Berichtssaison

Britische Banken trotzen Abschwung

Steigende Lebenshaltungskosten, Streiks und Unternehmenspleiten hören sich nicht nach guten Geschäften für Banken an. Doch die britische Finanzbranche ist zumindest für 2023 und 2024 gut aufgestellt.

Britische Banken trotzen Abschwung

Wer die Berichterstattung zu Großbritannien in den deutschen Medien verfolgt, wird nicht auf die Idee kommen, dass Bankaktionären goldene Zeiten ins Haus stehen könnten: Die Lebenshaltungskosten steigen rasant. Streiks lähmen das Land. Die Bank of England rechnet mit einer langanhaltenden Rezession. Die Geschäfte der Banken sind in der Regel stark von der wirtschaftlichen Aktivität auf ihrem Heimatmarkt abhängig. Ein Abschwung führt zu mehr Kreditausfällen. Höhere Zinsen dämpfen die Kreditnachfrage. Doch das ist nicht die ganze Geschichte.

Banken seien immer noch vorsichtig bei der Kreditvergabe an Unternehmen aus Branchen, die von der Pandemie in Mitleidenschaft gezogen wurden, sagte Laurie Mayers, die sich als Associate Managing Director bei Moody’s mit europäischen Banken beschäftigt. „Der Risikoappetit ist begrenzt.“ Dabei dürften die britischen Kreditinstitute im laufenden und kommenden Jahr gute Geschäfte machen. Die Erholung von der Pandemie laufe immer noch. Die steigenden Zinsen werden nur in sehr geringem Umfang an die Einlagenkunden weitergegeben. Sie wirken sich auch auf die Absicherungsgeschäfte der Banken (Structural Hedge Portfolios) aus. Sie dürften künftig einen wesentlich höheren Beitrag zum Zinsergebnis leisten. Die immer weiter vorangetriebene Digitalisierung senkt die Betriebskosten – selbst bei der Vergabe von Wohnimmobiliendarlehen. Strenge Richtlinien für die Kreditvergabe sorgen dafür, dass Risikokunden außen vor bleiben. „Den Banken schadet es nicht, dass viele Leute ihre Rechnungen nicht bezahlen können“, sagte ein Bankanalyst. „Denn diese Leute haben bei ihnen ohnehin keinen Kredit. Das ist ein soziales Problem, kein Problem der Banken.“

Schon bevor Barclays am Mittwoch die Berichtssaison der britischen Großbanken eröffnete, zeigten Ergebnisse kleinerer Institute, wohin die Reise geht. Die von Sabadell übernommene TSB Bank wies für das vergangene Jahr das beste Vorsteuerergebnis seit ihrem Relaunch 2013 aus. Virgin Money UK berichtete Anfang des Monats von profitablem Wachstum im Kreditgeschäft bei allgemein stabiler Kreditqualität. Die Nettozinsmarge stieg im Ende De­zember abgelaufenen ersten Ge­schäftsquartal um 3 auf 189 Basispunkte und bewegte sich damit be­reits am oberen Ende der für das Gesamtjahr 2022/23 genannten Spanne von 185 bis 190 Basispunkten. Nachdem die Bank of England Anfang des Monats erneut den Leitzins um 50 Basispunkte erhöhte, gibt es weiteres Aufwärtspotenzial. Auch die Risikokosten lagen über der bislang erwarteten Spanne. Die steigende Zahl von Unternehmenspleiten und die wachsende Verschuldung der privaten Haushalte dürften im Zusammenspiel mit den schwachen gesamtwirtschaftlichen Aussichten höhere Wertberichtigungen erforderlich machen als bislang unterstellt.

Es war nicht das Geschäft auf dem britischen Heimatmarkt, das dafür sorgte, dass Barclays im Schlussquartal die Markterwartungen enttäuschte. Dafür sorgten eine höhere Risikovorsorge der Gruppe insgesamt und schwache Geschäfte im Investment Banking. Das Zinsergebnis von Barclays UK schwoll um gut ein Fünftel an. Die Nettozinsmarge verbesserte sich auf 3,10 (i.V. 2,49) % und soll im laufenden Jahr auf mehr als 3,20 % steigen. Die Eigenkapitalrendite erreichte 18,7 %. Die Kosten gingen unterdessen zurück. Filialschließungen und zunehmende Automatisierung trugen dazu bei. „Mehr als 90 % unserer Kundentransaktionen werden mittlerweile digital getätigt“, sagte Finanzchefin Anna Cross in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Mehr als 10,5 Millionen Kunden nutzten die Mobile-Banking-App. Seit Einführung Ende September hätten 220000 ein „Rainy Day Saver“-Sparkonto online eröffnet, das für Einlagen von bis zu 5 000 Pfund einen Zins von 5,12 % bietet. Mit einem Aktienrückkauf von 500 Mill. Pfund blieb Barclays hinter den Markterwartungen zurück.

Auch von Standard Char­tered, die am Donnerstag ihre Ge­schäftszahlen vorlegt, wird von Analysten ein Aktienrückkauf erwartet. Die Bank, die einen Großteil ihres Ge­schäfts in Schwellenländern macht, stand zuletzt wegen der nicht abreißenden Spekulationen, die First Abu Dhabi Bank könnte ein Angebot für sie abgeben, im Fokus.

Natwest dürfte am Freitag ihren höchsten Vorsteuergewinn (5,6 Mrd. Pfund) seit der Finanzkrise vorlegen. Wie Lloyds Banking Group ist das schottische Institut vorwiegend auf dem britischen Heimatmarkt tätig. Allerdings ist der Staat bei Natwest seit der Finanzkrise größter Anteilseigner. Bis auf 45 % ist die Staats­beteiligung bereits abgeschmolzen. Von ihrer Beteiligung an Lloyds konnte sich die öffentliche Hand bereits trennen. Eine positive Überraschung beim Gewinn dürfte erneute Diskussionen darüber auslösen, ob der Staat seine restlichen Natwest-Aktien abstoßen oder noch ein paar Jahre Dividenden mitnehmen soll. HSBC wird ihre Zahlen am Dienstag (21. Februar) präsentieren, Lloyds Banking Group am Mittwoch (22. Februar).

Das größte Risiko für die Institute ist nicht wirtschaftlicher, sondern politischer Natur. Das Image der Branche hat sich von der Finanzkrise nie richtig erholt. Viele Briten haben nicht vergessen, dass sie damals für die Rettung von Natwest (damals: Royal Bank of Scotland) und Lloyds Banking Group aufkommen mussten. Entsprechend schlecht kommen dicke Boni und satte Dividenden in der Öffentlichkeit an. Wie Sky News berichtete, will Natwest Boni im Volumen von 350 (i.V. 298) Mill. Pfund an die Mitarbeiter ausschütten.

Der Finanzausschuss des Unterhauses bestellte die Chefs der großen Banken ein, um sie zu fragen, wann die Zinserhöhungen an die Einlagenkunden weitergegeben werden. Als Natwest-Chefin Alison Rose mitteilen ließ, sie sei zu beschäftigt, um sich den Abgeordneten zu stellen, sorgte das bereits für Ungemach. Schatzkanzler Jeremy Hunt müsste nicht viel Widerstand in der Bevölkerung überwinden, um die Banken mit einer Übergewinnsteuer zu belegen. Möglich wäre auch, den Instituten einen niedrigeren Zins auf ihre bei der Notenbank hinterlegten Reserven zu zahlen. Der Chefvolkswirt der Bank of England, Huw Pill, wies solcherlei Überlegungen im November vergangenen Jahres allerdings entschieden zurück. Gertjan Vlieghe, ein ehemaliger Geldpolitiker, rückte eine solche Kürzung des Zinses durch die Regierung gar in die Nähe eines Defaults.

Von Andreas Hippin, London

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