Cathie Wood

„Die Dollar-Aufwertung führt in eine Finanzkrise“

Starinvestorin Cathie Wood kritisiert die Fed scharf. Doch trotz der straffen Geldpolitik bleibt sie von Growth-Titeln wie Tesla oder Zoom überzeugt – und bekräftigt ihr Bitcoin-Kursziel von 1 Mill. Dollar.

„Die Dollar-Aufwertung führt in eine Finanzkrise“

Alex Wehnert.

Frau Wood, die Märkte leiden stark unter der restriktiven Geldpolitik der Federal Reserve. Auch Sie haben das Vorgehen der Währungshüter zuletzt scharf kritisiert. Hätte die US-Notenbank die Inflation einfach laufen lassen sollen?

Ich glaube, das wäre wirklich der bessere Weg gewesen. Preisanstiege bereinigen den Markt, die Fed erstickt dagegen mit ihren Zinserhöhungen die Nachfrage. Sie behandelt die aktuelle Inflation wie die Preis­anstiege der 1970er Jahre. Damals begann die Teuerung aber bereits im Jahr 1964 mit dem Vietnam-Krieg sowie der Ausweitung von Sozialprogrammen in den USA und bauschte sich über 15 Jahre auf. Hinzu kam das Ende des Goldstandards. Heute ist die Situation ganz anders, die Inflation ist nur über 15 Monate heiß gelaufen, und doch schwingt die Fed unter Jerome Powell eine härtere Keule als einst unter Paul Volcker.

Unter Volcker stieg der Leitzins auf über 20%, heute liegt er dagegen nur in der Spanne von 3 bis 3,25% …

Investoren sollten die Relationen beachten. Volcker hob die Federal Funds Rate binnen zwei Jahren auf das Doppelte, unter Powell hat sie sich innerhalb eines halben Jahres verdreizehnfacht. Die Dollar-Aufwertung führt in eine Finanzkrise. Denn während sie für die USA deflationäre Wirkung hat, steigt der inflationäre Druck auf den Rest der Welt. Dies gilt insbesondere für Schwellenländer, die ein hohes Maß Dollar-denominierter Schulden aufweisen. Da ihre Währungen einbrechen – der chinesische Yuan ist zum Greenback auf den tiefsten Stand seit 2008 abgerutscht –, müssen sie ihre Schulden zu teureren Bedingungen zurückzahlen.

Mit welchen Folgewirkungen?

China hat bereits großvolumig Dollar-Reserven verkauft, um eine weitere Yuan-Abwertung zu verhindern. Wenngleich die Notenbank diese Strategie vorerst aufgegeben hat, wird sie doch zu ihr zurückkehren. Sie verfügt noch über große Rücklagen im Greenback, kann durch Verkäufe also für mehr Liquidität im Dollar-Markt und somit eine indirekte monetäre Lockerung für die USA sorgen. Dagegen wiederum steht die Fed, die mit ihren überharten Maßnahmen das Investorensentiment weiter untergraben wird. Dabei ist die deflationäre Gefahr für die Märkte viel größer als die inflationäre.

Tatsächlich? Die Verbraucherpreise verharren doch stur auf extrem hohen Niveaus.

Doch der Dollar wertet massiv auf und die Rohstoffpreise sinken im Gegenzug. Zudem wurden in Krisenzeiten überall Inventare aufgestockt: China hält Lebensmittelvorräte, die für ein Jahr reichen, und baut sie weiter aus. Große Handelsketten wie Walmart, Target, Costco und Home Depot verfügen eigentlich über ein exzellentes Lieferkettenmanagement und sitzen doch auf vollen Lagerbeständen. Um diese abzubauen, werden sie die Preise senken müssen. Unterdessen gehen die Gebrauchtwagenpreise bereits deutlich zurück, was sich auch auf den Neuwagenmarkt auswirken dürfte. Wir könnten also bald in schneller Folge Rückgänge der Inflation erleben.

Wann dürfte die Fed darauf reagieren?

Leider hat sich bei der jüngsten Sitzung des Offenmarktausschusses gezeigt, dass die Notenbank nicht wirklich datengetriebene Entscheidungen trifft. Sonst hätte sie angesichts der eingetrübten Konsumlaune nicht einstimmig eine Leitzinserhöhung um 75 Basispunkte beschlossen. Im kommenden Jahr wird aber die Frage laut werden, wie die Wirtschaft und die Märkte aus der Rezession, die durch deflationäre Entwicklungen getrieben sein wird, herausfinden. Die Stimmen, die den kontraktiven Kurs der Fed kritisieren, werden bereits jetzt zahlreicher und lauter. Und auch aus der Notenbank sind vorsichtige taubenhafte Töne zu hören, die auf einen geldpolitischen Umschwung im ersten Quartal 2023 hindeuten.

Das dürfte auch für Sie persönlich ein Hoffnungsschimmer sein, leiden Ihre Growth-Portfolios im laufenden Jahr doch stark unter der restriktiveren Geldpolitik. Das hat teils zu heftigen monatlichen Mittelabflüssen geführt. Haben Ihre Investmenterfolge der Vorjahre zu hohe Erwartungen bei Ihren Anlegern geweckt?

Ganz ehrlich: Die Bindung der Investoren an unsere Strategien ist viel stärker, als wir erwartet haben. Wir hatten im laufenden Jahr zwei Monate mit großen Mittelabflüssen, das waren Januar und August. Im September haben wir Nettomittelzuflüsse verzeichnet. Seit Jahresbeginn gerechnet fallen die Ströme über unsere gesamte ETF-Suite positiv aus. Unserem Flaggschiffprodukt, dem aktiv verwalteten Ark Innovation ETF, sind seit Anfang Januar netto 1,2 Mrd. Dollar zugeflossen. Für uns macht es sich dabei bezahlt, dass wir unser Aktien-Research und unsere Marktanalysen offensiv öffentlich kommuniziert haben.

Inwiefern?

Weil die Anleger die Grundlagen für unsere Investmententscheidungen besser nachvollziehen können, sind sie auch eher bereit, Verluste auszuhalten. So schneidet der Ark Innovation ETF im laufenden Jahr deutlich schlechter ab als der Nasdaq 100 – und obwohl wir keine Anlagen auf Grundlage von Indizes tätigen, war das für uns Anlass, das Börsenbarometer genauer zu betrachten.

Mit welchem Ergebnis?

Im Index entfällt die Hälfte der Marktkapitalisierung auf einen kleinen Kreis an Aktien: Meta Platforms, Alphabet, Apple, Netflix, Amazon, Microsoft, Nvidia und Tesla. Bis auf letztgenannten Titel sind das Werte aus der alten, etablierten Tech-Welt. In den restlichen 50% des Nasdaq 100 sind zahlreiche Versorger und Unternehmen aus dem stationären Einzelhandel vertreten, die dort eigentlich nichts zu suchen haben. Vielleicht 25% des Index bilden wirklich disruptive Innovation ab.

Zu der es auch Schnittmengen in Ihren Portfolios gibt?

Durchaus, aber 75% des Nasdaq 100 sind für uns eben nicht mehr investierbar. Deswegen haben wir uns mit dem Slogan „Ark ist der neue Nasdaq“ vorgewagt, bei den Anlegern hat das Anklang gefunden. Wir holen uns zugleich auch viel Feedback ein. Auf Plattformen wie Github können Investoren die Basisannahmen und Variablen unserer Analysemodelle anpassen und sich mit uns über ihre Ergebnisse austauschen.

Tesla, die größte Position im Ark Innovation ETF, haben Sie bereits erwähnt. Der Titel hat in den Vorjahren bedeutend zur starken Performance Ihres Portfolios beigetragen. Laufen Sie nicht Gefahr, zu lange an solchen Werten festzuhalten, weil Sie Ihnen ans Herz gewachsen sind?

Ich versuche gezielt, nicht zu viel Kontakt zum Management der Unternehmen zu haben, in die ich investiere. Seit ich bei Tesla aktiv bin, habe ich mich vielleicht dreimal detailliert mit Elon Musk über die Aussichten des Unternehmens unterhalten. Für mich ist die wichtigste Variable der erwartete Return, den unsere Prognosemodelle für einen bestimmten Titel ausspucken. Wenn der Wert für Tesla unter 15% fallen würde, wäre der E-Auto-Bauer sicher nicht mehr die größte Position in meinem Portfolio. Doch der erwartete Return liegt zu den aktuellen Kursniveaus auf Sicht der kommenden fünf Jahre bei durchschnittlich über 60%.

Was stimmt Sie so optimistisch, dass sich diese hohe Vorgabe einhalten lässt?

Für Tesla wird mit dem autonomen Fahren ein technologischer Trend noch zum großen Treiber werden, an den heute nur wenige Marktteilnehmer wirklich glauben. Das Thema ist aus unserer Sicht so interessant, weil dabei mehrere Zukunftstechnologien zusammenlaufen, die sich gegenseitig befeuern. Die autonomen Fahrzeuge werden durch künstliche Intelligenz gesteuert, durch Robotik bewegt und elektrisch angetrieben sein. Aus dieser Konvergenz wird ein massives Wachstum folgen, der Markt dürfte bis Ende des laufenden Jahrzehnts ein Volumen von 9 bis 10 Bill. Dollar aufweisen.

Dagegen haben die Börsianer bei der zweitgrößten Position Ihres Flaggschiff-Vehikels offenbar den Glauben an die Wachstumsstory verloren: Die Aktie des Videokommunikationsdienstes Zoom liegt im laufenden Jahr nahezu 60% im Minus. Lässt sich der Schwung aus dem Coronajahr 2020 überhaupt noch neu entfachen?

Viele Anleger glauben, dass es sich bei Zoom um einen reinen Corona-Profiteur handelt. Sie beziehen sich dabei aber vor allem auf die Entwicklung im Privatnutzer-Markt. In diesem sind Anwendungen zu sehr niedrigen Preisen zugänglich – viel entscheidender für das Erlöswachstum sind indes die zahlungskräftigen Geschäftskunden. Bei unternehmensspezifischen Kommunikationsdienstleistungen hat sich der Wandel hin zum ersten großen neuen Investitionszyklus seit 30 Jahren während der Coronakrise beschleunigt. Enterprise Communications machen mit einem Volumen von 1,5 Bill. Dollar den größten Teil des Tech-Sets aus, die Entwicklung von hardwarezentrierten Systemen in Richtung Cloud birgt gewaltige Chancen.

Auch den Multimedia-Anbieter Roku gewichten Sie in Ihrem Portfolio hoch. Befürchten Sie nicht, dass der zunehmend schärfere Konkurrenzkampf im Streaming-Markt viel Wachstumspotenzial vernichten wird?

Gerade weil es diesen harten Wettbewerb gibt, ist Roku genau das richtige Investment. Schließlich hat das Unternehmen Mediaplayer entwickelt, über die verschiedene Streaming-Dienste laufen können. Das gibt es im Markt in dieser Form sonst nicht. Für Roku ist es also letztlich egal, welche Anbieter sich im fragmentierten­ Streaming-Segment durchsetzen. Denn aktuell werden 170 bis 180 Mrd. Dollar an Werbegeldern aus der linearen Fernseh- in die digitale Videowelt verschoben, Anbieter von Multimedia-Systemen werden da zu großen Nutznießern.

Welche weiteren technologischen Trends halten Sie für besonders chancenreich?

Interessant ist sicherlich das Quantencomputing. Ich habe lange Zeit gesagt, dass es auf Sicht von zehn Jahren keine kommerziellen Gelegenheiten in diesem Bereich geben wird. Jetzt sieht es aus, als würde sich da etwas bewegen, weil hohe Ressourcen ins Segment fließen. Darüber hinaus ist es für uns immer interessant, wenn verschiedene revolutionäre Technologien ineinandergreifen. Der Bereich der Biowissenschaften wird durch die digitale Transformation des Gesundheitswesens äußerst spannend.

Sie investieren auch in Genomik.

Ja, im Zusammenspiel mit künstlicher Intelligenz lassen sich darüber viele Probleme lösen, die durch aktuelle Krisen entstehen. Ein Beispiel ist die Sorge um die Versorgungssicherheit bei Lebensmitteln, die der Ukra­ine-Krieg ausgelöst hat. Durch die Bearbeitung pflanzlicher DNA lässt sich Getreide auf weniger fruchtbaren Böden als jenen am Schwarzen Meer anbauen, es braucht außerdem weniger Wasser und Pestizide. Innovation gewinnt eben oft in schwierigen Zeiten an Traktion.

Unterdessen galten Kryptowährungen unter Enthusiasten zwar lange als Absicherung für schwierige Zeiten, im laufenden Jahr haben sie aber enorm unter der restriktiven Geldpolitik und den Insolvenzen mehrerer Digital-Assets-Dienstleister gelitten. Wie hat sich Ihre Haltung zu Cyberdevisen dadurch verändert?

Zunächst einmal ist es sicher richtig, dass das Narrativ vom Inflations­hedge Bitcoin, der sich unabhängig von der Geldpolitik entwickelt, gelitten hat. Die Kryptowährung verhält sich seit Monaten stark wie eine Technologieaktie. Dennoch sind wir weiter überzeugt von Bitcoin, für den eine noch stärkere Dezentralisierung des Netzwerks wichtig wird, um Konzentrationsrisiken zu vermeiden. Was die Insolvenzen im Digital-Assets-Segment betrifft, so haben diese vor allem intransparente Anbieter getroffen. Dies hat den Markt bereinigt, der sich anschließend schnell wieder erholt hat.

Dennoch haben Sie Ihre Position bei Coinbase reduziert.

Ich war ehrlich gesagt überrascht über das große Medienecho darauf. Während der größten Marktverwerfungen haben wir unsere Allokation um wenige Basispunkte heruntergefahren, um unsere Cash-Polster zu vergrößern. Wir sind aber immer noch mit nahezu 4% unserer verwalteten Mittel bei Coinbase investiert und somit in guter Position, um von Entwicklungen wie der Kooperation der Kryptobörse mit Blackrock und dem zu erwartenden Zustrom institutioneller Investoren in den Digital-Assets-Markt zu profitieren. Auch unser langfristiges Bitcoin-Kursziel von ­1 Mill. Dollar und mehr steht noch.

Das Interview führte