Lars von Lackum

LEG steckt im Zielkonflikt

Die LEG Immobilien übt den Spagat zwischen dem Angebot an bezahlbarem Wohnraum einerseits und dem Erreichen von Klimaschutzzielen andererseits. Da das Wohnungsunternehmen im unteren Preissegment unterwegs ist, bringen Modernisierungsumlagen die Mieter leicht an die finanzielle Belastungsgrenze.

LEG steckt im Zielkonflikt

Von Annette Becker, Düsseldorf

Noch nie kannte sich Lars von Lackum mit den Programmen der im Bundestagswahlkampf antretenden Parteien so gut aus wie in diesem Jahr. Nicht etwa, weil der LEG-Chef plötzlich seine Liebe zu vergleichenden Politikwissenschaften entdeckt hätte, sondern schlicht, weil die (überwiegend angelsächsischen) Investoren der LEG das erwarten. Konkret geht es um die Pläne der Parteien beim Thema bezahlbarer Wohnraum, das im Bundestagswahlkampf zweifelsohne eine große Rolle spielen wird. „In Investorengesprächen, die in der Regel 40 Minuten dauern, beschäftigen wir uns inzwischen eine Viertelstunde lang mit Politik“, sagt LEG-Chef von Lackum im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Dass die Furcht vor zunehmender Regulierung der Immobilienwirtschaft den Investoren unter den Nägeln brennt, lässt sich nicht zuletzt an den Kursen der Wohnimmobilienaktien ablesen. Profitierten die Unternehmen im vorigen Jahr von ihrer hohen Resilienz in der Coronakrise, schwingt das Pendel seit Anfang des Jahres zurück. Daran hat selbst das im April gefällte Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das den Berliner Mietendeckel kippte, nichts geändert. Auch die Anfang der Woche angekündigten Fusionspläne von Vonovia und Deutsche Wohnen werden daran nichts ändern.

Zwar habe er das Urteil mit großer Erleichterung aufgenommen, sagt von Lackum. „Bedauerlich ist, dass das Gericht aufgrund der klaren formalrechtlichen Unzulässigkeit die Frage offenließ, ob ein Mietendeckel grundsätzlich erlaubt ist.“ Hatte sich die LEG mit Blick auf den Berliner Mietendeckel, der die Mieten in der Hauptstadt auf dem Niveau von Juni 2019 eingefroren hatte, in der Vergangenheit entspannt zurückgelehnt und darauf verwiesen, dass die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen keine vergleichbaren Pläne in der Schublade habe, ist mit dem Urteil nun geklärt, dass die Gesetzgebungskompetenz beim Bund liegt. Nun wird befürchtet, dass die künftige Bundesregierung die regulatorischen Zügel weiter strafft. „Es wird vermutlich weitere Eingriffe ins Mietrecht geben, sowohl für Bestands- als auch für Neumieten“, glaubt von Lackum.

Bedeutsamer als die Eingriffe in die Mietpreisgestaltung durch den Gesetzgeber ist aus Sicht der Investoren und damit zwangsläufig auch des LEG-Chefs der ökologische Umbau des Wohnungsbestands in Deutschland. Ein Punkt, der auch Triebfeder hinter der jüngsten Mega-Fusion gewesen sein dürfte. Den geplanten Zusammenschluss will von Lackum zwar nicht bewerten oder kommentieren. Allerdings: „Eine Kausalität zwischen der Intensität regulatorischer Herausforderungen und der Größe von Unternehmen besteht unseres Erachtens nicht.“

Sektor verfehlt CO2-Ziele

Hierzulande entfiel nach den Emissionsdaten des Bundesumweltamtes 2020 ein Anteil von gut 16% der CO2-Emissionen auf Gebäude. Inklusive der indirekten Emissionen (Fernwärme, verwendeter Strom) und der grauen Emissionen, die beim Bau und der Instandhaltung anfallen, ist es etwa ein Viertel. Der Gebäudesektor war damit der einzige, der die CO2-Reduktionsziele im vorigen Jahr verfehlte.

Gerade für die LEG, die sich auf die Assetklasse bezahlbarer Wohnraum spezialisiert hat, sind die neuen Klimaziele allerdings ein zweischneidiges Schwert. Denn zahlreiche Immobilien aus dem LEG-Portfolio sind wenig energieeffizient, was die ökologische Sanierung sehr kostspielig macht. Umgekehrt sind die Gebäude mit schwacher Energieeffizienz aber genau jene, die sich durch einen geringen Mietpreis pro Quadratmeter auszeichnen.

Die Krux: Wird energetisch saniert und werden die Kosten auf den Mieter umgelegt, werden zahlreiche Mieter finanziell überfordert, auch wenn die Umlage mittlerweile gedeckelt ist. „Die Modernisierungsumlage bringt manche Mieter an die Grenze der Belastbarkeit“, weiß von Lackum. „Das soziale Element darf bei den Bemühungen um Klimaschutz nicht aus den Augen verloren werden“, fordert der LEG-Chef und regt an, bei der staatlichen Förderung neben der Objekt- auch eine Subjektförderung zu ermöglichen. Das Thema birgt nach Einschätzung des LEG-Chefs „politische Sprengkraft“.

Um die jüngst nachgeschärften Klimaziele zu erreichen, will die LEG daher auch stärker auf das Umrüsten der Energieversorgung hin zu grünem Strom und Fernwärme setzen. „Hier liegt ein deutlich höheres Einsparpotenzial.“ An dem Versprechen, künftig jedes Jahr 3% des Immobilienbestands zu sanieren – gleichzusetzen mit jährlichen Investitionen von 110 Mill. Euro –, hält die LEG jedoch fest. Im Einklang mit dem neuen Klimaschutzgesetz haben sich die Düsseldorfer vorgenommen, bis 2045 klimaneutral zu wirtschaften. Auf dem Weg dorthin sollen die CO2-Emissionen in einem ersten Schritt bis 2024 um 10% verringert werden. Von Lackum widerspricht nicht, dass sich das wenig ambitioniert anhört, doch hält er sich zugute, dass die LEG als erstes deutsches börsennotiertes Unternehmen überhaupt ein konkretes Einsparziel formuliert hat.

Innovation soll es richten

Außerdem setzt von Lackum auf Innovationen, die bei der energetischen Sanierung die Kosten deckeln helfen, beispielsweise durch standardisierte Fassadenlösungen zur Wärmedämmung und andere Bauabläufe. „So wie wir das in den letzten zehn Jahren gemacht haben, hat das nichts gebracht“, sagt von Lackum und verweist darauf, dass die CO2-Einsparungen durch Gebäudedämmung vom gestiegenen Stromverbrauch der Mieter mehr als aufgefressen wurden.

Von daher sieht es von Lackum auch als kritisch an, dass die CO2-Steuer, die Mieter von diesem Jahr an beim Heizen entrichten müssen, künftig zur Hälfte vom Vermieter zu tragen ist. „Das ist marktwirtschaftlich falsch, weil es nicht verursachergerecht ist“, sagt der LEG-CEO und kontert, dass sich ein Autovermieter auch nicht hälftig an den Spritkosten des Automieters beteiligen müsse.

Gleichwohl hat die LEG die Vor­gabe unabhängig von Sinn oder Unsinn der neuen Regelung bereits in ihrer Jahresprognose berücksichtigt. Dadurch werde der operative Mittelzufluss in diesem Jahr 2 Mill. Euro niedriger ausfallen. Zudem sei der Immobilienbestand bei der Bewertung zum Bilanzstichtag 2020 um etwa 400 Mill. Euro weniger hochgeschrieben worden.

Mieterverhalten beeinflussen

Die LEG hat sich gleichwohl zum Ziel gesetzt, die Mieter in deren Verhalten zu beeinflussen. Basis dafür sei, die Mieter zunächst über ihren individuellen CO2-Fußabdruck aufzuklären und zur Verhaltensänderung zu incentivieren. Vorstellbar sei beispielsweise, dass der Mieter eines Wohnkomplexes mit den geringsten Heizkosten in einem bestimmten Zeitraum eine Prämie erhält. Das sei Anreiz, es diesem Mieter nachzutun, glaubt von Lackum. Allerdings stößt die LEG in Teilen des Bestands auch an Grenzen, wenn es um die Beeinflussung der Mieter geht. Denn bei knapp einem Viertel des LEG-Bestands handelt es sich um geförderten Wohnraum. Dort wird die Miete von staatlichen Stellen gezahlt, so dass es aus Mietersicht keinen Anreiz zur Verhaltensänderung gibt.

Doch auch wenn es derzeit noch keine Lösung für den Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und bezahlbarem Wohnraum gibt, ist von Lackum überzeugt, dass die Investoren wieder bei Immobilienaktien zugreifen werden, wenn die politischen Fronten erst einmal geklärt sind, denn: „Deutschland ist Frontrunner für ESG“, nicht zuletzt dank der Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft, ist von Lackum überzeugt.