Berlin

Starke Krisenspuren in der Finanz- und Wirtschaftspolitik

Viel hatte sich die Ampel-Koalition bei Amtsantritt auch in der Finanz- und Wirtschaftspolitik vorgenommen. Die Krise durch den Russland-Krieg zeichnet auch dort deutliche Spuren.

Starke Krisenspuren in der Finanz- und Wirtschaftspolitik

Nach einem Jahr Ampel haben die Folgen des russischen Kriegs auch in den Arbeitsplänen der einzelnen Ministerien deutliche Spuren hinterlassen. Vorrang vor der ursprünglich von der Koalition ersonnenen Agenda hatte das Krisenmanagement. Im Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) hieß das: Energieversorgung sichern. Der Großteil der 29 Gesetzentwürfe und noch mehr Verordnungen, die in den ersten zwölf Regierungsmonaten vom Ministerium für die Gesetzgebung vorbereitet wurden, ist durch die Krise bestimmt. Sie reichen von Füllstandsvorgaben für Gasspeicher über die treuhänderische Verwaltung und Enteignung kritischer Energieinfrastruktur, den beschleunigten Einsatz flüssigen Erdgases, die längere Bereithaltung von Kohleverstromung und Kernkraft bis hin zu Energieeinsparmöglichkeiten und erhöhter Stromproduktion aus erneuerbaren Energien. Auch die Soforthilfe für Gas und Wärme, die an Verbraucher und kleinere Unternehmen geht, sowie die Gas-, Wärme- und Strompreisbremse gehören dazu.

An Transformationsvorhaben konnte Habeck noch die Ausbauziele für Windenergie auf See und an Land sowie den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energie im Stromsektor voranbringen – Letzteres mit einem ebenfalls erhöhten Ausbauziel. Das Gebäudeenergiegesetz, das Standards für Neubauten verbindlich festlegt, und das Gesetz zur Aufteilung der CO2-Kosten zwischen Vermietern und Mietern sind ebenfalls Teil der Klimawende, die sich die Ampel vorgenommen hat.

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Schnittmengen zwischen dem Wirtschaftsressort und dem von Christian Lindner (FDP) geführten Bundesfinanzministerium gibt es natürlich immer beim Geld – aber auch bei Sanktionen. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine sind Sanktionen zu einer der Waffen in diesem Krieg geworden. In Deutschland musste der Bundestag zustimmen, dass die EU Standards setzen darf, welche Verstöße gegen EU-Sanktionen und wie diese strafrechtlich verfolgt werden. Die Zuständigkeit dafür liegt bei Habeck.

Lindner muss sich hierzulande um die Durchsetzung von Sanktionen kümmern. Um Vermögen von russische Banken und Oligarchen zu konfiszieren, brachte er zwei Sanktionsdurchsetzungsgesetze auf den Weg. Das Thema hängt eng zusammen mit Geldwäsche und Finanzkriminalität. Dort hatte die Anti-Geldwäsche-Organisation FATF ohnehin Defizite bei der Umsetzung der Vorgaben in der deutschen Verwaltung festgestellt, die nun in einem Aufwasch behoben werden sollen. Lindner plant ein neues Bundesfinanzkriminalamt, die Stärkung der Meldestelle Financial Intelligence Unit für Verdachtsfälle und eine neue Zentralstelle für Geldwäscheaufsicht.

In der Finanzpolitik hat sich der Krieg in der Ukraine nicht nur mit internationaler Unterstützung für das überfallene Land und für überschuldete Entwicklungsländer, sondern auch in Hilfspaketen hierzulande für Bürger und Wirtschaft von fast 300 Mrd. Euro niedergeschlagen. Darüber hinaus bekam die Bundeswehr 100 Mrd. Euro für eine bessere Ausstattung. Milliardenschwere Kredite in dieser Höhe hatte vor Lindner noch kein Finanzminister auf die Schiene gesetzt. Die Schuldenbremse wird seiner Lesart nach 2023 wieder eingehalten, da die Kredite weitgehend nicht im Kernhaushalt, sondern in Sondervermögen des Bundes aufgenommen werden. Durchgesetzt hat Lindner gegen Widerstand in der Ampel das Inflationsausgleichsgesetz. Es entlastet die Bürger 2023/24 um 50 Mrd. Euro.

Mit Blick auf den Finanzmarkt ist das Zukunftsfinanzierungsgesetz nicht fertig, aber weit gediehen. Es enthält eine Variation von Änderungen im Kapitalmarktrecht. Öffentlich sind bisher nur die Eckpunkte. Das Gesetz soll nächsten Herbst in Kraft treten. Ein Schritt in eine neue Welt in der Altersvorsorge ist Lindners Aktienrücklage – eine kapitalgedeckte Komponente in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das kreditfinanzierte Kapital für die Anlage ist mit 10 Mrd. Euro noch gering. Es soll nach Lindners Willen aber steigen. Eine Fokusgruppe Altersvorsorge soll zudem bis Sommer Reformvorschläge für die private Vorsorge prüfen.