ESG

Nachhaltige Investments stärken den Wirtschafts­standort

Finanzberater müssen nun im Beratungsgespräch die ESG-Präferenzen ihrer Kunden und Kundinnen abfragen und dokumentieren. Bis zu einer konsistenten und vergleichbaren Offenlegung ist es allerdings noch ein weiter Weg.

Nachhaltige Investments stärken den Wirtschafts­standort

Ab August 2022 müssen auch Finanzberater im Beratungsgespräch die ESG-Präferenzen ihrer Kunden und Kundinnen abfragen und dokumentieren. Gemäß der EU-Richtlinie „Markets in Financial Instruments Directive“ (Mifid II) müssen Finanzinstitute bereits seit April 2021 offenlegen, ob sie ESG in ihrem Beratungsprozess berücksichtigen. Grob be­deutet ESG, dass sich Geldanlagen nachhaltig nennen dürfen, wenn sie die folgenden drei Aspekte Umweltbewusstsein (environmental), soziales Handeln (social) und gute Unternehmensführung (governance) be­rücksichtigen.

Damit wird das Thema ESG von der regulatorischen Seite her sehr praktisch erlebbar. Bis zu einer konsistenten und vergleichbaren Offenlegung, um den Aktionären und An­legern einen langfristigen Mehrwert zu bieten, ist es allerdings noch ein weiter Weg.

Zeitalter des Umbruchs

Grundsätzlich befinden wir uns zurzeit in einem Zeitalter des Um­bruchs. Klima- und Umweltschutz gehen alle Wirtschaftsbereiche et­was an. Als Unternehmer und Berater verfolge ich seit Jahren, wie immer mehr Firmen ihre Rolle und Aufgabe in der Gesellschaft neu definieren. Aus vielen Gesprächen weiß ich außerdem, dass den meisten Wirtschaftsführer ihre Verantwortung beim Umbruch durchaus be­wusst ist. Wenn jetzt nicht gehandelt und die Wirtschaft umgebaut wird, müssen wir uns alle auf eine Erderwärmung einstellen, die über den jetzt schon unausweichlichen 1,8°C liegt.

Wo einzelne Branchen beim Nachhaltigkeitswandel stehen und welcher Klimabeitrag bereits geleistet wurde, ist aber höchst unterschiedlich. Typischerweise verläuft der Prozess für Klimaschutzmaßnahmen in Unternehmen in vier Phasen: Die Initialisierung, ihr folgt die Konzeptionierung, danach beginnt die Transformation und schließlich ihre Optimierung. Eine Zwischenbilanz aus Beratersicht: Die Automobilbranche ist spürbar im Umbruch. Sie hat die Transformationsphase erreicht und weist eine hohe Dynamik bei klimabezogenen Anpassungen auf. Nahezu alle Hersteller und Zulieferer haben den Weg zur strategischen Neuausrichtung in Richtung Elektro-Mobilität konzeptioniert. Die Anpassung von Prozessen und Produkten variieren bei der Umsetzung und beim Tempo.

Besser hingegen schneiden Branchen wie Nahrung, Telekommunikation und Versorger bei der Transparenz der Umweltreportings aktuell ab. Auch bei den Selbstverpflichtungen in der Automobilbranche ist noch Luft nach oben. Durch neue Klimagesetze und die sich ändernde Nachfrageseite bleibt der Handlungsdruck konstant hoch.

Zeitgleich in der Transformationsphase, aber in einer weit fortgeschritteneren Positionierung befindet sich die Konsumgüterbranche. Ihren CO2-Ausstoß reduzierten die Unternehmen in den vergangenen Jahren gleich dreimal so stark, wie es für die Erreichung der Klimaziele bis jetzt notwendig gewesen wäre.

Vor den größten Herausforderungen steht wohl derzeit die Chemiebranche. Sie befindet sich erst auf dem Weg in die Konzeptionierungsphase. Der Druck für erforderliche klimabezogene Umbauten entlang der Wertschöpfungsketten ist bei Chemieunternehmen so hoch wie noch nie. Dazu kommen jetzt noch die Herausforderungen der aktuellen Energieengpässe.

Das Thema Nachhaltigkeit ist also eine Herausforderung vieler Ge­schäftsmodelle über alle Branchen hinweg. Der Druck, jetzt zu handeln, wächst auf allen Seiten. Ich fordere daher eine evidenzbasierte Offen­legung der Unternehmensdaten. Zu­sammen mit dem Co-Autor Peter Gassmann (PwC) habe ich im Buch „4.Zero – Die ESG-Revolution“ mit namhaften Impulsgeberinnen und Gesprächspartnerinnen aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft ausgeführt, welche großen Chancen für die Industrie darin liegen, die digitale Transformation mit der Klimafrage zu verknüpfen und Deutschland da­mit als Vorreiter für vernetzte, nachhaltige Technologien zu etablieren.

Eine große Chance sehe ich persönlich darin, die digitale Transformation mit der Klimafrage zu verknüpfen. Deutschland muss alle Technologien der Vierten Industriellen Revolution ideologiefrei auf den Prüfstand stellen und danach bewerten, ob sie uns auf den richtigen Klimapfad bringen und als Climate-Tech-Vorreiter etablieren können.

Es muss das Ziel sein, die Emissionen der deutschen Wirtschaft mit klaren Net-Zero-Fahrplänen auf null zu senken. Kombinieren wir diesen Umbau mit Industrie-4.0-Ansätzen – ich nenne diese Kombination „4.Zero“ –, so kann Deutschland diese Geschäftsmodelle in einen Wettbewerbsvorteil verwandeln.

Assets bewerten

Dafür brauchen wir dringend wichtige Investitionen. Investoren nutzen die ESG-Kriterien zunehmend, um Assets zu bewerten und Risiken früher zu erkennen. Banken und Fonds müssen sich den veränderten Bedingungen nun nach und nach anpassen.

Die Kapitalmärkte erwarten eine evidenzbasierte, konsistente und vergleichbare Offenlegung, um den Aktionären einen langfristigen Mehrwert zu bieten und gleichzeitig die Zukunft unserer Menschheit und unseres Planeten zu sichern. In einer zunehmend komplexen Offenlegungslandschaft haben Unternehmen und Investoren weltweit Vereinfachung und Klarheit gefordert. Es ist wichtig, das übergeordnete Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Die primäre Aufgabe muss lauten, das Net-Zero-Ziel zu erreichen und die Erderwärmung zu bremsen. Dieses Ziel kann nur in Verbindung mit einer Weiterführung und Beschleunigung der Digitalisierung gesehen werden.