Claus Born, Franklin Templeton

„Das Gewinnwachstum spricht für Schwellenländer“

Portfoliomanager Claus Born von Franklin Templeton Investments beurteilt das Gesamtbild für Schwellenländer-Aktien als sehr positiv. Gerade in Asien seien noch starke Potenziale vorhanden.

„Das Gewinnwachstum spricht für Schwellenländer“

Alex Wehnert.

Herr Born, wie beurteilen Sie die Aussichten für Schwellenländeraktien im laufenden Jahr?

Das Gesamtbild ist sehr positiv. Bereits im vergangenen Jahr haben die Aktienmärkte der Emerging Markets in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld eine Outperformance gegenüber dem MSCI World erzielt. Gegenüber dem US-Markt haben Schwellenländeraktien im abgelaufenen Jahrzehnt eine deutliche Underperformance hingelegt. Wir sehen aber mehrere Gründe, aus denen sich dieses Verhältnis nun umkehren könnte.

Welche sind das konkret?

Einerseits hat es im vierten Quartal 2020 nach vielen Jahren mit Nettomittelabflüssen starke Zuflüsse in Emerging Markets gegeben. Angesichts der zunehmenden Positionierung institutioneller Investoren sollte sich dieser Trend vorerst fortsetzen. Für Schwellenländer sprechen insbesondere die Gewinnwachstumsprognosen, die derzeit um einige Prozentpunkte höher ausfallen als in den USA. Langfristig stellt das Gewinnwachstum die beste Erklärung für Kursentwicklungen dar, auch wenn es in der Korrelation zwischen beiden Entwicklungen aufgrund von Über- oder Untertreibungen immer wieder leichte Verschiebungen gibt. Hinzu kommt ein im historischen Vergleich recht hoher Bewertungsabschlag der Emerging Markets gegenüber den USA – hier steckt noch viel Aufholpotenzial. Zudem sind für Schwellenländeraktien derzeit wesentlich höhere Dividendenrenditen zu beobachten.

Wo sehen Sie gerade in Bezug auf Asien vielversprechende Märkte?

Die stärksten asiatischen Märkte waren 2020 fast allesamt im Norden zu finden: China hat von einer schnellen Erholung von der Coronakrise profitiert, während Taiwan und Südkorea ihre Stellung als große Technologie-Hubs zugutegekommen ist. In Bezug auf Taiwan ist die Halbleiterbranche entscheidend, die aktuell auf eine enorm hohe Nachfrage trifft und diese kaum bedienen kann. Deshalb werden sich wohl die Lieferprozesse etwas anpassen müssen – dass Taiwan von seiner Position verdrängt wird, ist aber unwahrscheinlich. Schließlich ist dort mit TSMC der Weltmarktführer für Halbleiter ansässig. In Südostasien besteht auf Aktienseite hingegen noch viel Luft nach oben, in der Region stach zuletzt der vietnamesische Markt mit einer äußerst starken Entwicklung hervor.

Worauf gründet sich die Outperformance Vietnams?

Vietnam ist wesentlich besser durch die Coronakrise gekommen als Länder mit einer vergleichbaren Größe und Einwohnerzahl, zum Beispiel Deutschland. Zudem profitiert der Markt bereits seit Jahren von der Verlagerung von Lieferketten aus China heraus, die durch steigende Lohnkosten in der Volksrepublik ausgelöst wurde. Bei großen Unternehmen wie Samsung sitzt inzwischen ein Drittel der Belegschaft in Vietnam, einem enorm wichtigen Standort zur Produktion von Mobiltelefonen. Im Verlauf der Pandemie hat sich dieser bereits bestehende Trend zur Verlagerung noch verstärkt.

Welche Märkte Südostasiens besitzen gegenüber Vietnam denn noch Aufholpotenziale?

Vor allem diejenigen, die einen hohen Schwerpunkt im Dienstleistungsbereich und im Tourismus aufweisen. Beide Sektoren haben enorm unter der Coronakrise gelitten und sich bisher weitaus weniger stark erholen können als die asiatische Industrie. Thailand zum Beispiel verfügt mit 12% des Bruttoinlandsprodukts über einen hohen Tourismusanteil, dort ist die Wirtschaft dementsprechend deutlich eingebrochen. Fallen aber Reisebeschränkungen, ist ein starker Aufholeffekt bei der Nachfrage möglich. Global gilt für die meisten Länder in konjunktureller Hinsicht: Viel schlechter als im vergangenen Jahr kann es nicht laufen.

Was bedeutet die weitere ökonomische Entwicklung Chinas für andere asiatische Märkte?

China ist nun einmal das ökonomische Zugpferd des Kontinents und wird diese Rolle in den kommenden Jahren noch ausbauen. Im laufenden Jahr wird die Wirtschaft der Volksrepublik wohl um mindestens 8% wachsen, im globalen Vergleich ist das ein gewaltiger Wert. Die chinesischen Behörden haben sehr stark und sehr früh auf die Coronakrise reagiert und auch wenn die Infektionszahlen in einigen Provinzen zu Jahresbeginn wieder gestiegen sind, ist die Situation dort keineswegs vergleichbar mit der Notlage in anderen Ländern. Dass erneut Industriekapazitäten heruntergefahren werden müssen, ist also unwahrscheinlich. Zugleich haben sich die Handelsbeziehungen Chinas im asiatischen Raum deutlich vertieft, die anderen Länder des Kontinents sind mittlerweile wichtigere Zielmärkte als Europa und die USA.

Werden sich die angespannten Handelsbeziehungen zwischen Peking und Washington denn infolge des Wahlsiegs der US-Demokraten wieder entspannen?

Die neue Regierung wird wohl auch künftig weniger aggressiv auftreten als die Trump-Administration. Weil der Ton diplomatischer wird, heißt das aber noch lange nicht, dass sich die Haltung der USA zu China ändert. Die Volksrepublik ist für die Vereinigten Staaten schließlich der größte geopolitische und wirtschaftliche Konkurrent. Deshalb wird auch Joe Biden bestehende Strafzölle wohl nicht umfangreich zurückfahren, bezüglich Technologietransfers und in Wettbewerbsfragen wird Washington hochsensibel bleiben.

Im Zuge des Handelsstreits haben die USA über die Finanzmärkte Druck auf chinesische Unternehmen ausgeübt. Glauben Sie, dass mehr Konzerne, die bereits in New York notiert sind, ein Zweitlisting in Hongkong anstreben?

Aus der Perspektive in den USA gelisteter chinesischer Unternehmen ist die Gefahr, unverhofft vom Kapitalmarkt zu verschwinden, sicher gestiegen. Deshalb ist es nur folgerichtig, sich schnellstmöglich um andere Listing-Orte zu kümmern. Aus Sicht der Investoren ist es mittlerweile schließlich egal, ob ein Unternehmen in Hongkong oder in New York notiert ist. Hinzu kommt, dass sich auch die chinesischen Festlandbörsen stärker für ausländische Anleger geöffnet haben – dieser Trend wird wohl von chinesischer Seite weiter vorangetrieben.

Wie bewerten Sie aus Marktsicht die seit Jahresbeginn gesendeten restriktiveren Signale der People’s Bank of China?

Es stand ja zu erwarten, dass auf die wirtschaftliche Erholung in China irgendwann eine weniger laxe Geld- und Fiskalpolitik folgen wird. Restriktivere Schritte sind notwendig, um die Verschuldung zurückzufahren und die Wirtschaft nicht über das notwendige Maß hinaus anzuheizen. Das wird an den Märkten häufig negativ wahrgenommen, eine Überhitzung ist aber häufig viel schlimmer als eine leichte Abkühlung.

Welche Bedeutung hat der abgesagte Börsengang von Ant Financial für den chinesischen Markt?

Für den IPO-Markt war die Absage im November ein herber Rückschlag. Sie zeigt aber einmal mehr auf, welchen Wert die Regierung in Peking darauf legt, dass Wirtschaftsvertreter in ihrem Sinne handeln und sprechen. Mit Alibaba-Chef Jack Ma hatte sich der größte Anteilseigner von Ant Financial wohl etwas unvorsichtig geäußert – er ist nicht der erste chinesische Unternehmer, der verschwunden und dann geläutert wieder aufgetaucht ist. Bei Alibaba hat das für extreme Kursausschläge gesorgt.

Bleiben Chinas Digitalriesen dennoch attraktiv?

Mit Tech und Healthcare sind global zwei Boom-Themen identifiziert, in denen diese Unternehmen stark mitmischen. Allgemein sind auf dem asiatischen Markt aber auch viele weitere Titel verfügbar, die von diesen Trends profitieren. Interessant sind zudem Unternehmen, die in Umweltschutzfragen, sozialen Angelegenheiten und bezüglich der Unternehmensführung (ESG) gut aufgestellt sind. In den bevölkerungsreichen asiatischen Staaten wirken sich Verbesserungen bezüglich ESG eben besonders stark aus.

Das Interview führte

BZ+
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