Manuel Llobet, Allergy Therapeutics

„Der Schlüssel ist die Bequem­lichkeit“

Allergy Therapeutics hat nach eigener Aussage eine revolutionäre Technologie für die Hyposensibilisierung von Allergikern entwickelt. Die britische Biotechfirma prüft eine Zweitnotierung an der Nasdaq.

„Der Schlüssel ist die Bequem­lichkeit“

Andreas Hippin.

Herr Llobet, wie weit sind Sie mit dem Produkt für Erdnussaller­giker?

Was wir mit dem Erdnussprodukt in den präklinischen Studien an Tieren erreicht haben, ist spektakulär. Wir müssen weiter an unserem Produkt gegen Hausstaubmilbenallergien arbeiten. Es ist zwar gut, aber es ist vergleichbar mit anderen Produkten, die es auf dem Markt gibt.

Wie weit sind die Produkte für Pollenallergiker?

Aus geschäftlicher Sicht treten wir mit dem Gräserprodukt in die letzte Phase der klinischen Prüfung ein. Mit Ambrosia haben wir die dritte Phase erreicht. Aber wir müssen die Dosis optimieren und eine zweite Phase-III-Studie durchführen. Mit den Bäumen verhält es sich genauso. Dies wird eine Produktfamilie für saisonale Allergien sein. An unserem Erdnussprojekt arbeiten wir mit Hochdruck, denn jedes Jahr sterben viele Menschen an einer Erdnussallergie. Danach arbeiten wir an Produkten gegen Hausstaubmilben und andere Allergene.

Wie hat Allergy Therapeutics an­gefangen?

Historisch gesehen geht unser Unternehmen auf eine Ausgliederung von GlaxoSmithKline im Jahr 1999 zurück. Damals hatten wir nicht einmal ausreichend finanzielle Mittel, um unsere Besucher in einem Hotel unterzubringen. Also haben wir sie nach Hause mitgenommen. Seitdem sind wir fast zwei Jahrzehnte lang zweistellig gewachsen. Heute können wir einen Umsatz von rund 100 Mill. Dollar verzeichnen. Wir haben Produktionsstätten in Großbritannien und in Spanien sowie Tochtergesellschaften in den großen europäischen Märkten. Weltweit arbeiten rund 650 Menschen für uns.

Woher kommt die starke Verbindung nach Deutschland?

Wir waren von Anfang an ein britisch-deutsches Unternehmen. Unser Hauptsitz und unsere Produktionsanlagen befinden sich in Groß­britannien, aber Deutschland ist nach wie vor unser wichtigster Markt, auf den 60 % des Umsatzes entfallen. Wir haben auch einen unserer drei Firmen-Werte auf Deutsch formuliert: Menschlichkeit.

Wie muss man sich den bislang üblichen Hyposensibilisierungsprozess vorstellen?

Gerade in den USA ist das ein mühsames Verfahren. Dort erhalten die Patienten von ihrem Arzt einen individuell hergestellten Impfstoff. Die Behandlung kann bis zu fünf Jahre dauern und bis zu 100 Injektionen umfassen. Das ist anstrengend. Der Anteil derjenigen, die es bis zum Ende durchhalten, ist äußerst gering. Nur 16 % der Patienten bleiben bis zum Ende dabei. Aber die Hälfte fängt gar nicht erst damit an, wenn sie erfahren, wie die Behandlung aussieht.

Und in Europa?

In Europa gibt es bessere Produkte. Unser wichtigster Wettbewerber hat eine Therapie, die auf Tabletten basiert. Man muss in drei Jahren etwa 1 000 Tabletten einnehmen. Das durchzuhalten ist immer noch ziemlich mühsam.

Wie unterscheidet sich Ihr Produkt?

Wir haben eine bahnbrechende Technologie entwickelt. Sie ermöglicht eine Hyposensibilisierung über drei bis fünf Jahre mit vier bis sechs Injektionen pro Behandlungsjahr. Das ist revolutionär und bedeutet, dass die Patienten die Behandlung mit weniger Aufwand abschließen können. Der Schlüssel ist die Bequemlichkeit.

Wie meinen Sie das?

Was nützt es, wenn man klinischen Daten zufolge die beste Therapie hat, aber die Patienten die Behandlung nicht bis zum Ende durchhalten? Das ist nutzlos. Wir wollten schon immer Behandlungsformen entwickeln, die von den Patienten auch zu Ende geführt werden.

Wie sieht Ihr Angebot aus?

Wir haben zwei Plattformen: MATA MPL, das eine Therapie gegen verschiedene Pollenallergien mit nur vier bis sechs Injektionen pro Behandlungsjahr ermöglicht – und VLP Peanut für Nahrungsmittelallergien. Letztere befindet sich noch in der klinischen Entwicklung und wird Erdnussallergien abdecken und in Zukunft vielleicht auch andere Nahrungsmittelallergien.

Könnte dies auch gegen Hausstaubmilben wirken?

Dabei handelt es sich um eine ganzjährige Allergie. Wir haben dafür auf europäischer Ebene noch kein Produkt. Wir haben ein Produkt in Spanien, aber es ist noch nicht zuge­lassen.

Wie sieht Ihre Strategie aus?

Sie stützt sich auf drei Säulen. Europa ist ein reifer Markt, der nicht mehr stark wächst. Der größte Teil unseres Umsatzes stammt von dort, insbesondere aus Deutschland. Es ist ein solides Geschäft. Wir haben unsere Marge verbessert und Marktanteile hinzugewonnen, was man daran erkennen kann, dass der Markt nicht zweistellig gewachsen ist. In den Vereinigten Staaten arbeiten wir auf der klinischen Ebene. Wir entwickeln drei Produktkandidaten für Pollenallergien – einen für Gräserpollenallergien, einen für Ambrosiaallergien und einen für Baumpollenallergien. Das Programm für Patienten, die auf Gräserpollen allergisch reagieren, ist am weitesten fortgeschritten. Wir befinden uns hier in Phase III der klinischen Prüfung, der letzten vor der Zulassung. In diesem Herbst werden wir die Teilnehmer für die wichtigste und letzte Studie rekrutieren. Sie wird mit 1 200 Patienten durchgeführt. Die Ergebnisse werden im vierten Quartal 2023 veröffentlicht. Sie werden die Grundlage für den Zulassungsantrag in den USA und Europa bilden. In den USA gibt es keine derartigen zugelassenen Präparate für die Allergie-Immun­therapie.

Sie wären also als Erster auf dem US-Markt?

Ja. Das ist eine fantastische Chance, ein bisher unbedienter Markt. Wir stehen in Kontakt mit Ärzten, die nur darauf warten, dass das Produkt verfügbar ist. Sie sind es gewohnt, Patienten mit Injektionen zu behandeln. Tabletten waren in den Vereinigten Staaten bisher kein kommerzieller Erfolg.

Und wie geht es dann weiter?

Nach unserem Präparat gegen Gräserpollen werden die klinischen Entwicklungen für Bäume und Ambrosia folgen. Wir haben viele Jahre lang daran gearbeitet, dieses Niveau zu erreichen. Es kann noch weitere drei Jahre dauern, weil wir Daten zur Produktsicherheit sammeln müssen. In Europa, wo unsere Produkte derzeit als Named Patient Product verwendet oder vertrie­ben werden, streben wir ebenfalls eine allgemeine Zulassung an. Die dritte Säule unserer Strategie ist die Entwicklung unserer Pipeline, der­zeit mit der Therapie für Erdnuss­allergiker. Daran leiden rund sieben Millionen Kinder. In Europa sind Großbritannien und Deutschland die größten Märkte. Wir haben von der FDA die Genehmigung erhal­ten, mit klinischen Studien am Menschen zu beginnen. In zwei bis drei Wochen wollen wir die Phase I des Studienprogramms starten.

Haben Sie bereits schwarze Zahlen geschrieben?

Wir arbeiten rentabel vor F&E-Kosten. Ob das Ergebnis positiv ausfällt, hängt davon ab, wie viel wir in Forschung und Entwicklung investieren. In manchen Jahren sind wir profitabel, in anderen nicht.

Wird nach einigen Jahren eine Auffrischungsinjektion erforderlich sein?

Durch unsere Behandlung erzeugen wir Gedächtniszellen. Das sind T-Zellen, wie sie auch bei anderen Impfstoffen, zum Beispiel gegen Masern, gebildet werden. Gegen Erdnusspartikel schaffen wir auf dieser Ebene Schutz.

Gibt es Konkurrenten?

Es gibt kein anderes Unternehmen wie uns, wenn es um Lebensmittelallergien geht. Es gibt Unternehmen, die Therapien für allergischen Schnupfen anbieten. Aber wir sind die einzigen, deren Produkte eine Hyposensibilisierung in so kurzer Zeit ermöglichen.

Hat der Brexit Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit europäischen Aufsichtsbehörden?

Da gibt es keinen Unterschied, außer dass wir jetzt einen zusätzlichen Antrag auf Zulassung in Großbritannien stellen müssen. Wir haben weiterhin sehr gute Beziehungen zu den europäischen Zulassungsbehörden, insbesondere zum Paul-Ehrlich-Institut in Deutschland, aber auch zur AEMPS in Spanien. Wir arbeiten schon seit vielen Jahren zusammen und kennen einander sehr gut. Diese gegen­seitigen Beziehungen haben sich auch nach dem Brexit nicht ver­ändert.

Wird die Forschung und Entwicklung derzeit aus eigenen Mitteln finanziert?

Die europäische Forschung ja, aber die US-Produkte und neue Produkte für Erdnussallergien finanzieren wir durch Kapitalzuwachs. Bislang haben wir Aktien an der Londoner Börse platziert. Da wir uns nun verstärkt dem US-Markt widmen wollen, benötigen wir mittelfristig eine Kapitalerhöhung. Wir prüfen eine Zweitnotierung an der Nasdaq. Das würde uns auch in den Vereinigten Staaten sichtbarer machen.

Und auch die Bewertungen sind dort höher.

Gegenwärtig nicht.

Allergy Therapeutics ist schließlich kein Internetunternehmen.

Wir unterscheiden uns auch sehr von all den Biotech-Unternehmen, die an die Börse gegangen sind, als sie sich noch in Phase I oder in der präklinischen Phase befanden. Wir erwirtschaften bereits Umsatz. Wir sind ein echtes Unternehmen mit zugelassenen Produkten und einer Pipeline an Produkten, die sich in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium befinden. Wir haben Geld auf der Bank, aber der Aktienmarkt ist derzeit sehr volatil.

Das könnte noch eine Weile so weitergehen.

Auch darauf sind wir vorbereitet. Wir denken mittelfristig. Wenn wir den US-Markt erschließen wollen, ist es sinnvoll, US-Investoren einzubinden.

Ist derzeit eine Kapitalerhöhung geplant?

Es wird immer gesagt, dass man sich um Mittel bemühen soll, wenn es möglich ist, nicht wenn es notwendig ist. Unsere derzeitigen Projekte sind weitgehend finanziert, vielleicht mit einigen zusätzlichen Mitteln. Wir stehen nicht unter Druck. Aber wenn sich eine Gelegenheit bietet, werden wir sie ergreifen.

Gab es einmal Interesse an einer Übernahme des Unternehmens?

Bis jetzt nicht. Wir hätten dies ohnehin offenlegen müssen. Unsere Aktien haben sich besser entwickelt als die Papiere vieler anderer Biotech-Unternehmen, die jetzt ins Visier der Schnäppchenjäger ge­raten sind. Glücklicherweise befinden wir uns unter dem Radar dieser Leute. Außerdem haben wir mit Abbott Laboratories einen Groß­aktionär, der 38 % hält.

Und das heißt?

Es wäre nicht so einfach, eine Übernahme zu starten.

Das Interview führte

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