Michael Hasenstab, Templeton

„Der Dollar ist überbewertet“

Michael Hasenstab glaubt, dass der Dollar überbewertet ist. Für interessant hält der Portfoliomanager und Chief Investment Officer von Templeton Global Macro asiatische bzw. Schwellenländerwährungen.

„Der Dollar ist überbewertet“

Christopher Kalbhenn.

Herr Hasenstab, die hohe Inflation treibt die Märkte um. Wie sehen Ihre Erwartungen für die Inflation und die Leitzinsen aus?

Wie befinden uns in einer außergewöhnlichen Periode. Viele Menschen in den entwickelten Ländern hatten noch nie mit Inflation zu tun. Die Schwellenländer wiederum haben die Lehren aus den letzten 30 bis 40 Jahren gezogen und schneller reagiert, was die Leitzinsen betrifft. So hat etwa Brasilien sehr schnell angefangen. Die Inflationsdynamik in den USA ist herausfordernd, weil die Treiber hartnäckig sind. Nicht nur die Energiepreise sind ein Problem, sondern auch Mieten und Lohnkosten, und die neigen dazu, hartnäckig zu sein. Aufgrund von Basiseffekten könnte der Inflationsgipfel näher kommen. Wir werden aber eine längere Zeit mit restriktiver Geldpolitik sehen, als viele erwarten. Um die Inflation zu drehen, muss es Wirkung auf Mieten und Lohnkosten geben.

Wird der US-Arbeitsmarkt angesichts der Rezessionsrisiken stark bleiben?

Wir haben am Arbeitsmarkt eine echte Knappheit. Viele Ältere, die aufgrund der Corona-Pandemie den Markt verlassen haben, sind nicht zurückgekehrt. Nach zwei Jahren Abwesenheit ist es auch schwierig, zurückzukehren. Die Partizipationsrate dieser Gruppe war vor Covid deutlich höher. Außerdem ist die Migration zum Stillstand gekommen. All dies hat starke Auswirkungen auf viele Sektoren.

Wo wird der US-Leitzins sein Hoch finden?

Die Projektionen der Fed und die Markterwartungen gehen von 4,5% aus. Das scheint eine vernünftige Erwartung zu sein. Die Herausforderung für die Märkte wird nicht das Niveau sein, sondern die Dauer des Verharrens auf diesem Niveau. Erreicht wurde bereits, die Asset-Preis-Inflation nach unten zu ­bringen.

Der Dollar entwickelt sich in diesem Jahr extrem stark. Wie viel Luft nach oben hat er noch?

Der Dollar ist überbewertet, seine Aufwertung scheint recht gedehnt zu sein. Hierbei sticht der Yen heraus. Der Euro befindet sich auf dem niedrigsten Niveau seit 20 Jahren, vor allem aufgrund der Gaskrise. Die Frage ist allerdings, wie weit sie schon im Kurs reflektiert ist. Im Falle Japans jedoch ist die erste Devisenmarktintervention seit Ende der 90er Jahre ein klares Signal, dass der Yen unterbewertet ist. Die verteuerten Energie- und Lebensmittelimporte sorgen für steigende Lebenshaltungskosten, was ein politisches Problem ist. Signifikante Abwertungen haben auch asiatische Emerging Markets erlebt. Jedoch wird das Wachstum Asiens dasjenige der USA und des Rests der Welt übertreffen. Die Zinsen der Schwellenländer sind zudem wesentlich höher als in den USA, so zum Beispiel in Lateiname­rika.

Wie weit können die US-Anleiherenditen noch steigen?

Wir sind seit über einem Jahr in Duration untergewichtet, was sich als gute Entscheidung erwiesen hat. Die weitere Entwicklung der Renditen hängt von vielen Faktoren ab. So gibt es Sorgen über die US-Staatsausgaben. Das ist ein Thema, das auch den Dollar betrifft. Die Schuldenquote liegt bei 130%, das Handelsbilanzdefizit bei 4% des BIP. Zudem wird das Wachstum in Zukunft wahrscheinlich niedriger ausfallen. Das sind keine Eigenschaften einer starken Währung. Es gibt Anzeichen von Verwundbarkeit. Das Potenzial der Renditen im langen Laufzeitenbereich ist in dieser Gemengelage unklar. Aber wir denken, dass sie sich einem realistischeren Niveau annähern.

Der Euro ist von einer großen französischen Bank als „unkaufbar“ bezeichnet worden. Ist das ein Zeichen von Übertreibung?

In Europa gibt es reale Probleme, aber ich möchte auch nicht zu pessimistisch sein. In den nächsten Monaten hängt vieles davon ab, wie Europa mit der Gaskrise umgeht. Das Problem wird gelöst werden, die Frage ist nur, wie lange das dauert und wie schmerzhaft die Krise noch wird.

Nicht nur die Energiepreise sind ein Problem, sondern auch die Nahrungsmittelpreise. Was er­war­ten Sie hier?

Die Nahrungsmittelsicherheit ist ein gravierendes Problem. Durch den Krieg in der Ukraine sind nicht nur Produktionskapazitäten und Transportinfrastruktur zerstört worden. Das eigentliche Problem ist, dass zu wenig gesät wird. Zudem werden die höheren Importkosten für Treibstoff und Dünger zukünftig für Druck auf die Produktion sorgen, nicht nur in der Ukraine. Die Nahrungsmittelinflation könnte politisch destabilisierend wirken. Die Inflation bringt viele Menschen in Existenznot, überall, auch in den USA. Wer immer an der Regierung ist, wird unter Zugzwang stehen zu handeln. Wir werden noch mehr politische Volatilität sehen.

Wie schlimm könnte die erwartete Rezession ausfallen?

Möglicherweise sind wir bereits in der Rezession. Für die Vereinigten Staaten halten wir eine moderate Rezession für wahrscheinlich und damit eine tiefe Rezession für unwahrscheinlich. Der Arbeitsmarkt ist sehr stark, die Menschen können einen Arbeitsplatz bekommen. Die privaten Bilanzen sind gut, das Finanzsystem ist in guter Verfassung. In Europa wird die wirtschaftliche Entwicklung davon abhängen, wie Deutschland in den kommenden sechs Monaten mit der Gaskrise zurechtkommt.

Welche Währungen sind Ihrer Einschätzung nach derzeit interessant?

Wenn wir sagen, dass der Dollar überbewertet ist, denken viele, wir sagen das mit Hinblick auf den Euro. Wir meinen aber asiatische Währungen. Die Schwellenländer sind interessant, auch Lateinamerika bietet viele Gelegenheiten. In Asien gefallen uns unter anderem Südkorea und Singapur, Indonesien und Indien. Indien ist ein besonders interessanter Markt. Dort hat die Regierung den Anleihemarkt zugänglich gemacht.

Das Interview führte

BZ+
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