Devisenmärkte

Asiens Währungen vor schwierigem Jahr

Da sich die asiatischen Zentralbanken nicht in einem Zustand der aggressiven Zinserhöhungen befinden, stellt sich die Frage, ob die Währungen dieser Länder die Verlierer im neuen Jahr sein werden.

Asiens Währungen vor schwierigem Jahr

Von Xueming Song*)

Ein spannendes Börsenjahr geht dem Ende zu. Es ist Zeit, einen Blick zurückzuwerfen, um besser nach vorne schauen zu können. Genau vor einem Jahr haben fast alle Ökonomen vorhergesagt, dass das globale Wachstum nach zwei Jahren Pandemie 2022 endlich in Gang kommen und somit der US-Dollar an Attraktivität verlieren würde. Die US-Fed, die Zentralbank, würde gegen Ende 2022 die Zinsen um 25 Basispunkte erhöhen. Bekanntlich ist fast alles anders gekommen als vorhergesagt. Die geopolitischen Entwicklungen können schlecht vorhergesagt werden, so viel ist klar, aber fast alle Ökonomen haben die hohe Inflation auch nicht kommen sehen.

2022 war der Dollar so stark wie seit Jahrzehnten nicht mehr, was aber nicht bedeutet, dass der Euro schwach war. Auf handelsgewichteter Basis ist der Euro nur leicht schwächer, da fast alle Währungen der wichtigen Handelspartner ebenfalls schwach gegenüber dem Dollar waren. Die asiatischen Währungen waren gar teilweise viel schwächer als der Euro, obwohl der Ukraine-Krieg weit entfernt von Asien tobt.

Langsame Lockerung

Ende November hat Fed-Chairman Powell angekündigt, die Zinsschraube langsam zu lockern. So fällt der wichtigste Treiber für einen starken Dollar fort. Zudem versichert EZB-Präsidentin Lagarde, die Inflationsrate unbedingt auf das 2-Prozent-Ziel bringen zu wollen. Der Euro dürfte demnächst nicht zur Schwäche neigen, auch weil die Inflationsraten in den USA und im Euroraum ähnlich hoch sind. Um eine Aussage zum Euro-Dollar-Wechselkurs machen zu können, ist noch ein anderer Aspekt von großer Bedeutung, nämlich die Persistenz der aktuellen Inflation.

Der Zinsmarkt geht eindeutig davon aus, dass die Inflation in einem Jahr kein Thema mehr sein wird. Im Laufe des Jahres 2022 musste sich der Markt allerdings oft korrigieren, was die Zinsentwicklung betrifft, und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass er sich im kommenden Jahr ebenfalls irrt. Die nachlassenden Rohstoffpreise würden für eine niedrige Inflation sprechen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Lohnentwicklung. In den USA steigen die Löhne immer noch um 5% jährlich. Aufgrund der auch in den USA fehlenden Fachkräfte ist anzunehmen, dass das Lohnniveau nicht so schnell sinken wird. In der Eurozone haben die neuen Lohnverhandlungen gerade angefangen. Die ersten Abschlüsse in Deutschland – wie z. B. bei der IG Chemie oder IG Metall mit einem Anstieg zwischen 7% und 8% – sprechen zwar nicht für eine Lohn-Preis-Spirale wie in den 1970er Jahren, aber zur Entspannung laden sie auch nicht ein. In anderen Euro-Ländern steigen die Löhne langsam, im Sommer könnte sich die Entwicklung noch beschleunigen.

Blick auf Kapitalkosten

Ein anderer Aspekt, der weder in der Literatur noch in der Praxis diskutiert­ wird, aber für die aktuelle Inflationsentwicklung durchaus re­levant ist, betrifft die Kapitalkosten. In den letzten Jahrzehnten ist es nicht mehr vorgekommen, dass die Unternehmen binnen kurzer Zeit 3 bis 5% mehr für  ihr  Kapital zahlen­ mussten, was sich letztlich in den Produktpreisen niederschlagen müsste. Auf der Seite der Konsumenten stehen plötzlich 3% mehr Zinsen auf deren Ersparnisse zur Verfügung. Das ist ein sehr hohes zusätzliches Einkommen, nicht nur in der Eurozone, sondern auch in den USA. Der Konsum könnte somit im kommenden Jahr stark steigen.

Kurzum, die Inflation könnte viel länger hoch bleiben, als es der Zinsmarkt suggeriert. Die Schlussfolgerung ist, dass die Fed nicht so schnell die Zinsen senken wird und auch die EZB noch einen weiten Weg zu gehen hat. Die Dynamik aus der Geldpolitik jenseits des Atlantiks für den Euro-Dollar-Wechselkurs ist somit nicht eindeutig – eine Seitwärtsbewegung ist das wahrscheinlichste Ergebnis.

In so einem Umfeld wird ein Aspekt besonders interessant für das neue Jahr: der Carry Trade. Die aktuelle Marktvolatilität ist bei allen Assetklassen so hoch wie seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr, und höher als zur Zeit der ersten Coronawelle 2020. Wenn die Zentralbanken sich nun entschleunigen, so sollte sich der Zinsmarkt auch stabilisieren. Schlussendlich könnte auch die Volatilität auf dem Währungsmarkt­ zurückgehen. Das wäre ein ideales Umfeld für Carry Trades.

Hauptfinanzierer der USA

Da sich die asiatischen Zentralbanken nicht in einem Zustand der aggressiven Zinserhöhungen befinden und die dortigen Zinsen auch nicht hoch sind, stellt sich die Frage, ob die Währungen dieser Länder die Verlierer im neuen Jahr sein werden. Sie haben 2022 schon mehr gegenüber dem Dollar verloren als z. B. der Euro. In den vergangenen vier Jahrzehnten hat sich immer wieder gezeigt, dass das Kapital von Asien in die USA fließt, wenn die Fed die Zinsen stark anhebt. Die Länder Asiens sind seit langem die Hauptfinanzierer der amerikanischen Defizite, ob Handels- oder Budgetdefizit. Sollte das dieses Mal anders sein? Das ist wenig wahrscheinlich. Der letztendliche Grund dafür könnte das sogenannte japanische bzw. asiatische Entwicklungsmodell sein.

Am Anfang jeder wirtschaftlichen Entwicklung ist das Kapital immer sehr knapp. Aus diesem Grund förderte Japan systematisch die Kapitalakkumulation und hielt die Kapitalkosten künstlich niedrig. Das Entwicklungsmodell hat unbestritten zu einer hohen Sparquote und Kapitalakkumulation geführt. Das mag am Anfang der wirtschaftlichen Entwicklung von Vorteil sein, doch in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium ist das Ergebnis zweifelhaft, weil Kapital dann ausreichend vorhanden ist. Bei niedrigen Zinsen sucht das überschüssige Kapital immer den besten Einsatzort, das war in der Regel das Ausland. Dies ist in der letzten Dekade besonders deutlich in Japan zu beobachten gewesen: Fast alle Pensionskassen oder Versicherer haben verstärkt im Ausland investiert. Die Folge ist ein schwacher Yen.

Vier Tigerstaaten

Das oben beschriebene Modell haben später die vier Tigerstaaten bzw. -regionen kopiert: Südkorea, Taiwan, Hongkong und Singapur. Zuletzt verfolgte China genau dasselbe Entwicklungsmodell. So avancierte das Kapital zum Hauptwachstumsmotor Chinas in den vergangenen Jahrzehnten. Inzwischen ist nicht nur China, sondern es sind auch alle anderen hier erwähnten Staaten Nettokapitalexporteure. Japan generiert sogar 3% des Bruttoinlandsproduktes im Ausland. Die Folge ist das immer wiederkehrende Problem des starken Kapitalabflusses im Zusammenhang mit dem Zinszyklus in den USA.

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass die asiatischen Währungen aufgrund der niedrigen Zinsen auch 2023 Schwierigkeiten haben werden zu performen. Bei Währungen mit hohen Zinsen und stabiler Wirtschaftsstruktur könnten überdurchschnittliche Renditen erzielt werden. Das Hauptwährungspaar Euro-Dollar sollte insgesamt stabil bleiben.

*) Xueming Song ist Chief Currency Strategist der DWS.

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