Elisabeth Colleran

„Emerging Markets dürften schnell aufschließen“

Laut dem Investmentmanager Loomis Sayles stehen die Schwellenländer-Ökonomien vor einem Aufschwung. Emerging-Markets-Bonds böten folglich attraktive Gelegenheiten.

„Emerging Markets dürften schnell aufschließen“

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Der Investmentmanager Loomis Sayles rechnet in den kommenden Quartalen mit Rückenwind für Schwellenländeranleihen – insbesondere im Hochzinsbereich. „Der Bondmarkt dürfte von einem starken globalen Wirtschaftswachstum profitieren, wobei die Emerging Markets in der zweiten Jahreshälfte schnell zu den Industrienationen aufschließen dürften“, sagt Elisabeth Colleran, Portfoliomanagerin bei Loomis Sayles, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Corona-Korrelation nimmt ab

Dass sich die Einkaufsmanagerindizes der Schwellenländer zuletzt schwächer entwickelt hätten als jene der Industrienationen, habe insbesondere an der Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus in Asien gelegen. Denn diese habe zu Mobilitätseinschränkungen sowie Lieferkettenproblemen geführt. Bisher hätten viele Schwellenländer aber mit gezielten Lockdowns auf die Pandemie reagiert, wobei große Teile der Wirtschaft aus Notwendigkeit normal weitergelaufen seien. Weitere Anstiege der Corona-Fallzahlen dürften künftig nicht mehr so stark mit den Spread-Bewegungen von Emerging-Markets-Anleihen korrelieren, zumal die Impfquoten in Schwellenländern nach aktuellen Prognosen zum Jahresende vor jenen in den USA liegen dürften.

Zwar habe der starke Anstieg der globalen Anleiherenditen im Februar und März düstere Erinnerungen an den Ausverkauf an den Schwellenländermärkten im Jahr 2013 geweckt. Im Gegensatz zur damaligen Situation, in der die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe zwischen April und Juli um über 100 Basispunkte zugelegt habe, sich die Credit Spreads in den Emerging Markets aufgebläht hätten und Investoren aus den dortigen Lokalwährungen geflüchtet seien, befänden sich Schwellenländer heute in einer wesentlich weniger verwundbaren Lage. „Seitdem haben sich die Leistungsbilanzen stark verbessert und die Emerging-Markets-Ökonomien sind nicht aus einer Phase der Überhitzung in die Pandemie geschlittert, sondern aus einer stabilen zyklischen Position“, betont Colleran.

Devisen unterbewertet

Zugleich seien viele Schwellenländerwährungen derzeit unterbewertet, im Gegenzug bestünden wenig überzeugende Gründe für eine mittelfristige Stärkung des Dollar. Außerdem sei die Glaubwürdigkeit der lokalen Zentralbanken in den vergangenen Jahren gestiegen. Wenn die Fed voraussichtlich im Frühjahr 2022 einen kontraktiveren geldpolitischen Kurs einschlage, sei daher nicht mit einem Taper Tantrum zu rechnen, das auf die Schwellenländer durchschlage. Stattdessen stünde ein eher gradueller Renditeanstieg bevor.

„Dass derzeit noch ein Umfeld vergleichsweise niedriger Renditen und gleichzeitig ein hohes Investoreninteresse herrscht, haben sich zuletzt mehrere Schwellenländer zunutze gemacht“, sagt Colleran. Sie hätten die internationalen Märkte zu günstigen Konditionen angezapft und längere Laufzeiten gewählt. So seien Chile, Indonesien und die Ukraine zuletzt im Dollar aufgetreten.

Derweil bestünde für in Lokalwährung denominierte Schwellenländerbonds derzeit Gegenwind, da die Märkte Zinserhöhungen einpreisten. Einige Zentralbanken der Emerging Markets hätten ihre Sätze bereits angehoben, um Inflationsanstiegen zu begegnen. Russland hatte den Leitzins im Juli nach vorherigen kleineren Anhebungen im März, April und Juni um einen Prozentpunkt erhöht, Brasilien folgte Anfang des Monats mit einer Ankurbelung um ebenfalls 100 Basispunkte. „Der Reflation Trade stimmt uns vorsichtig für Lokalwährungsanleihen, Dollar-denominierte Titel bieten größere Widerstandsfähigkeit und Gelegenheiten“, betont Colleran.

Dennoch müssten Investoren auch bei Dollar-denominierten Bonds den Rating-Trend im Blick behalten. Da die Haushaltsdefizite wohl schwer zu kontrollieren seien, dürfte im Staatsanleihebereich diesbezüglich ein negativer Bias bestehen. Die Ratingagentur Moody’s gebe für ein Drittel der Schwellenländerstaatsanleihen einen negativen Ausblick ab. „Das bedeutet nicht, dass Downgrades unmittelbar bevorstehen, aber es deutet zumindest negative Maßnahmen an, sollte sich die wirtschaftliche Erholung verzögern“, sagt Colleran.

Der Rating-Trend für Staatsanleihen beeinflusse natürlich auch die Stimmung für Corporates, dennoch falle das Bild in diesem Segment freundlicher aus. „Insbesondere in China und Brasilien fällt eine positive Entwicklung auf, unter den Sektoren verfügt die Bergbau- und Metallindustrie über viel Momentum“, hebt Colleran hervor. Die Gewinne in der Branche entwickelten sich äußerst positiv, die Metallpreise profitierten von Angebotsausfällen und einem durch Konjunkturpakete stimulierten Nachfrageboom. Langfristig dürften Metalle aufgrund ihres Einsatzes in der Elektromobilität und bei regenerativen Energien entscheidend für die Bekämpfung des Klimawandels sein, was ebenfalls ein positives Preisumfeld bedinge. Dies liefere auch für die Bonds aus dem Sektor Unterstützung, die Kreditrisiken hätten bereits signifikant abgenommen.

Bullish für Konsumgüter

Zudem ist Loomis Sayles für die Sektoren Telekommunikation und Konsumgüter bullish eingestellt. Während der Pandemie habe Konnektivität an Bedeutung gewonnen, zugleich habe sich eine hohe Konsumentennachfrage aufgestaut, die sich nun entladen werde. „Außerdem sehen wir Chancen bei Hafenbetreibern und Logistikanbietern, die von einem anziehenden Welthandel profitieren dürften. Indes sollte auch der Markt für erneuerbare Energien in Schwellenländern durch eine verbesserte Infrastruktur einen Sprung machen“, sagt Colleran.

Trotz ansteigender Corona-Fallzahlen und Einschränkungen durch die Delta-Variante hebt Loomis Sayles Chancen in Asien aufgrund seiner elementaren Rolle im globalen Konsumzyklus hervor. China wirke als Anker innerhalb der Region und begrenze wirtschaftliche Risiken durch Renditeanstiege der US-Treasuries oder den unwahrscheinlichen Fall einer Dollaraufwertung. Zudem sei die politische Situation in Asien stabiler als beispielsweise in Lateinamerika – und China biete insbesondere im High-Yield-Bereich noch die günstigsten Gelegenheiten.

Geopolitik treibt Volatilität

„Allerdings könnte der nach wie vor schwelende geopolitische Konflikt mit den USA, die in Bezug auf Urheberrechte und Menschenrechtsfragen Druck auf Peking ausüben, die Volatilität im Segment antreiben“, sagt Colleran. Zwar sei die Rhetorik zwischen den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik unter der Biden-Administration weniger aufgeheizt, die Zahl der US-Sanktionen gegen chinesische Unternehmen habe aber noch zugenommen. Hinzu komme, dass auch Chinas interne politische Maßnahmen, darunter die überraschende Regulierungsoffensive gegen Tech-Konzerne, für höhere Marktschwankungen sorgten.

Indes gewichtet Loomis Sayles lateinamerikanische Bonds moderat über und legt den Fokus dabei besonders auf Mexiko und Brasilien. Ersterer Markt profitiere aufgrund der engen Verbindungen zur US-Wirtschaft stark von Konjunkturstimuli aus Washington, der zweite biete Exposition gegenüber zyklischen Emittenten, die von der globalen Wirtschaftserholung angetrieben würden. Darunter seien Rohstoffkonzerne sowie Papierproduzenten. „Zudem ist die wachsende Fintech-Branche in Brasilien attraktiv“, sagt Colleran.

Ein starkes Wachstum stehe auch dem Markt für Green, Sustainable und Sustainability-Linked Bonds in den Schwellenländern bevor. Die Emittenten bauten breiter angelegte Nachhaltigkeitsstrategien aus, um Geschäftsrisiken zu reduzieren sowie steigende Ansprüche von Regulatoren und Investoren zu erfüllen. „Grüne, nachhaltige und nachhaltigkeitsgebundene Anleihen sind dabei ein entscheidendes Instrument, wie an der jüngsten Emissionstätigkeit sichtbar wird”, betont Colleran. So sei der chilenische Staat zuletzt beispielsweise mit einem Sustainable Bond aufgetreten, während ein türkischer Anbieter für erneuerbare Energien vor kurzem einen Green Bond offeriert habe.