% auf 7994 Punkte nach.

Unter den Einzelwerten ragten die Aktien der Fluggesellschaft Air France-KLM mit einem Kursplus von knapp 7% positiv heraus. Das Unternehmen schreibt nach dem Corona-Einbruch der vergangenen beiden Jahre wieder schwarze Zahlen. Analyst Alexander Irving vom US-Analysehaus Bernstein Research lobte das starke vierten Quartal. Die Durchschnittserlöse (RASK) seien im Vergleich zum vierten Quartal 2019 – und damit vor der Corona-Pandemie – um 15% gestiegen.

Ein kleines Plus von 0,6 Prozent im schwächeren Marktumfeld verbuchten die Papiere von Safran. Sie stiegen damit auf den höchsten Stand seit Februar 2020, kurz bevor die Corona-Pandemie einen Börsencrash auslöste. Der französische Triebwerksbauer und Technologiekonzern rechnet 2023 mit viel Rückenwind. Konzernchef Olivier Andriès erhofft sich auch von der schrittweisen Wiedereröffnung des Flugverkehrs in China eine starke Nachfrage bei seinen Kunden, nachdem sich das Land infolge der Corona-Pandemie und immer wiederkehrenden Lockdowns abgeschottet hatte. Zudem dürfte Safran vor allem in Frankreich von erhöhten Verteidigungsbudgets infolge des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine profitieren.

Im SMI gewannen die Aktien des Spezialchemieunternehmens Sika nach einem Rekordquartal bei Umsatz und Gewinn 4,2%. Swiss Re indes gaben nach der Vorlage von Jahreszahlen und einem Ausblick auf das laufende Jahr um 0,2% nach. Analysten sprachen dennoch von einem guten Zahlenwerk.

Dass der Luxuskonzern Hermes im vergangenen Jahr dem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld trotzen konnte, half den Aktien an diesem Tag wenig. Sie gaben um marktkonforme 0,8% nach. Allerdings sind die Papiere in diesem Jahr bereits stark gelaufen und haben Anfang Februar ein Rekordhoch erklommen.

In Großbritannien berichteten die Bank Natwest und der irische Baustoffhersteller Kingspan über ihr Geschäftsjahr. Beide meldeten Gewinnsprünge. Doch während die Natwest-Papiere um 6,7% nachgaben, legten die von Kingspan um 6,3% zu. Am Markt hieß es zu Natwest, dass Anleger die Prognosen des Managements zur Ertragskraft und den Kosten im laufenden Jahr kritisch sähen.

Aktien von Valneva fielen um 9%. Die Papiere des Impfstoffherstellers rissen dabei die Chart-Unterstützung bei 6 Euro, die in den vergangenen Monaten noch mehrfach weitere Kursverluste verhindert hatte. In den USA gibt es Probleme mit der gemeinsamen Phase-III-Studie mit Pfizer, die den Borreliose-Impfstoffkandidaten VLA15 evaluieren soll. Mit der Hälfte der Probanden wurde die Testreihe abgebrochen.