Skandinavien

Strahlende Nordlichter

Die skandinavischen Länder dürften laut Ökonomen im Sommer wieder auf ihr ökonomisches Vorkrisenniveau zurückkehren. Davon profitiert sowohl die norwegische als auch die schwedische Krone.

Strahlende Nordlichter

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Der Aufwertungsschub der norwegischen Krone ist in den vergangenen Monaten ins Stocken geraten. Hatte die Devise seit ihrem im März 2020 erreichten Dollar-Tief bis zum Jahreswechsel um fast 30% aufgewertet und gehörte sie im ersten Quartal zu den stärksten G10-Währungen, tendiert sie seit Anfang April sowohl gegen ihr schwedisches Pendant als auch den Schweizer Franken und den Euro deutlich schwächer. Trotz des Verlusts an Momentum zeigen sich Marktstrategen aber optimistisch, dass der langfristige Aufwärtstrend der Krone anhält.

„Nach dem Aufschwung der Krone im Verlauf des vergangenen Jahres haben wir unsere Positionen zwar wieder etwas reduziert – in den meisten unserer europäischen Portfolios halten wir aber noch einen Anteil von 2 bis 3% an Kronen gegen Euro“, sagt David Zahn, Head of European Fixed Income bei Franklin Templeton Investments. Ein Faktor für den Optimismus ist die Geldpolitik. So verweisen die Analysten von Bloomberg Intelligence darauf, dass die Norges Bank als erste Zentralbank der G10 im vierten Quartal die Zinsen erhöhen könnte.

Norges Bank mit Spielraum

Zahn rechnet 2022 mit kontraktiveren geldpolitischen Schritten. Skandinaviens Notenbanken hätten wie EZB und Fed zwar einen größeren Spielraum in Reaktion auf eine stärkere Geldentwertung, nachdem die Inflationsziele über lange Zeit unterboten worden seien. Allerdings werde sich die Norges Bank künftig wohl eher bereit zu kontraktiveren Schritten zeigen als die Riksbank, da sich das Umfeld in Norwegen in den vergangenen Jahren ohnehin weniger deflationär gestaltet habe als in Schweden. Schließlich habe sich die Stockholmer Institution bezüglich möglicher Aufwertungen der Schwedenkrone schon in den vergangenen Jahren besorgt geäußert und damit den Devisenkurs gebremst. Die Norges Bank verfüge indes noch über gewaltige ungenutzte Mittel zur Unterstützung des Devisenmarkts.

„Über kurze Zeiträume ist die norwegische aber fast perfekt mit der schwedischen Krone korreliert. Auch über längere Phasen ergeben sich nur leichte Abweichungen, wie die ähnlich verlaufene Abwertung gegenüber dem Dollar in den vergangenen fünf Jahren unterstreicht“, sagt Zahn. Neben der offeneren Wirtschaft des EU-Mitglieds Schweden bedingt allerdings vor allem die Bedeutung der Ölförderung für Norwegen einen entscheidenden Unterschied zwischen den Kronen.

Wenngleich Norwegen seine Wirtschaft ölneutraler aufstellt, der staatliche Pensionsfonds seine Beteiligungen entsprechend anpasst und der Einfluss des Ölpreises auf die Krone laut Zahn langfristig abnehmen dürfte, bleibt die Entwicklung am Rohstoffmarkt nach Ansicht von Analysten vorerst ein wichtiger Faktor für die Devise. Bloomberg Intelligence hält die jüngste Abschwächung der Korrelation zwischen der Brent-Notierung und der norwegischen Krone jedenfalls für vorübergehend. Eine Konsolidierung des Ölpreises nach den zuletzt starken Anstiegen würde der Devise die Möglichkeit bieten, aufzuholen.

Reflation Trade stützt

In der Folge werde der Reflation Trade, bei dem Investoren auf eine weiterhin kräftige ökonomische Erholung von der Coronakrise, Inflationsanstiege und entsprechende Zinsreaktionen setzen, sowohl den Ölpreis als auch die Krone unterstützen. Tatsächlich stahlen die Nordlichter hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Stärke: Zwar war das norwegische BIP im ersten Quartal stärker geschrumpft als erwartet, laut den Analysten von Bloomberg Intelligence wird es aufgrund adäquater fiskalpolitischer Reaktionen und des Wiederöffnungstrends im Sommer aber wieder auf die vor der Coronakrise erreichten Niveaus zurückkehren. Für 2021 erwartet der Datendienstleister Bloomberg Economics ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 3,3%, im kommenden Jahr sollen es noch 3% sein.

Auch die schwedische Wirtschaft zieht dank eines kräftigen Nachfrageaufschwungs für die kapitalintensiven Exporte des Landes und hoch qualifizierte Dienstleistungen wieder stark an. Bloomberg Economics sagt für das zweite Quartal 2021 im Vergleich zum ersten ein BIP-Wachstum von 1,8% voraus. Die gesamtwirtschaftliche Output Schwedens werde Mitte des laufenden Jahres auf sein Vorkrisenniveau zurückkehren. Damit liege das Land, das in seiner Reaktion auf die Coronakrise einen umstrittenen Sonderweg eingeschlagen hat, deutlich vor anderen europäischen Staaten. Das Konsumentenvertrauen steige und Mobilitätsdaten zeigten eine höhere Frequenz im Einzelhandel.

Die schwedische Inflationsrate war im April indes mit 2,5% auf den höchsten Stand seit drei Jahren geklettert. Laut Bloomberg Intelligence dürfte dieser Anstieg aber nur vorübergehend sein. Die Kerninflation dürfte aufgrund von Basiseffekten durch pandemiebedingte Preisveränderungen aus dem vergangenen Jahr im kommenden Monat scharf zurückfallen, die Stärke der Schwedenkrone werde zudem den Anstieg der Importpreise begrenzen. Zwar sei der handelsgewichtete Index der Währung im Frühjahr 2021 gefallen, liege aber immer noch 6% über dem zum Vorjahreszeitpunkt erreichten Niveau. Setze sich die historische Robustheit der Devise fort, könne dies die Inflation im kommenden Jahr um 0,3% drücken.

Sonderweg beeinflusst Kurse

Schwedens Sonderweg in Zeiten der Coronakrise spielt laut Zahn derweil sowohl in Bezug auf den Devisen- als auch auf den Anleihemarkt eine Rolle. „Natürlich ist es schwierig, zu beurteilen, ob die Reaktion auf die Pandemie die richtige ist“, sagt Zahn. Die wirtschaftlichen Langzeitfolgen in Schweden dürften sich laut dem Fixed-Income-Experten aber in einem begrenzten Rahmen halten.

„Skandinaviens Anleihemärkte dürften weiterhin stark von dem insgesamt höheren Fokus der Investoren auf Nachhaltigkeit und Green Bonds profitieren“, sagt Zahn. Die Märkte der Länder verfügten über hervorragende Ratings nach Umweltkriterien sowie Ansprüchen an Soziales und gute Unternehmensführung (ESG), in Schweden sei das Emissionsvolumen an Green Bonds verhältnismäßig zudem enorm hoch. Für Anleger seien zudem verstärkt Möglichkeiten zur Diversifikation innerhalb des Trendthemas am Bondmarkt verfügbar. Dies mache Skandinaviens Nachhaltigkeitsanleihen für kontinentaleuropäische Investoren besonders interessant.

Auf Staatsanleiheseite seien die schwedischen Renditen allerdings nicht sonderlich attraktiv, in Norwegen böten sich Engagements in kurzen Laufzeiten dagegen eher an. In dem Nicht-EU-Land dürften die Renditen aufgrund der Ölpreisentwicklung noch mehr Aufwärtsimpulse erfahren als in Schweden und sich wieder der Marke von 1% nähern. „Solche Bewegungen können aber schon ausreichen, um kronenaffine Investoren angesichts des Umfelds mit allgemein niedrigen Anleiherenditen in norwegische Staatsanleihen zu treiben“, kommentiert Zahn.

Der Rating-Trend in Skandinavien dürfte sich nach Zahns Ansicht stabil entwickeln. „Norwegen musste zum Beispiel deutlich weniger Schulden aufnehmen als EU-Staaten, weshalb die Gefahr von Downgrades noch geringer ist als ohnehin schon“, prognostiziert der Stratege. Spannend sei aber, dass die Rating-Agenturen bei der Bewertung der Bonität von Staaten neuerdings wohl die Anleihekäufe der Notenbanken mit einberechneten. Dies habe zum Beispiel die Bestätigung eines stabilen Rating-Ausblicks für Italien durch Fitch im vergangenen Dezember gezeigt. Mögliche geldpolitische Kurswechsel könnten also auch für die skandinavischen Staaten langfristig Auswirkungen auf das Rating haben.