„Wir können unsere Ziele auch ohne Zukäufe erreichen“
„Wir können unsere Ziele auch ohne Zukäufe erreichen“
Herr Schmitt, das ist Ihr erstes Interview seit Ihrer Rückkehr zur Commerzbank. Sie waren vier Jahre weg. Wie hat sich die Bank seither verändert?
Mir sind vor allem zwei Dinge aufgefallen: Der Zusammenhalt ist stärker. Alle stehen stolz hinter der Bank, hinter der Marke. Das ist ein sehr schönes Gefühl. Die vergangenen Strategieprogramme tragen jetzt Früchte. Darauf setzen wir mit unserer weiterentwickelten Strategie „Momentum“ und beschleunigen das Wachstum. Das verändert die Haltung innerhalb der Bank. Der Blick ist unternehmerischer geworden und richtet sich stärker auf die Erträge und Ergebnisse der nächsten Jahre. Gleichzeitig sind wir spürbar mutiger und selbstbewusster geworden.
Die Commerzbank befindet sich heute aber auch im Abwehrkampf gegen Unicredit. Ausschüttungen und Aktienrückkäufe haben sich als wirksames Instrument erwiesen. Aber wie nachhaltig ist das?
Das suggeriert, dass die Ausschüttungen eine Reaktion auf die aktuelle Situation wären.
Sind sie das nicht? Die Börsenbewertung ist so gestiegen, dass eine Übernahme für Unicredit derzeit wohl zu teuer wäre.
Für die Höhe der Ausschüttungen – und hier rede ich nicht nur von der Dividende, sondern auch von Aktienrückkäufen - ist ausschließlich relevant, was wir im jeweiligen Geschäftsjahr im Einklang mit unserer Strategie und unserem Geschäftserfolg an die Aktionärinnen und Aktionäre zurückgeben können. Im Kern geht es darum, dass wir das von ihnen eingesetzte Kapital angemessen verzinsen. Das können wir dank der Fortschritte, die wir in den vergangenen Jahren gemacht haben, auch wieder, ohne an die Substanz gehen zu müssen. Wir haben 2024 ein Rekordergebnis erwirtschaftet und wollen den Gewinn dieses Jahr weiter steigern. Für das Jahr 2025 planen wir deshalb mit einer Ausschüttungsquote von mehr als 100 % des Nettoergebnisses nach Restrukturierungskosten von bis zu 700 Mill. Euro und nach Abzug von AT-1-Kuponzahlungen. Im Endeffekt sind Vollausschüttungen des Gewinns in den kommenden Jahren auch deshalb sinnvoll, um unsere Kernkapitalquote von zuletzt 15,1% bis 2028 auf unsere Zielquote von 13,5% zu steuern. Damit sind wir dann angemessen kapitalisiert.
Wären Investitionen in künftiges Wachstum nicht besser? Sie könnten stattdessen selbst zukaufen.
Natürlich investieren wir und treiben die Transformation der Bank voran. „Momentum“ ist eine klare Wachstumsstrategie: Wir haben uns über alle Segmente vorgenommen, jedes Jahr um 4% zu wachsen, und zwar aus eigener Kraft. Im Privatkundenbereich werden wir unser Asset- und Wealth-Management ausbauen, im Firmenkundengeschäft wollen wir noch mehr Geschäft mit dem Mittelstand machen und setzen zudem verstärkt auch auf internationales Wachstum. Übernahmen schließen wir grundsätzlich nicht aus. Aber wir legen einen klaren Fokus darauf, dass ein Zukauf von Produkt- oder Vertriebskompetenzen unseren Anspruch für 2028 nicht verwässern darf.
Was bedeutet das konkret?
Wir wollen nur dann anorganisch wachsen, wenn das erworbene Geschäft dazu beiträgt, das Ziel einer Eigenkapitalrendite von 15% und einer Cost-Income-Ratio von 50% zu erreichen. Unser Geschäftsplan ist ambitioniert, aber realistisch. Wir können unsere Ziele auch ohne Zukäufe erreichen.
Durch die üppigen Kapitalrückgaben ist die verbleibende Commerzbank-Beteiligung auch für den Bund attraktiver geworden. Wie viel haben Sie seit dem Beginn des Programmes insgesamt an die Finanzagentur ausgekehrt?
Der Bund hat über Dividendenzahlungen von der wiedererstarkten Commerzbank profitiert – insgesamt waren das für die Geschäftsjahre 2022, 2023 und 2024 etwa 200 Mill. Euro. Außerdem haben wir für rund 1,72 Mrd. Euro Aktien zurückgekauft. Das hat zu unserem sehr erfreulichen Aktienkursverlauf beigetragen, der den Wert der Beteiligung des Bundes deutlich erhöht hat.
Sowohl Bundeskanzler Friedrich Merz als auch Finanzminister Lars Klingbeil haben sich inzwischen mit deutlichen Worten gegen eine Übernahme der Commerzbank durch Unicredit ausgesprochen. Wünschen Sie sich den Bund auch weiterhin als Ankeraktionär?
Grundsätzlich ist wünschenswert, ein stabiles Aktionariat zu haben. Denn das hilft uns dabei, uns auf die Umsetzung unserer Strategie zu konzentrieren.
Haben Sie Herrn Klingbeil schon getroffen?
Nein. Ich gehe auch davon aus, dass andere Antrittsbesuche weiter oben auf seiner Agenda stehen. Außerdem haben sich ja sowohl der Finanzminister als auch der Bundeskanzler bereits eindeutig zur Commerzbank positioniert. Die Bundeswirtschaftsministerin und viele andere im Übrigen auch. Wir treffen die Vertreter des Bundes in der Regel einmal im Quartal, so wie andere Investoren auch.
Welche Wünsche haben Sie an die neue Regierung?
Vor allem eine zügige Umsetzung der bekundeten Absichten. Das gilt nicht nur für die Investitionspakete und den Bürokratieabbau, sondern auch für die angekündigten Steuersatzänderungen und Abschreibungsmöglichkeiten. Die Pläne setzen an den richtigen Stellen an, weil das die Parameter sind, die unsere Wirtschaft wieder stabilisieren. Wenn es gelingt, sie zeitnah umzusetzen, erhoffe ich mir davon auch einen stabilisierenden Effekt für unsere Gesellschaft. Denn wenn die Menschen merken, dass sich etwas bewegt bei diesen Themen, wird auch ihr Blick in die Zukunft positiver werden.
Mit dem Investitionspaket und dem Sondervermögen für Verteidigung hat die neue Regierung ein riesiges Konjunkturprogramm aufgelegt. Was erhofft sich die Commerzbank davon?
Die gesamte Wirtschaft wird davon profitieren und das ist immer auch gut für die Commerzbank. Aber es wird noch dauern, bis der Effekt spürbar wird. Im laufenden Jahr rechnen wir in Deutschland mit einem Wirtschaftswachstum von gerade einmal 0,2%. Aber der Impuls ist da. Für das kommende Jahr erwarten wir insbesondere wegen der sich abzeichnenden expansiveren Finanzpolitik und der zunehmenden Impulse der Geldpolitik ein spürbares Wachstum von 1,4%. Da die strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft noch nicht umfassend angegangen werden und zudem die Nachfrage aus China schwach bleiben dürfte, ist aber noch nicht mit einem nachhaltigen kräftigen Aufschwung zu rechnen. In den darauffolgenden Jahren wird sich das Wachstum durch Zweitrundeneffekte voraussichtlich verstärken. Allerdings nur, wenn nicht nur die Mittel bereitgestellt, sondern auch die Rahmenbedingungen verbessert werden, vor allem durch kürzere Genehmigungsverfahren am Bau oder bei anderen Investitionsvorhaben. Wir als Commerzbank stehen jedenfalls bereit, die Investitionsoffensive der Bundesregierung als Finanzierungspartner zu unterstützen.
Auch die EU-Kommission will den Bürokratieabbau vorantreiben und hat dafür im Februar das Omnibus-Paket auf den Weg gebracht. Kommt davon bei Ihnen schon was an?
Der ernsthafte Wille zum Bürokratieabbau ist erkennbar und das ist zu begrüßen. Es muss einfacher werden, zu investieren und das eingesetzte Kapital schneller wirksam werden zu lassen. Aber wir stehen noch ganz am Anfang des Prozesses. Und aus der letzten Legislaturperiode gibt es leider noch immer einen unheimlich großen Block an nachgelagerter Regulierung und Gesetzgebung, die noch gar nicht finalisiert ist, ganz besonders in der Finanzbranche. Es wird daher darum gehen, die Umsetzung konsequent zu verfolgen.
Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?
Die Berichtspflichten bleiben ein Thema. Ich bin niemand, der pauschal sagen würde, dass Regulierung einfach nur weniger werden muss. Denn vieles von dem, was in den vergangenen 10, 15 Jahren an regulatorischen Anforderungen dazugekommen ist, trägt ja tatsächlich zur Stabilisierung des Finanzsystems bei. Für problematisch halte ich allerdings den enormen Aufwand, der durch die Nachhaltigkeitsberichterstattung noch obendrauf gekommen ist.
Sie beziehen sich auf die CSRD, die Corporate Sustainability Reporting Directive?
Ja. Das ist eine komplexe Herausforderung, vor allem weil die Berichtspflichten zeitversetzt in Kraft treten. Zuerst werden große Unternehmen berichtspflichtig, dann folgen in einem zweiten Schritt die mittelgroßen. Den letzteren Schritt hat die EU gerade um zwei Jahre verschoben. Wie sich diese Berichtspflicht auf weitere Unternehmen fortsetzt, ist Gegenstand der aktuellen Diskussionen in Brüssel.
Mit Omnibus hat die EU-Kommission bei dem Thema sozusagen die Uhr angehalten und die bestehenden Übergangsfristen um mindestens ein Jahr verlängert. Ist das nicht im Sinne der Banken, wenn der Zeitdruck da rausgenommen wird?
Nicht unbedingt. Denn die Aufsicht erwartet weiterhin, dass wir die entsprechenden Daten sammeln und reporten. Verschiebungen und Vereinfachungen sollten idealerweise die gesamte Wertschöpfungskette im Blick haben, um zu verhindern, dass es für die Unternehmen, die weiterhin Daten melden müssen, noch schwieriger wird, ihren Anforderungen nachzukommen – weil sie auch noch auf verschiedene Datenpools zugreifen müssen.
Man könnte kleinere Unternehmen aber auch entlasten, indem man sie ganz aus der Berichtspflicht entlässt.
Es stimmt, dass es gerade für die kleineren Mittelständler eine Herausforderung ist, die Vielzahl an Melde- und Berichtspflichten zu erfüllen. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass sie zukünftig von verschiedenen Geschäftspartnern oder anderen Stellen mit ähnlichen, aber weniger standardisierten Datenabfragen konfrontiert werden. Der überbordende bürokratische Aufwand in Deutschland frustriert den Mittelstand nicht nur, sondern lähmt auch seine wirtschaftliche Entwicklung. Eine echte Erleichterung und grundsätzliche Überprüfung der Berichtspflichten auf die Daten, die wirklich entscheidend sind, wäre deshalb wünschenswert, damit unsere Kundinnen und Kunden wieder schneller an Finanzierungen kommen und in Wachstum investieren können.
Das Thema Nachhaltigkeit ist auch mit Blick auf die USA interessant. Unter Präsident Donald Trump ist die Anti-ESG-Strömung zum Regierungsprogramm geworden. Viele europäische Banken haben angekündigt, dass sie trotzdem an ihren Nachhaltigkeitszielen festhalten wollen. Wird sich das auf Dauer durchhalten lassen?
Im Kern geht es darum, die längerfristigen Konsequenzen wirtschaftlichen Handelns bei der Finanzierung im Blick zu behalten und die Bepreisung danach auszurichten. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit ein wichtiges Kundenthema bleibt.
Befürchten Sie dadurch keine Nachteile auf dem US-Markt?
Nein, jedenfalls nicht auf lange Sicht. Denn auch wenn die Idee dort momentan nicht en vogue ist, glaube ich, dass sich entsprechende Investments auch dort auf längere Sicht durchsetzen werden. Die Risiken mitzudenken, die mit manchen Finanzierungsvorhaben verbunden sind, ist ja nicht nur eine ethische, sondern auch eine ökonomische Frage.
Bei manchen Themen geht es in den USA nicht mehr bloß darum, was en vogue ist, sondern um knallharte Sanktionen. Etwa bei unternehmerischen Diversity-Programmen, die US-Präsident Donald Trump im Januar per Exekutivanordnung de facto untersagt hat.
Die Entwicklungen behalten wir im Blick. Diversity ist für uns ein klares Haltungsthema, das gleichzeitig auch dem unternehmerischen Geschäftserfolg zuträglich ist. Es gibt Unternehmen, die sich aktuell entscheiden, ihre Diversitätsziele anzupassen. Ich bin davon überzeugt, dass dies nicht dazu führt, dass die Themen selbst oder der Diskurs über den richtigen Weg verschwinden. Daher setzen wir uns unverändert für eine offene, respektvolle und vielfältige Gesellschaft ein und nehmen unsere unternehmerische Verantwortung wahr.
Wenn sich Adressen wie Blackrock von ihren ESG-Zielen distanzieren, hat das doch aber Folgen. Auch auf das Angebot der Commerzbank, denn der größte Teil der ETFs oder Fondsanteile, die Sie ihren Kunden verkaufen, dürften dadurch weniger grün werden.
Unser Geschäftsmodell ist darauf angelegt, den Kundinnen und Kunden eine möglichst breite Produktpalette anzubieten. Und wir bauen unser Beratungsgeschäft kontinuierlich aus, um sicherzustellen, dass wir ihnen den Zugang zu den Produkten herstellen, die zum jeweiligen Risikoprofil und zu ihren Anlagewünschen passt. Das gilt auch für die nachhaltige Geldanlage.
Bleibt die Frage, welche Vorhaben mittel- und langfristig mit dem Geld der Anleger vorangetrieben werden, wenn es uns in Europa an einer ausreichenden Kapitalmarkttiefe fehlt, um die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu finanzieren.
Natürlich haben wir bis zu einer vollständigen europäischen Kapitalmarktunion noch einige Arbeit vor uns. Aber auch wenn ich an die Pläne zur Savings und Investment Union denke, sehen wir das Momentum aktuell so stark wie lange nicht. Daher wäre ich nicht zu pessimistisch, vor allem mit Blick auf den Verbriefungsmarkt, für den wir uns schon lange einsetzen. Auch wenn die großen Player in den USA sitzen, gibt es in Europa ebenfalls leistungsfähige Banken und Investmenthäuser. Für sie ist die aktuell diskutierte Reform der Verbriefungsregeln eine Chance. Indem wir bestimmte Kredite aus unseren Portfolios nehmen, bündeln und damit investierbar machen für Kunden, können wir unsere Ressourcen besser einsetzen und Kapazitäten für neue Finanzierungsvorhaben freisetzen. Und wir adressieren damit eine Gegenseite, die diese nachhaltigen Assets nachfragt.
Noch bevor die EU-Kommission den langersehenten Reformvorschlag öffentlich vorgestellt hatte, hagelte es Kritik seitens der Marktteilnehmer. Teilen Sie diese?
Wie so oft steckt auch hier der Teufel im Detail. Wir teilen die Bedenken, dass eine Reihe der neuen Vorschläge eher noch zusätzliche Komplexität schaffen werden. Aber natürlich begrüßen wir das Ziel, Bürokratie abzubauen und die die regulatorischen Vorgaben inklusive der Kapitalanforderungen stärker risikobasiert auszugestalten. Die auf diesem Wege angestrebte Harmonisierung könnte dem Markt positive Impulse zu geben.
Weil die Commerzbank ihre verbrieften Forderungen dann künftig zum Beispiel niederländischen oder portugiesischen Pensionskassen anbieten könnten?
Das können wir grundsätzlich schon heute. Aber eben nur in maßgeschneiderter Form, weil sie nach den jeweiligen nationalen Regeln strukturiert sein müssen. Wenn die Reform hält, was wir uns davon versprechen, können wir künftig dasselbe Produkt in allen Märkten anbieten. Das würde es uns erlauben, Verbriefungen mit weniger Aufwand in der Breite anzugehen.
Ziel der EU-Kommission ist es ja, in allen Märkten gleiche oder zumindest ähnliche Investitionsbedingungen zu schaffen. Das würde dann auch zu der Vertiefung des europäischen Kapitalmarkts beitragen, die Sie angesprochen haben.
Zur Person
Carsten Schmitt kehrte 2025 nach knapp vier Jahren bei der Danske Bank zur Commerzbank zurück, um als Finanzvorstand die Geschäfte von der zur CEO aufgestiegenen Bettina Orlopp zu übernehmen. Davor hatte der 47-jährige seit der Banklehre in seiner Heimatstadt Hamburg seine gesamte Berufslaufbahn bei den Gelben verbracht, unter anderem als Chief Operating Officer des US-Geschäfts und als Risikochef in London. Als Strategiechef der Danske-Bank beeindruckte ihn die konsensorientierte Diskussionskultur der Dänen. Dies versucht er, auch in seinen Arbeitsalltag bei der Commerzbank zu integrieren.
Im Interview: Carsten Schmitt
Der neue CFO der Commerzbank über Vollausschüttungen, den Umgang mit der Anti-ESG-Politik in den USA und das Verhältnis zur neuen Bundesregierung
Ambitionierte Kapitalrückgabepläne haben die Börsenbewertung der Commerzbank seit dem Kapitalmarkttag im Februar um fast 40% in die Höhe getrieben. Laut CFO Carsten Schmitt ist es aber nur ein wünschenswerter Nebeneffekt, dass Unicredit seine Übernahmepläne derzeit nicht aktiv weiterverfolgt.
Das Interview führten Anna Sleegers und Thomas List.