Liam Spillane

„Uns gefallen russische Anleihen“

Liam Spillane, Leiter Emerging Markets Debt bei Aviva Investors, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung: Anleihen aus Schwellenländern profitieren von der globalen Reflationierung.

„Uns gefallen russische Anleihen“

Von Werner Rüppel, Frankfurt

Es gibt keine Zinsen mehr, ist immer wieder zu hören. Diese Aussage stimmt vielleicht für Euroland, in dem die Europäische Zentralbank (EZB) aus der ehemaligen Frankfurter Großmarkthalle heraus die Zinsen praktisch abgeschafft hat. Weltweit winken Investoren aber in vielen Ländern noch satte Zinserträge, vor allem auch in den jeweiligen lokalen Währungen, aber auch noch in Hartwährungen wie Dollar oder Euro. Insbesondere in Schwellenländern gibt es noch Anleihen mit durchaus stattlichen Renditen. Vor dem Hintergrund des Euro-Nullzinsumfelds, in dem immer mehr Banken für Einlagen sogar Negativzinsen erheben, rücken Schwellenländer-Investments zunehmend in den Fokus. Allerdings ist der Bereich Emerging Markets Debt so etwas wie eine Königsklasse der Geldanlage. Gilt es doch, die Risiken einzelner Schwellenländer abzu­wägen und zugleich zu beurteilen, ob Investments in lokaler oder in Hartwährung attraktiver sind. Hinzu kommt, dass es in vielen eher exotischen Ländern durchaus interessante Investitionsmöglichkeiten gibt.

„Global erwarten wir eine Reflationierung der Weltwirtschaft. Dies ist ein gutes Umfeld für Schwellenländeranleihen als Ganzes und besonders für Hartwährungen“, sagt Liam Spillane, Head of Emerging Markets Debt beim britischen Assetmanager Aviva Investors, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Daher erwarten wir aktuell mehr attraktive risikobereinigte Erträge aus Hartwährungen bei Investitionen in Anleihen aus Schwellenländern.“ Genauso wie die Aktienmärkte sind Schwellenländeranleihen im März 2020, als die Pandemie ausbrach, regelrecht gecrasht. Das wird nicht zuletzt auch an der Entwicklung des aktuell 3,9 Mrd. Dollar schweren Aviva Emerging Markets Bond Fund deutlich (vergleiche Chart). Wie die Aktienmärkte haben auch die Emerging-Markets- Anleihemärkte den Corona-Crash rasch aufgeholt. Inzwischen notierten die einschlägigen Benchmarks wie auch der genannte Aviva-Fonds über dem Niveau von vor Corona.

Spillane, der die Entwicklung etlicher Volkswirtschaften eng verfolgt, stuft die Assetklasse Schwellenländeranleihen als aussichtsreich ein und erklärt: „Die Schwellenländer insgesamt dürften von dieser Reflationierung profitieren.“ Allerdings würden sich doch erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern auftun. Der Experte wörtlich: „Mehrere Länder haben aber hohe Schulden aufgebaut, die langfristig belasten dürften, und die auch für ihre Währungen und ihre Finanzmärkte einen Belastungsfaktor darstellen können.“

Beeindruckend ist, wie viele Staaten Spillane und seine Mannschaft betrachten, sind doch die Schwellenländer ungemein vielfältig und nicht leicht zu analysieren. „Uns gefallen Länder wie die Elfenbeinküste, die Dominikanische Republik und Paraguay in Hartwährung. Die fundamentale Perspektive dieser Länder ist nach der Pandemie positiv“, erläutert Spillane. „Indien steht aktuell vor großen Herausforderungen, vor allem auch durch die Pandemie. Doch gehen wir davon aus, dass sich die Situation in Indien sukzessive bessern wird. Geld- und Fiskalpolitik bewegen sich in die richtige Richtung.“

Und was ist mit dem größten Schwellenland der Welt, das für viele Beobachter inzwischen kaum mehr ein Emerging Market ist? „China hat zuletzt einen sehr kräftigen Anstieg im Wachstum gesehen, der sich aber naturgemäß abschwächen wird. Doch bleibt China eine Wachstumsstory“, sagt der Experte. Hingegen ist er von Investments in brasilianische Anleihen zumindest langfristig weniger überzeugt: „In Brasilien gibt es im Moment Verbesserungen, langfristig haben wir aber Bedenken, ob die notwendigen strukturellen Reformen ergriffen werden. Wir würden den brasilianischen Real daher nur kurzfristig taktisch etwas übergewichten.“

Wie viele andere institutionelle Anleger ist auch Aviva gegenüber Investments in türkische Anleihen reserviert. „Bis vor wenigen Monaten hatte sich die Glaubwürdigkeit der Türkei verbessert, nun sind durch die jüngsten politischen Ereignisse die Bedenken wieder größer geworden. Die Höhe der Währungsreserven und das Politikmanagement beunruhigen internationale Investoren, und der Notenbank fehlt es an Unabhängigkeit in der Türkei“, erläutert der Aviva-Experte. „Sowohl in lokaler als auch in Hartwährung sind wir bei der Türkei weiterhin vorsichtig.“

Ölpreis positiv für Rubel

Positiver beurteilt Spillane hingegen Anlagen in russische Bonds. „Von der Bewertung her gefallen uns russische Anleihen. Ihr Preis ist attraktiv, für bestehende Unsicherheiten wird eine ansprechende Prämie bezahlt“, erklärt der Anleiheprofi. „Uns gefällt auch der russische Rubel, der nicht zuletzt auch vom Anstieg des Ölpreises profitiert.“

Der Experte muss sich stets nicht allein die Frage stellen, wie sich ein Land entwickeln dürfte, es gilt auch abzuklären, ob die in den Anleihekursen (und den daraus resultierenden Renditen) abzulesende Marktsicht angemessen ist. Vielfach hat der Markt ja eine voraussichtlich positive Entwicklung bereits weitgehend eingepreist. Oder ein Worst-Case-Szenario ist in Form sehr hoher Renditen bereits in den Kursen enthalten. Vor diesem Hintergrund ist Spillane aktuell reserviert gegenüber Investments in polnischen und tschechischen Anleihen in lokaler Währung. Attraktiver seien bei Investments in lokaler Währung andere ausgewählte Staaten: „Value sehen wir auch bei Anleihen aus Südafrika und Mexiko.“