Übernahme-Puzzle in Italiens Bankenlandschaft
Übernahme-Puzzle in Italiens Bankenlandschaft
Angesichts der vielen Übernahmeangebote und der Einmischungen von Regierung und branchenfremden Akteuren nimmt die Verwirrung zu.
Wie der Finanzsektor des Landes künftig aussehen wird, ist schwer vorauszusagen. Und Übernahmen bergen auch Risiken.
Von Gerhard Bläske, Mailand
Italiens Banken haben im ersten Quartal ihre Gewinne noch einmal deutlich gesteigert. Sinkende Zinsüberschüsse wurden durch höhere Provisionsergebnisse, eine niedrigere Risikovorsorge und Kostensenkungen sowie häufig durch ein starkes Wealth Management und ein wachsendes Versicherungsgeschäft überkompensiert. Doch im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand vor allem die verwirrende Zahl von Übernahmeangeboten in Italiens Finanzsektor.
Sechs mögliche Verschmelzungen in Italien
Es gibt allein sechs größere inneritalienische Vorhaben. Die Übernahme des Vermögensverwalters Anima durch den BPM ist in trockenen Tüchern. Aktuell (bis 23. Juni) läuft noch ein Übernahmeangebot der HVB-Mutter Unicredit von 11 Mrd. Euro für den Branchendritten BPM, dessen Aktionär Crédit Agricole auf 20% aufgestockt hat. Ferner bietet die Monte dei Paschi di Siena (MPS) 13 Mrd. Euro für die Investmentbank Mediobanca, Banca Ifis will Illimity, die viertgrößte Bank BPER will sich die sehr ertragsstarke Volksbank von Sondrio einverleiben und die Mediobanca die zu 50,1% von der Versicherung Generali kontrollierte Banca Generali.
Außerdem hat Unicredit einen Anteil von 6,7% an der Generali und direkt und über Derivate 29% an der Commerzbank erworben. Auch das könnte in eine Übernahme münden. Allerdings hat die Bank of America jetzt nach den positiven Quartalszahlen des deutschen Instituts das Kursziel von 27 auf 30 Euro erhöht. Ein solch hohes Kursniveau könnte eine Übernahme erschweren.
Unsicherheit könnte wachsen
Die Übernahmeangebote könnten die Finanzlandschaft des Landes tiefgreifend verändern. Problematisch ist aus Sicht von Stefano Caselli, Dekan der renommierten Mailänder SDA Bocconi School of Management, dass sie überwiegend schwach sind und sich zeitlich in die Länge ziehen. Er befürchtet, dass eines der oder mehrere Angebote nur mit der niedrigsten zulässigen Zustimmung der Aktionäre angenommen werden. Das würde die Unsicherheit erhöhen und wäre für das Bankensystem das schlimmstmögliche Szenario.
Heftige Gegenwehr
Mit Ausnahme von Anima und womöglich der Banca Generali wehren sich die „Opfer“ vehement. Annäherungen sind nicht festzustellen. Erschwerend kommt die massive Einflussnahme der Regierung in Rom hinzu. Über eine Golden-Power-Regelung verfügt sie über umfangreiche Eingriffsrechte. Mit dem schwammigen Begriff der Wahrung der nationalen Sicherheit lässt sich quasi jede Intervention rechtfertigen.
Rom stellt harte Bedingungen
Für die geplante Übernahme des BPM durch Unicredit hat Rom so harte Bedingungen gestellt, dass das Vorhaben für die HVB-Mutter womöglich unattraktiv wird. Rom macht Vorgaben für die Kreditvergabe und den Umfang der zu haltenden italienischen Staatsbonds und verlangt den Rückzug aus Russland. Unicredit-CEO Andrea Orcel fordert mehr Transparenz und erwägt eine Rücknahme des Übernahmeangebots. Rom mischt als Aktionär der Monte dei Paschi auch bei deren Übernahmeangebot für die Mediobanca mit und unterstützt das Vorhaben.
„Die Regierung hat ihren Instrumentenkasten ausgeschöpft, um politische Zugeständnisse zu bekommen“, urteilt Caselli. Bei anderen Vorhaben, etwa dem Angebot von Monte dei Paschi für die Mediobanca, stellt sie keine Bedingungen. Für Carlo Messina, CEO der Intesa Sanpaolo, hat durch all diese Einmischungen die Verwirrung zugenommen. Er hält sich raus. Seine Bank, die 2020 die Ubi Banca übernommen hat, darf schon aus kartellrechtlichen Gründen – zumindest bei Banken – nicht mitmischen.
Auch Branchenfremde sind im Spiel
Der Ausgang der diversen Übernahmeschlachten wird auch durch die Präsenz branchenfremder Akteure beeinflusst. Der Bau- und Medienunternehmer Francesco Caltagirone und die Familie Del Vecchio, Großaktionär des Brillenriesen EssilorLuxottica, sind Anteilseigner sowohl der Monte dei Paschi als auch der Mediobanca und der Versicherung Generali. Caltagirone steht der Regierung sehr nah. Das neue Kapitalmarktgesetz trägt wesentlich seine Handschrift.
Orcel stellt fest, dass nicht nur die italienische Regierung, sondern auch die spanische oder deutsche Regierung immer stärker eingreifen, um unliebsame Übernahmen zu verhindern. Rom hatte 2017 die Monte dei Paschi verstaatlicht. Versuche, die Bank im Zuge der von der EU verlangten Privatisierung der Unicredit zuzuschustern, sind zweimal an deren Widerstand gescheitert: einmal unter dem früheren CEO Jean-Pierre Mustier und einmal unter Orcel. Dass ausgerechnet die Mediobanca eine auf des Messers Schneide stehende Kapitalerhöhung bei der Monte dei Paschi sicherstellte, die Voraussetzung für ihre Erholung war, ist eine Ironie der Geschichte. Denn jetzt will ausgerechnet die MPS die Mediobanca übernehmen.
Regierungspläne vereitelt
Orcel aber hat Rom nochmal in die Suppe gespuckt. Mit seinem Übernahmeangebot für den BPM vereitelte er den Plan der Regierung, Monte dei Paschi mit dem BPM zusammenzubringen, um eine dritte italienische Großbank zu bilden. Roms Alternativplan: Eine neue Großbank, bestehend aus Mediobanca und Monte dei Paschi. Viele Beobachter halten es nicht für eine gute Idee, eine Investmentbank mit einem starken Schwerpunkt im Wealth Management mit einer mittelgroßen Geschäftsbank zusammenzuspannen.

Auch die Mediobanca ist dagegen. Sie wehrt sich mit der Offerte für die Banca Generali, um so einen großen nationalen Vermögensverwalter zu schmieden. Dafür will die Mediobanca ihre Beteiligung von 13% an der Generali verkaufen. Der Mediobanca-Aktienkurs ist deshalb zuletzt stark gestiegen. Monte dei Paschi müsste das Angebot an deren Aktionäre wohl aufstocken, um zum Erfolg zu kommen.
Es geht um Generali
Vielen Beteiligten geht es in Wahrheit wohl um die Generali. Ohne ihren Großaktionär Mediobanca droht sie zum Spielball Caltagirones und Del Vecchios zu werden. Unicredit hat sich mit dem Erwerb von 6,7% an Generali in Stellung gebracht. In Mailand heißt es, Intesa Sanpaolo könnte intervenieren. Für Rom ist entscheidend, dass Generali 36 Mrd. Euro an italienischen Bonds im Portfolio hat. Außerdem ist die Regierung gegen Pläne Generalis, in der Vermögensverwaltung ein Bündnis mit der französischen Natixis einzugehen. Auch hier könnte die Golden-Power-Regelung ins Spiel kommen.
Größe entscheidend
Wie es weitergeht, ist unklar. Am Ende könnte sogar mehr Unsicherheit herrschen. Eine Zersplitterung wäre für Caselli die schlechteste Lösung. Nach seiner Ansicht braucht es europäische Champions, die mit den globalen Großen mithalten können, vor allem im Investment Banking. Sowohl Unicredit als auch Intesa Sanpaolo oder Generali haben aus seiner Sicht das Zeug dazu, Kristallisationspunkt einer solchen Konsolidierung zu werden. Größe ist aus seiner Sicht unabdingbar, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Doch auch Übernahmen bergen Risiken: Die Integration ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung.