Inflation als Treiber

Gewinne mit Luxus

Der Inflationsschub ist für Luxus-Aktien zum Treiber geworden. Denn die Branche kann Preisanstiege überproportional an ihre Kunden weitergeben. Zudem profitieren die Konzerne von Technologie-Trends.

Gewinne mit Luxus

Den großen Luxuskonzernen haftet eine glamouröse Aura an, die auch auf ihre Börsenkurse ausstrahlt. So gehören die Branchenführer Hermès und LVMH über die vergangenen zwölf Monate zu den Top-Performern im Euro Stoxx 50, zudem sind auch kleinere Sektorwerte wie die Aktie des französisch-italienischen Brillenkonzerns EssilorLuxottica unter den stärksten Werten im Eurozonen-Leitindex. Dabei ist der massive globale Inflationsschub zum Kurstreiber geworden und dürfte es laut Marktstrategen vorerst auch bleiben.

Denn die Preissetzungsmacht der großen Branchenvertreter ist laut Swetha Ramachandran, Investmentmanagerin für Luxusaktien beim Schweizer Vermögensverwalter GAM, in einem Umfeld mit hoher Teuerung ein entscheidender Vorteil. Die prognostizierten Bruttomargen der meisten Unternehmen des Sektors lägen etwa auf dem Niveau ihrer historischen Durchschnittswerte, obwohl die Kosteninflation höher als zu jedem anderen Zeitpunkt in den vergangenen drei Jahren sei. Dies deute darauf hin, dass starke Marken die anziehende Teuerung über die Preisgestaltung weitergeben könnten. Dass dies langfristig sogar überproportional funktioniert, zeigt auch die Entwicklung des vom Magazin „Forbes“ errechneten Cost of Living Extremely Well Index. Dieser bildet den Preisanstieg eines Warenkorbs aus Luxuswerten ab – darunter Yachten, Jagdflinten, Vollblutpferde und sogar Lebensmittel wie Kaviar – und hat zwischen der Auflage im Jahr 1982 und 2021 mehr als dreimal so stark zugelegt wie die Verbraucherpreise in den Vereinigten Staaten.

Dass die Federal Reserve angesichts der höchsten US-Inflation seit 40 Jahren eine geldpolitische Wende eingeleitet hat und auch die lange abwartende Europäische Zentralbank restriktivere Signale sendet, nehmen Luxusfondslenker indes gelassen. „Luxusaktien gelten typischerweise als Growth-Werte, weshalb sie in einem Umfeld steigender Zinsen eigentlich keine gute Performance verzeichnen sollten“, sagt Anne Le Borgne, Senior Thematic Equity Portfoliomanager bei der Amundi-Tochter CPR Asset Management. „Wichtiger ist allerdings, dass die Unternehmen aus der Branche in der Regel ein äußerst profitables Wachstum erzielen.“ Kurzfristig könnten die vergleichsweise hohen Bewertungen von LuxusAktien zwar zu Rückschlägen führen, allerdings seien die Kurs-Gewinn-Verhältnisse im Sektor zuletzt bereits zurückgegangen. „Langfristig werden das Wachstum der Luxusmarken und die stabilen Geschäftsmodelle ohnehin unterschätzt – gerade bei der aktuell vorherrschenden Volatilität dürften sich somit günstige Einstiegsgelegenheiten ergeben“, führt Le Borgne aus. Die Absatzzahlen der großen Luxusmarken hätten sich bereits von den coronabedingten Einbrüchen erholt und lägen deutlich über den Vorkrisenniveaus.

Günstige Einstiegsgelegenheiten

„Zinserhöhungen und ein Liquiditätsentzug treffen Unternehmen, die nicht profitabel sind und viel Kapital verbrauchen, statt Neues zu generieren“, betont auch GAM-Investmentmanagerin Ramachandran. „Der Luxussektor dagegen ist hochprofitabel, die Konzerne haben ihre Ertragskraft während der Pandemie sogar noch gesteigert.“ Die Nachfrage nach Luxusgütern sei wesentlich stärker an wirtschaftliches Wachstum gekoppelt als an Zinssätze. Die Fed versuche nun, genau diesen ökonomischen Aufschwung abzusichern, indem sie das Problem der anziehenden Inflation in den USA mit restriktiveren Maßnahmen angehe.

„Zudem sollten Investoren bedenken, dass ein Drittel der globalen Nachfrage nach Luxusgütern aus China stammt – dort hat die Notenbank ihre Geldpolitik zuletzt wieder gelockert“, unterstreicht Ramachandran. Das Nachfragewachstum in Asien habe sich in den vergangenen Monaten nach Angaben großer Luxuskonzerne wie LVMH beschleunigt. „Trotz lokaler Corona-Gegenmaßnahmen dürfte sich dieses Momentum fortsetzen“, prognostiziert die Investmentmanagerin. Das Reiseaufkommen zahlungskräftiger Passagiere werde nach einer schwankungsanfälligen Entwicklung infolge der Ausbreitung der Virusvarianten Delta und Omikron voraussichtlich wieder anziehen. Gerade in Bezug auf Uhren und Schmuck sei bereits jetzt ein deutlicher Nachfrageüberhang zu beobachten, der für die Preisentwicklung äußerst positiv sei.

Auch Le Borgne glaubt, dass die Coronakrise und damit verbundene Reisebeschränkungen die Nachfrage aus China nur vorübergehend belasten. „Die Quartalsberichte der Unternehmen haben gezeigt, dass sich der Luxus-Konsum einfach stärker auf das chinesische Festland verlagert“, betont die Portfoliomanagerin. Vor Ausbruch der Pandemie sei dort lediglich ein Drittel der Nachfrage chinesischer Kunden zustande gekommen, zwei Drittel seien auf internationale Einkäufe entfallen – mittlerweile habe sich dieses Verhältnis umgekehrt. Die Regierung habe auch langfristig Anreize für den Heimatkonsum gesetzt, zum Beispiel durch die Einrichtung von Duty-free-Zonen wie auf der Insel Hainan. Zudem bestünde für die Luxuskonzerne noch Spielraum, die Preise in Festland- china zu senken, da sich diese in den vergangenen Jahren deutlich über den in Europa aufgerufenen Niveaus befunden hätten. Dabei werde der wachsende Wohlstand in China und die steigende Zahl äußerst vermögender Konsumenten die Ausgabebereitschaft in den kommenden Jahren noch ankurbeln.

Die große Überraschung sei indes das Wachstum in den USA gewesen. Dieses sei durch eine breite Beteiligung der Bevölkerung an den Aktienmarktaufschwüngen des vergangenen Jahres sowie den guten Zustand des Immobilienmarkts befeuert worden. „Somit wurde das Verbrauchervertrauen gestärkt, gleichzeitig haben die Konsumenten ihre eigentlich für Reisen geplanten Budgets für Ausgaben im Heimatmarkt aufgewendet“, sagt Le Borgne. Abseits von diesen konjunkturellen Entwicklungen führten auch strukturelle Faktoren zu einem positiven Ausblick für den US-Luxusmarkt. „Die jüngere Generation hat während der Coronakrise mehr Geld für Luxusgüter ausgegeben und versteht diese inzwischen als wichtiges Statussymbol“, führt Le Borgne aus. Der hohe Wiederverkaufswert mache Produkte wie Patek-Philippe-Uhren oder Hermès-Handtaschen als Sammlerstücke zusätzlich attraktiv. Solche exklusiven Modeartikel werden so mitunter sogar zu Anlageobjekten.

„Das Wachstum des Resale-Markts regt Verbraucher dazu an, Luxusprodukte aus erster Hand zu kaufen“, sagt Ramachandran. „Das ist vergleichbar mit der Wirkung des Gebrauchtwagenmarktes auf das Kaufverhalten bei Neuwagen: Wenn ein Kunde den Wiederverkaufswert seines Autos kennt, erhöht das für ihn die Sicherheit und somit auch die Ausgabebereitschaft.“ Im Luxusbereich steigere dieser Effekt insbesondere die Nachfrage nach global führenden Marken, denen Konsumenten eine besonders hohe Werthaltigkeit zutrauten.

Dies trage indes dazu bei, dass die Schere im Segment auseinanderlaufe. Führende Unternehmen der Branche profitierten nicht nur von ihrem bereits höheren Bekanntheitsgrad, sondern auch von größeren Skalierungsmöglichkeiten. Somit könnten sie mehr in neue Produktentwicklungen investieren. Zudem ist es für finanzstärkere Unternehmen laut Le Borgne einfacher, den Ansprüchen der Kunden an Nachhaltigkeit nachzukommen. „Eine hohe Transparenz in Bezug auf den Fertigungsprozess sowie die Recycling-Fähigkeit der Produkte werden für Luxusanbieter zunehmend wichtig“, sagt Le Borgne. Denn in den Textilwirtschaft entstehe durchaus viel Abfall – Investoren achteten nun verstärkt darauf, ob die Unternehmen über glaubhafte Konzepte zur Müllvermeidung verfügten. Zudem stünden wie in anderen Industrien auch die Treibhausgasemissionen entlang der Lieferkette im Fokus. „Für die großen Luxuskonzerne besteht der Vorteil, dass sie ihre Produktion zumeist zu weiten Teilen oder vollständig kontrollieren“, betont Le Borgne. Damit seien sie in der Lage, die Lieferketten bis zu den verwendeten Rohstoffen zurückzuverfolgen.

Konsolidierung erwartet

„Allerdings gibt es auch zahlreiche kleine und mittelgroße Marken, die in bestimmten Nischen eine starke Stellung besitzen und diese durch gezielte Akquisitionen noch ausbauen“, sagt Ramachandran. Ein Beispiel sei die Übernahme des italienischen Outerwear-Labels Stone Island durch Moncler. Für charakteristisch positionierte Marken, die in bestimmten Kategorien Führungsrollen einnähmen, steige künftig auch das Potenzial zu neuen Investitionen. „Allerdings ist der Markt bisher vergleichsweise stark fragmentiert, mit einer zunehmenden Polarisierung der Kundengeschmäcker sollte es auch zu einer verstärkten Konsolidierung kommen“, betont die Marktstrategien.

So erwarten die Analysten von Bloomberg Intelligence, dass insbesondere LVMH seine Übernahmebemühungen nach einer stärker als erwartet ausgefallenen Erholung von der Coronakrise beschleunigen wird. Erst Anfang 2021 hatte der französische Konzern den US-Juwelier Tiffany übernommen, doch angesichts des niedrigen Nettoverschuldungsgrads sei der nächste Deal wohl nicht weit entfernt.

Bereits jetzt ist die Louis-Vuitton-Mutter aber breit aufgestellt und als einziger Branchenvertreter auf allen fünf wichtigsten Luxusfeldern aktiv. Bei diesen handelt es sich um Mode und Lederwaren, Parfüm und Kosmetik, Uhren und Schmuck, Wein und Spirituosen sowie den Reise- und Premiumeinzelhandel. Diese Diversifikation reduziert Risiken und dürfte ein wichtiger Grund für die äußerst positive Analystenstimmung in Bezug auf LVMH sein. So stehen den 28 Kaufempfehlungen für die Aktie in der Bloomberg-Datenbank lediglich fünf „Halten“- und zwei „Verkaufen“-Vota gegenüber.

Zu den Optimisten gehören die Analysten der britischen Großbank Barclays, die das Kursziel für den Titel von 815 auf 880 Euro angehoben haben – gegenüber dem Mitte Februar erreichten Niveau wäre dies ein Plus von nahezu 30 %. Gerade das beschleunigte Wachstum im Geschäft mit Mode und Lederwaren im vierten Quartal 2021 sei ein starker Indikator für die solide Verbraucherstimmung und ein hohes Momentum der Marken Louis Vuitton und Dior. Zudem zeigen sich die Barclays-Analysten in Bezug auf die Entwicklung des Uhren- und Schmuckgeschäfts positiv überrascht.

Letzterem bescheinigt CPR-Portfoliomanagerin Le Borgne unter allen Einzelsegmenten am Luxusmarkt die besten Aussichten, für 2022 sei ein Wachstum von 15 % zu erwarten. Auch in den kommenden fünf bis zehn Jahren sei mit Expansionsraten von 10 bis 12 % im Jahr zu rechnen. „Der Markt wird dabei von einigen wenigen bedeutenden Marken angetrieben, auf die sich die Konsumenten zunehmend fokussieren“, sagt Le Borgne.

Gucci im Aufwind

Zu diesen zählt auch Gucci. Zuletzt übertraf das italienische Modehaus die Markterwartungen mit seinen Zahlen zum vierten Quartal deutlich: Die Erlöse zogen um 32 % an und übertrafen damit auch das Wachstum im Vor-Pandemie-Jahr 2019, die Konsensprognose hatte auf eine Steigerung um 19 % gelautet. Die Popularität klassischer Modelinien des Unternehmens sowie erfolgreiche Neuerscheinungen hätten dazu beigetragen, Rückschläge durch Ladenschließungen in China auszugleichen. Das hebt die Stimmung für die Aktie der Gucci-Mutter Kering: Nach Veröffentlichung der Ergebnisse Mitte Februar stieg die Zahl der Kaufempfehlungen für den Titel laut Bloomberg auf 20. Dagegen votieren acht Analysten auf „Halten“, zwei raten zum Verkauf.

Für Kering ist Gucci mit Abstand die wichtigste Marke, diese generiert 56 % des gesamten Konzernabsatzes sowie 76 % des Betriebsergebnisses. Laut Bloomberg Intelligence besitzt Kering durchaus Möglichkeiten, um die Marke mit Investitionen in das Lederwaren- sowie das Schmuckportfolio weiter aufzubauen und durch frische Designs und E-Commerce-Projekte neue Kunden anzuziehen. Ein Anstieg des Reiseaufkommens im Zuge der Erholung von der Pandemie werde noch für einen zusätzlichen Schub sorgen. Zugleich gewännen auch andere Marken des Konzerns an Bedeutung, beispielsweise im Uhrensegment. Diese Entwicklungen würden voraussichtlich dazu führen, dass Kering das laufende Jahr mit einer Netto-Cash-Position abschließen und somit über zusätzliche Flexibilität verfügen werde.

Laut Ramachandran versuchen viele Anbieter nun, die Erfolgsgeschichten von LVMH und Kering zu reproduzieren und ihren Produktmix zu optimieren, um ein möglichst breites Publikum anzusprechen. „Es bestehen durchaus Wege, das Angebot in neue Preisklassen hinein zu erweitern, ohne die eigene Marke zu verwässern“, sagt die Investmentmanagerin. Die richtige Strategie bestehe darin, die Einstiegspreise in bestimmten Produktkategorien genügend zu senken und zugleich hochwertige Produkte für zahlungskräftige Bestandskunden anzubieten.

Höhere Dividenden in Aussicht

Die strukturell höhere Profitabilität und Liquidität der großen Branchenvertreter erhöhten indes den Druck auf diese, Kapital in größerem Ausmaß an die Aktionäre zurückzuführen. „In den kommenden Jahren dürften Luxuskonzerne in der Lage sein, mehr Kapital als in der Vergangenheit über eine Kombination aus höheren Dividenden und Aktienrückkäufen auszuschütten“, prognostiziert die Expertin.

Derweil böten auch technologische Neuerungen Potenzial für den Sektor. So hätten Cartier, Prada und LVMH gemeinsam das Blockchain-Konsortium Aura aufgesetzt. Ziel sei es, über den Einsatz von Distributed-Ledger-Technologien die Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu erhöhen (siehe „Chancen auf der Blockchain“ ab Seite 34 in dieser rendite). „Somit können Konsumenten prüfen, woher das Material für ihre Handtasche stammt, was unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten große Vorteile birgt“ sagt Ramachandran. Zudem könne somit die Authentizität der Produkte leichter belegt und letztendlich der Markt für gefälschte Luxusgüter eliminiert werden.

Das verstärkte Interesse junger Konsumenten an Luxus lässt sich laut Le Borgne auch über technologische Neuerungen wie Non Fungible Tokens (NFTs) nutzen. Dabei handelt es sich um nicht replizierbare digitale Wertmarken. Sie werden dafür eingesetzt, Eigentumsrechte an virtuellen Gütern zu beurkunden und handelbar zu machen. NFTs könnten laut der Portfoliomanagerin in den kommenden Jahren zwischen 5 und 10 % des neuen Absatzes im Sektor ausmachen. „Es ist vergleichsweise einfach, Luxus-Token auf Güter wie Handtaschen oder Schmuck zu lancieren, teilweise erzielen diese bereits sehr hohe Preise“, führt Le Borgne aus. „Der Verkauf von Eigentumsrechten über virtuelle und dezentrale Marktplätze birgt allerdings auch die Gefahr, die Kontrolle über das eigene Produkt zu verlieren.“ Deshalb dürften Luxuskonzerne im Umgang mit Non Fungible Tokens trotz des Wachstumspotenzials vorsichtig bleiben.

Dennoch ergibt sich somit für Investoren eine weitere Partizipationsmöglichkeit abseits von Einzelaktien sowie einigen ausgesuchten, rein auf den Sektor fokussierten Aktivfonds und Exchange Traded Funds. Die Wandelbarkeit der Branche dürfte laut Analysten somit dazu führen, dass Luxuswerte am Finanzmarkt auch künftig Glamour versprühen.