Medizintechnik

Vieles spricht für eine Healthcare-Outperformance

Healthcare ist verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Anlageseitig spricht viel für eine Outperformance des Segments – und für Institutionelle steigt die Bedeutung privater Beteiligungen.

Vieles spricht für eine Healthcare-Outperformance

Als bedeutender Zukunfts- und Wirtschaftsfaktor ist die Gesundheitsbranche in den vergangenen 20 Monaten mehr ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Auch in den Markt für Healthcare-Investments kam deutlich Bewegung. Im ersten Halbjahr 2021 stieg das Volumen der M&A-Aktivitäten in der DACH-Region um rund 20% gegenüber dem Vorjahr.

Blickt man allein auf die Entwicklung der Indizes, so spricht vieles für eine Outperformance gegenüber dem Gesamtmarkt. Schloss der Dax Pharma & Healthcare Ende 2020 noch mit einem Minus von 6% (während der Dax fast 4% gewann), so legte das Sektorbarometer im ablaufenden Jahr bis November um 16% zu.

Es ist allerdings festzustellen, dass die Treiber dieses Trends vornehmlich aussichtsreiche Subsektoren – Gesundheitstechnologien, Diagnostik, biopharmazeutische Industrie, Labormaterialien, Geräte- und Intensivmedizin – sind, auf die ein Großteil des Interesses und der Zuflüsse institutioneller Investoren entfällt.

Um das Innovations- und Wachstumspotenzial des Sektors zu quantifizieren, haben wir für unseren Medizintechnik-Index 2021 neben Notierungen auch Umsätze sowie Erwerbstätigenzahlen und Patentzulassungen der deutschen Medizintechnikunternehmen analysiert. 

Wirtschaftliche Leistung

Healthcare-Technologien gelten, auch jenseits der Themen Versorgungssicherheit und Pandemiebekämpfung, aufgrund des demografischen Wandels als relativ konjunkturrobuste Branche mit anhaltend hoher Nachfrage. Es wird erwartet, dass etwa Pensionskassen, Dachfonds und Family Offices im Rahmen der Portfolioallokation ihre Investitionen in den Gesundheitssektor weiter ausbauen werden. Dafür benötigen sie verlässliche, objektive Zahlen, die als Gradmesser der wirtschaftlichen Wertschöpfung dienen. Verbuchte die Medizintechnikbranche im Vorjahr noch ein Umsatzplus von 2% auf 34,25 Mrd. Euro (zum Vergleich: Das deutsche BIP sank um 4,6%), so rechnen die Branchenverbände BVMed und Spectaris in diesem Jahr mit einem Anstieg von 3 bis 5%. Prognosen basierend auf unserer Investmentpraxis legen für 2022 ähnliche Niveaus nahe.

Stirnrunzeln dürfte bei einigen Anlegern jedoch der Rückgang der Patente auf 1062 (ein Minus von 13%) auslösen, was an einigen Stellen auf Kürzungen der Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie Innovation hindeuten dürfte. Eine ähnlich kritische Betrachtung gilt für die Zahl der Beschäftigten, die – zumindest im ersten Jahr der Pandemie – um immerhin 4% zurückging, was einem Abbau von 7500 so­zialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen entspricht.  

Corona hat sich auf die einzelnen Subindustrien im Gesundheitsmarkt sehr unterschiedlich ausgewirkt, zu deutlichen Narben bei einigen Teilnehmern und eher einer Stagnation der Wachstumsdynamik der Gesamtbranche geführt.

Bezogen auf den Dax Pharma & Healthcare lag die Schwankungs­intensität von Gesundheitstiteln im ablaufenden Jahr (also über die vergangenen 250 Handelstage) bei 14,26% und damit knapp unterhalb der historischen Volatilität des Leitindex Dax (14,88%). Weltweit mussten Anleger eine geringere Kursbreite hinnehmen, hier zeigt sich der MSCI World Health Care mit einer Volatilität von 10,04% gegenüber dem 1600 Titel umfassenden MSCI World (11,09%) weniger schwan­kungsanfällig.

Institutionellen Investoren, die gezielt Exposure in der Gesundheitswirtschaft suchen, stehen verschiedene Wege offen. Neben Investitionen in Public Markets (passive Exchange Traded Funds, Einzelwerte oder aktiv gemanagte Themen- und Branchenfonds) wächst die Bedeutung außerbörslicher, privater Beteiligungsformen. Bei der Selektion kommen breit diversifizierte Fund of Funds sowie Private-Equity-Gesellschaften, die Healthcare neben anderen Schwerpunkten abdecken, in Betracht oder spezialisierte Brancheninvestoren, von denen sich Anleger die Generierung von Alpha versprechen.

Knapp 15% aller unternehmerischen Finanzierungen von Private-Equity-Fonds entfallen in Europa mittlerweile auf den Healthcare- und Biotechnologiebereich. Aktuelle Studien (unter anderem der OECD) weisen bei Pensionseinrichtungen und weiteren professionellen Investoren auf eine stärkere Gewichtung alternativer Anlagen in der Vermögensallokation hin. Der Bundesverband Alternative Investments (BAI) sieht den Portfolioanteil in seinem jüngsten Investor Survey bei knapp 23% und registriert einen sich fortsetzenden Wachstumstrend insbesondere im Segment der Private Assets.

Wie in vielen Wirtschaftszweigen sind mittelständisch geprägte Firmen das Rückgrat der deutschen Medizintechnik. Die Corona-Pandemie hat auf diese Unternehmen bislang, je nach Spezialisierung, sehr gegenläufige Effekte. Auf die meisten von ihnen kommen weitere Herausforderungen zu, etwa die Erschließung neuer Märkte, zunehmende Digitalisierungstrends innerhalb einzelner Bereiche sowie Kapitalbedarf in einem Gesundheitssystem mit einer alternden Gesellschaft. Davon, wie es ihnen gelingt, diese Aufgaben zu bewältigen, wird sich ihre Attraktivität für Anleger ableiten und auch, ob sich (neue) Branchenchampions für den Einstieg von Investoren empfehlen.

Inflationsresistenz im Blick

Angesichts der höchsten Teuerungsraten seit 30 Jahren achten viele Anleger zudem vermehrt darauf, wie inflationsresistent Healthcare-Investments sind, das heißt, inwieweit es gelingt, steigende Kosten über die Preissetzung an Kunden weiterzugeben. Wichtig wird unseres Erachtens sein, dass hiesige Unternehmen nicht in eine Zangenbewegung aus Preisauftrieb einerseits und steigenden Kosten aufgrund zunehmender aufsichtsrechtlicher Anforderungen andererseits geraten.

Die Medizintechnik ist eine komplexe, hochregulierte Branche. Die Geschwindigkeit der Zulassungsverfahren von Impfstoffen, die zuletzt alle Bundesbürger live mitbeobachten konnten, ist eine Ausnahme. Die bereits im Jahr 2017 beziehungsweise ab Mai 2021 in Kraft getretene EU-Medizinprodukteverordnung be­deutet für viele Marktteilnehmer mithin erhebliche Kosten und Aufwand für Zertifizierungen und Prüfverfahren. Diejenigen, die diese Hürden erfolgreich nehmen und ihre Prozesse im Griff haben, versprechen hohe Ertragschancen. Das Thema hat, übergeordnet, auch eine volkswirtschaftliche Dimension für die Wettbewerbsfähigkeit des Forschungs- und Produktionsstandorts Deutschland.

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