Rückblick 2022

Ein schwarzes Jahr für die Börsen

Der Ukraine-Krieg und der Zinsschock haben die Aktienmärkte 2022 stark unter Druck gesetzt. Ende September begann eine deutliche Erholung, durch die die Verluste eingegrenzt werden konnten.

Ein schwarzes Jahr für die Börsen

Das alte Jahr werden die Marktteilnehmer als eines der schlechtesten in Erinnerung behalten. Dabei werden sie in erster Linie nicht an das Geschehen an den Finanzmärkten denken, sondern vor allem an den entsetzlichen Krieg in der Ukraine. Gleichwohl hat dieser die Märkte stark geprägt und die Anleger vor große Herausforderungen gestellt. Durch den Konflikt wurde die bereits anziehende Teuerung befeuert, die Inflationsraten schossen auf ein zuletzt in den 1970er Jahren gesehenes Niveau hoch. Das setzte die Zentralbanken unter Druck, die mit hohem Tempo ihre Leitzinsen erhöhten, in einem Ausmaß wie zuletzt in den 80er Jahren. Der geopolitische Schock ging mit einem Inflations- und Zinsschock einher. Nachdem der S&P 500 am 4. Januar auf ein Rekordhoch von 4819 Zählern gestiegen war und tags darauf der Dax mit 16285 Punkten knapp seine Bestmarke von 16290 Zählern verpasst hatte, kam es nach dem Kriegsausbruch zu einem massiven Kurssturz. Laut der World Federation of Exchanges wurde die globale Aktienmarktkapitalisierung um die gigantische Summe von 18 Bill. Dollar reduziert. Erschwerend kam hinzu, dass auch die Anleihemärkte einbrachen und somit ihre Abfederungsfunktion nicht erfüllen konnten.

Erholung im Schlussquartal

2022 war aber auch ein zweigeteiltes Jahr. Nachdem der Dax bis auf sein Jahrestief von 11863 Zählern gefallen war und damit bis zu 25,3% eingebüßt hatte, folgte ab Ende September eine spektakuläre Erholung des Index auf Höhen von über 14500 Punkten. Zuletzt verblieb beim Stand von 13926 (28. Dezember) „nur“ noch ein Minus von 12,3%. Beflügelt wurden die Aktienmärkte insbesondere von rückläufigen und hinter den Konsenserwartungen zurückbleibenden US-Inflationsdaten. Diese schürten Hoffnungen, dass die Notenbanken in absehbarer Zeit das Tempo ihrer Leitzinsanhebungen drosseln und diese dann auch beenden würden. Dies reichte bis hin zur Spekulation, dass die Federal Reserve im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2023 bei deutlich niedrigeren Teuerungsraten beziehungsweise einer merklichen konjunkturellen Abkühlung sogar ihre Fed Funds Rate wieder senken könnte.

Dax schlägt S&P 500

Bemerkenswert war auch, dass der deutsche Aktienmarkt in eine deutliche Outperformance zum amerikanischen überging. Zunächst sorgten der Ukraine-Krieg und vor allem die damit einhergehende Befürchtung eines wirtschaftlichen Einbruchs infolge der Gaskrise für eine Underperformance. Diese Befürchtungen ließen jedoch nach, als immer deutlicher wurde, dass eine Gasrationierung in diesem Winter vermieden werden kann und zudem die wirtschaftlichen Daten deutlich weniger schlimm ausfielen als erwartet. Mit seinem Minus von 12,3% hat der Dax letztlich den S&P 500 (−20,6%) geschlagen. Dabei kam ihm ein struktureller Nachteil zugute, das Fehlen großer Wachstumswerten der Tech-Branche. Diese litten überproportional unter den höheren Zinsen, was aufgrund ihres hohen Gewichts stark negativ auf US-Indizes durchschlug.

Allerdings hinterließ der deutliche Anstieg der Zinsen auch am deutschen Aktienmarkt Schleifspuren. Denn er traf die zinssensiblen Immobilienwerte hart. Zum einen haben sich die Finanzierungskosten der Unternehmen, die ihre Expansion zuvor schuldenfinanziert hatten, deutlich erhöht. Zum anderen sank die Nachfrage nach Wohnimmobilien, da der drastische Anstieg der Hypothekenzinsen den Immobilienerwerb für viele potenzielle Kaufinteressenten unerschwinglich machte. In der Folge gingen die Immobilienpreise im Verlauf des Jahres nach dem langen Boom in den Sinkflug. Nachdem die Wohnimmobilienunternehmen jahrelang ihre Immobilienwerte hochgeschrieben haben, stehen nun Bewertungskorrekturen an. Vonovia und TAG Immobilien waren mit Einbußen von 54,6% und 74,9% die Jahresverlierer des Dax und des MDax. Die Aktie des Immobilienfinanzierers Hypoport verlor als Schlusslicht des SDax 81,2%. Das zweite große Verlierersegment waren die Internetwerte. Zalando waren mit einer Einbuße von 53,8% der zweitschwächste Titel des Dax, Hellofresh und Delivery Hero stiegen im Verlauf des Jahres in den MDax ab und waren dort mit Verlusten von 69,7% und 54,3% die dritt- und siebtschwächsten Werte, Shop Apotheke belegten mit einem Minus von 61,6% den fünften Platz in der Verliererrangliste des SDax. Commerzbank profitierten von den höheren Zinsen und waren mit einem Plus von 32,8% der viertstärkste Titel des MDax, Deutsche Bank (−3,5%) konnten sich immerhin besser halten als der Dax. Auch der Deutschen Börse (10,3%) kamen die höheren Zinsen zugute.

Rüstungsaktien ziehen stark an

Gewinner des Jahres waren die Rüstungsaktien, die von dem Ukraine-Krieg und den dadurch stark steigenden Rüstungsausgaben getrieben wurden. Rheinmetall waren mit einem Plus von 132,7% Jahresgewinner des MDax und auch Spitzenreiter des Stoxx Europe 600. Hensoldt belegten mit einem Anstieg um 78,1% den zweiten Rang in der Gewinnerliste des SDax. Überdurchschnittlich entwickelten sich ferner Aktien aus dem Bereich erneuerbare Energien. So waren Encavis (17,6%) und Verbio (1,4%) die siebt- und neuntstärksten Titel des MDax, PNE und SMA Solar belegten mit Gewinnen von 148,5% und 76,7% die Plätze 1 und 3 der Gewinnerliste des SDax.

Von Christopher Kalbhenn, Frankfurt

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