Craig Cameron, Franklin Templeton

„Wir brauchen viel mehr Kupfer“

Craig Cameron von Franklin Templeton sieht große Chancen für Investitionen in erneuerbare Energien. Zudem seien Anlagen in den Bergbau nötig, um eine nachhaltigere Wirtschaft zu erreichen.

„Wir brauchen viel mehr Kupfer“

Alex Wehnert.

Herr Cameron, die restriktive Geldpolitik sorgt für eine Liquiditätsverknappung an den Finanzmärkten. Inwiefern beschränkt dies auch Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien?

Sicher haben die strafferen Kurse der Federal Reserve und der Europäischen Zentralbank den Fokus von langfristigen Anlagechancen abgelenkt, dazu zählt auch die Dekarbonisierung. Dies hat 2022 die Kurse einiger Unternehmen aus dem Feld der erneuerbaren Energien unter Druck gesetzt. Gerade dieser kurzfristige Fokus der Marktteilnehmer stellt aber eine Chance dar, sich bei Technologie-, Grundstoff- oder Industrieunternehmen zu engagieren, die auf lange Sicht vom Kampf gegen den Klimawandel profitieren dürften.

Die Inflation, die Fed und EZB bekämpfen, ist zu einem bedeutenden Teil auf deutlich gestiegene Energiepreise zurückzuführen.

Richtig, und wenn es eine Sache gibt, die Unternehmen und Verbraucher dazu anhält, Emissionen zu reduzieren, dann sind es höhere Kosten. Die zwei größten Komponenten in unserem Fonds sind Energieeffizienz und Erneuerbare. Über beide lassen sich Energiekosten senken. Industrieunternehmen, die Lösungen aus diesen Bereichen anbieten, besitzen langfristig positive Aussichten.

Wo entlang der Lieferkette sollten Investoren einsteigen?

Für uns sind Zulieferer, die Solarpanels oder Rotoren für Windturbinen herstellen, im Regelfall interessanter als Projektentwickler an sich. Für das massive Wachstum der Versorgung aus erneuerbaren Energien, das zur Erreichung von Netto-null-Zielen notwendig ist, braucht es Unternehmen mit hohem und schnellem Skalierungspotenzial. Für kleinere, bewegliche Unternehmen ist eine solche Skalierung viel schneller möglich als für einen großen Versorger, da sie für ihr Wachstum viel weniger Kapital aufbringen müssen.

Sie investieren doch in Versorger?

Ja, wir haben einige Versorger aus Europa im Portfolio. Damit diese für uns interessant werden, müssen sie aber über eine sehr kohlenstoffarme Energieerzeugung verfügen oder in anderen Teilen der Lieferkette involviert sein. Wir investieren in die schottische SSE, die über eine große Pipeline an Offshore-Windprojekten verfügt. Wir halten auch Aktien von Eon, wobei es weniger um Energieerzeugung als um die Infrastruktur für Energie aus erneuerbaren Quellen geht. Der Energietransfer ist bei Kohle und Gas einfach, für Wind- und Solarkraft dagegen schwieriger. Das wird ein zunehmend wichtiger Teil der Wertschöpfungskette.

Sie nennen europäische Werte, wie ist die geografische Gewichtung ihres Portfolios verteilt?

Wir betrieben ja eine Bottom-up-Analyse und eine entsprechende Auswahl von Einzelwerten, deswegen ergibt sich die geografische Gewichtung aus den Gelegenheiten, die wir finden. Wir haben aber ein deutliches Übergewicht in Europa, während wir die USA eher untergewichten.

Welche Chancen bietet Asien?

Wir haben durchaus ein bedeutendes Exposure gegenüber Asien. Allerdings investieren wir dort ausschließlich in Indien, Japan, Südkorea und Taiwan. Der Portfolioanteil in China liegt schon seit längerem bei nahezu 0%. Wir wollen nachweisen können, dass alle Unternehmen aus unserem Portfolio eine gute Governance besitzen. In China kann das aber schwierig sein. Eine der großen Sorgen dabei ist die Solarkraft-Lieferkette. Denn diese ist stark von Polysilikon abhängig, das üblicherweise in Westchina hergestellt wird. Es gibt in der Region Probleme mit Zwangsarbeit, außerdem ist die Produktion dort von der Energieerzeugung aus Kohle abhängig.

Ist die Transparenz in anderen Märkten wie Indien denn höher?

Das würde ich definitiv so sagen, das Land ist nun einmal eine Demokratie und verfügt über eine sehr starke Gründerkultur. Die Chancen gerade für Solarenergie in Indien sind unglaublich. Die zunehmende Reife der indischen Volkswirtschaft wird einen Nachfrageschub nach Energie auslösen. Die Region war in der Vergangenheit sehr abhängig von Kohlestrom, was sich ändern wird. Indien kann in vielerlei Hinsicht die Gasversorgung überspringen und direkt zu den erneuerbaren Energien wechseln. Es sind schon großvolumige Windkraft-Installationen verfügbar.

Wie sehen Sie die Chancen in Bezug auf Solarkraft?

Die Regierung will Energie aus dieser Quelle stark fördern. In Bezug auf die Installationskosten ist die Wüste von Rajasthan einer der effizientesten Orte auf der Welt. Die Intensität der Sonnenstrahlung dort ist sehr hoch. Zugleich fallen die Kosten für Grund und Boden sowie auch die Lohnkosten niedrig aus. Eine Herausforderung für Investoren aus dem Westen sind die höheren Zinsen, doch die Notenbanken straffen wie besprochen auch in anderen Ländern. Insgesamt bieten Investitionen in Indien also große Vorteile gegenüber Investitionen in China.

China ist auch Partei in handelspolitischen Konflikten, die USA haben erst im Oktober Restriktionen in Bezug auf Halbleiterexporte in die Volksrepublik erlassen. Welche Probleme birgt das für Nachhaltigkeitsinvestoren?

Die Halbleiterbranche ist unter diesem Gesichtspunkt sehr schwierig zu bewerten. TSMC ist den Handelsspannungen zwischen den USA und China voll ausgesetzt und hat darüber hinaus mit Deglobalisierungsrisiken zu kämpfen. Das Unternehmen hat nun angefangen, Produktionskapazitäten in den USA und Japan aufzubauen, und erhält dafür sogar staatliche Subventionen in anderen Ländern. Die Nachfrage nach Chips, auch für Anwendungen aus dem Feld der erneuerbaren Energien und für Elektroautos, ist indes hoch. Ich glaube deshalb, dass große Halbleiterproduzenten die Deglobalisierung aushalten und mitgestalten können.

Sie sprechen die Bezuschussung für die Halbleiterindustrie an. Ist eine zu starke Abhängigkeit von Subventionen für Nachhaltigkeitsinvestoren nicht gefährlich?

Investoren sollten sich immer vor Abhängigkeiten in Acht nehmen. Doch ist es besser, Subventionen zu erhalten, als keine zu erhalten. Ihre Frage wird ja wiederholt in Bezug auf die USA aufgeworfen. Dort sind die Subventionen für Erneuerbare zwar immer wieder mal ausgelaufen, wirklich zurückgefahren wurden sie aber nie. Heute sind die Anlagen, insbesondere für Solarkraft in den Südstaaten, auch ohne Subventionen wettbewerbsfähig, Zuschüsse können das Wachstum und Effizienzsteigerungen aber ankurbeln.

Hoffnungen setzen Nachhaltigkeitsinvestoren auf den Inflation Reduction Act.

Ja, und dieser stammt von einer demokratischen Regierung, enthält interessanterweise aber signifikante Anreize für die heimische Produktion. Hier gilt Ähnliches wie für andere politische Unterstützungsmaßnahmen: Sollten die Republikaner Subventionen kürzen, würden sie Zehntausende Jobs vernichten – insbesondere in ihren Heimatstaaten, der Süden verfügt ja wie angesprochen über große Solarkapazitäten. Politisch wäre ein Zurückfahren solcher Hilfen also nicht opportun.

In der Vergangenheit haben die USA insbesondere in Bezug auf Windenergie mehr Protektionismus betrieben als Europa. Besteht dieser Nachteil fort?

Europa muss pragmatischer werden. Das offensichtliche Beispiel ist die deutsche Solarindustrie. Im Jahr 2013 gab es noch viele deutsche Unternehmen auf dem Markt, aber auch viel Konkurrenz aus China. Die Unternehmen aus der Volksrepublik erfuhren hohe Unterstützung von der Regierung. Die Solarkapazität in Deutschland bildet heute nur einen Bruchteil dessen ab, was in China vorhanden ist. Wenn man sich anschaut, wie die Produkte in China hergestellt werden, dann haben wir wahrscheinlich nicht gerade das beste Ergebnis erzielt. Ein stärkerer Fokus auf die heimische Produktion kann helfen sicherzustellen, dass die Fertigung nachhaltiger abläuft.

Sie erwarten auch eine anziehende Nachfrage nach Industriemetallen, die für Elektroautos sowie Solar- und Windkraftanlagen benötigt werden. Wie wiegen Sie dies gegen die Umweltschäden durch den Bergbau ab?

Investitionen in den Bergbau sind ein notwendiges Übel auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Wirtschaft. Wir brauchen viel mehr Kupfer, Nickel und Lithium, als heute produziert wird, um die Wirtschaft zu dekarbonisieren. Lithium wird für alle effizienten Batteriesysteme benötigt. In einen Produzenten des Metalls zu investieren, stellt eine Anlage in das Wachstum des Batteriemarktes dar. Dabei müssen Marktteilnehmer gar nicht darüber nachdenken, welche Batterietechnologie sich durchsetzt. Ähnlich sieht es bei Kupfer aus.

Inwiefern?

Für ein Elektroauto braucht es viermal mehr Kupfer als für ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Für einige Windkraftanlagen wird gar fünfmal so viel Kupfer benötigt wie für die Erzeugung der gleichen Menge an Energie aus herkömmlichen Quellen.

Müssen sich Investoren also einfach mit Umweltbelastungen auf dem Weg dahin abfinden?

Nein, entscheidend ist, wie die Konzerne die Metalle aus dem Boden holen und wie Anleger am besten an nachhaltigen Fördermöglichkeiten partizipieren können. Nachhaltigere Mining-Methoden sind kostenaufwendiger, daher müssen auch die Preise der Industriemetalle steigen. Wir prüfen, welche Unternehmen ihre Produktion am schnellsten dekarbonisieren und über die beste Position in der Industrie verfügen.

Können Sie Beispiele nennen?

Wir setzen auf den chilenischen Bergbaukonzern Antofagasta. Das Unternehmen nutzt in all seinen Bergwerken inzwischen zu 100% erneuerbare Energien und hat viel in die Entsalzung von Meerwasser investiert. Bis 2025 wird 90% seines Wasserverbrauchs daher aus recyceltem Wasser oder Meerwasser bestehen. Das Unternehmen investiert zudem viel, um die anderen Teile seiner Produktion zu dekarbonisieren, zum Beispiel den Transport über Trucks. Antofagasta zählt also zu den Unternehmen, die nicht nur vom Anstieg der Kupfernachfrage profitieren, sondern sogar Preise steigern kann, weil es ein nachhaltigeres Produkt anbietet als die Wettbewerber.

Ist die Zahlungsbereitschaft wirklich so hoch?

Wir unterhalten uns ja mit den Kunden von Antofagasta, zum Beispiel dem Kabelhersteller Prysmian. Für diese Unternehmen ist es notwendig, Emissionen reduzieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben, dabei zählt die gesamte Lieferkette. Deshalb sind diese Kunden auch bereit, mehr für Kupfer mit niedrigerem CO2-Footprint zu bezahlen. Wir sprechen mit Antofagasta viel darüber, sich ihre klimaneutralen Anwendungen unabhängig zertifizieren zu lassen. Das erhöht das Vertrauen der Kunden.

Die Lieferkette ist also auch für Sie als Investor entscheidend, doch wie sieht es über die Produktion und die Energieerzeugung hinaus aus? Investieren Sie auch in die Speicherung von Energie?

Eine offensichtliche Lösung ist die Speicherung über grünen Wasserstoff. Bisher bestehen die Hauptgelegenheiten aber im Markt für Elektroautos. Wir investieren in Samsung SDI, ein Pure Play im Bereich der Batterieherstellung. Den Hauptteil des Geschäfts generiert das Unternehmen mit Batterien für Elektroautos. Eine Sparte fokussiert sich auf Energiespeichersysteme. Eine Kombination aus Solar- und Windkraft hilft, die Versorgung aus erneuerbaren Energien konstant hoch zu halten. Der Einsatz von Batterien kann die Konstanz noch erhöhen.

Das Interview führte

BZ+
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