Volatilität

Die erstaunliche Reaktion auf die Notenbanken

Die positive Reaktion der Märkte auf falkenhafte Entscheidungen und Verlautbarungen der Notenbanken ist auf den ersten Blick erstaunlich. Die Lösung des Rätsels liegt am Derivatemarkt.

Die erstaunliche Reaktion auf die Notenbanken

Es klingt wie ein falscher Film. Die EZB erhöht ihren Leitzins um 0,5% und bekennt sich für den März zur nächsten Erhöhung um 0,5%. Als Reaktion darauf legt der Dax um mehr als 2% zu, der dazugehörige Volatilitätsindex fällt um fast 10%. Für den Bund-Future geht es ebenfalls gut 2% nach oben, bei 6% niedrigerer impliziter Volatilität.

Tags zuvor das gleiche Bild in den USA: Anders als von vielen erhofft, lässt die Fed den Plural bezüglich künftiger Zinserhöhungen stehen und erteilt zusätzlich Zinssenkungen in diesem Jahr eine Absage. Doch Aktien und Renten jenseits des Atlantiks ziehen 1% an, die Volatilitäten in beiden Assetklassen gehen zurück.

Interpretieren Anlegerinnen und Anleger die Aussagen der Notenbanken auf ihre eigene Weise? Oder reicht es schon aus, wenn die ganz großen negativen Überraschungen ausbleiben? Immerhin haben sich die Notenbanken bei allen Zinsentscheidungen seit Beginn des Erhöhungszyklus ab März 2022 mehr oder weniger im erwarteten Rahmen bewegt.

Tatsächlich wirkt es, als ob das Ausbleiben negativer Überraschungen die Kauflust deutlich anheizt. Seit März letzten Jahres hat die Fed achtmal an der Zinsschraube gedreht. In diesem gesamten Straffungszeitraum hat der S&P 500 gut 3% an Wert verloren. Aber: An den jeweiligen Handelstagen der Zinserhöhungen ging es für den S&P 500 im Durchschnitt um 0,7% nach oben. An diesen Tagen wurden 11% mehr S&P-500-Aktien gehandelt als sonst in diesem Zeitraum. Beim Dax fällt das Handelsvolumen an den bisherigen fünf Notenbanktagen im Erhöhungszyklus mit 39% über Durchschnitt sogar noch deutlich üppiger aus.

Starker Volatilitätsrückgang

Steigende Aktienkurse führen in aller Regel zu sinkenden Volatilitäten. Dies belegt auch die Historie. Eine Regressionsanalyse seit Beginn der Zinserhöhungen zeigt, dass der Vix pro 1% Kursgewinn beim S&P 500 um 3,15% fällt. Angewendet auf das durchschnittliche Kursplus von 0,7% müsste der Vix an Notenbanktagen also um 2,2% fallen. Tatsächlich geht der Vix mit einem Rückgang um mehr als 6% an diesen Handelstagen aber beinahe dreimal so stark zurück. Auch beim Dax geht die implizite Volatilität an diesen Tagen unerwartet stark zurück.

Hierfür sind weitere Gründe verantwortlich. Tatsächlich werden an Notenbanktagen tendenziell Absicherungspositionen aufgelöst. Beim Future auf den Euro Stoxx 50, der besonders häufig zur Absicherung eingesetzt wird, ging das Open Interest an vier der fünf Erhöhungstage zurück. Auch beim Future auf den S&P 500 geht das Open Interest an Straffungstagen im Durchschnitt zurück. Zudem wurden an den letzten beiden Notenbanktagen signifikante Put-Positionen auf den S&P 500 aufgelöst.

Fernab jeder Statistik

Auf der Rentenseite zeigt sich diese Erleichterung über das Ausbleiben negativer Überraschungen genauso deutlich. Seit Beginn des jeweiligen Erhöhungszyklus sind die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen um 1,3% angestiegen, die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen um 0,8%. Trotzdem sind die Renditen an den Notenbanktagen gesunken, für Treasury- und Bund-Future-Kontrakte ging es an Notenbanktagen im Durchschnitt um 0,3% nach oben. Noch erstaunlicher ist der Blick auf die implizite Volatilität der Renten-Futures. Beim Bund-Future und beim Treasury-Future sind die Volatilitäten bisher an jedem einzelnen Zinserhöhungstag gefallen. Der durchschnittliche Rückgang am Tag der Zinsentscheidung beträgt in den USA gut 4%, in Deutschland gut 5%. Eine Anwendung des historischen Regressionszusammenhangs würde dagegen deutlich geringere Rückgänge von knapp 1% in Deutschland und gut 1% in den USA erwarten lassen.

Die Lösung des Rätsels liegt auch hier am Derivatemarkt. In den USA waren am Tag der letzten Fed-Entscheidung 72% der Options-Trades auf den Treasury-Future bullish ausgerichtet. Nur 28% dienten der Absicherung. Beim Bund-Future wurden im Rahmen der letzten drei Zinsentscheidungen per saldo Put-Optionen geschlossen.

Natürlich dürfen diese kurzfristigen Reaktionen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Notenbanken den Aktien- und Rentenmarkt mittel- bis langfristig sehr wohl in die gewünschte Richtung beeinflussen können. Aber kurzfristig gibt es eben durchaus diese Tage zum Staunen.

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